Marcus Scholz

12. November 2020

Wer selbst mal Fußball gespielt hat, kennt das Dilemma. In Testspielen wird die Mannschaft einmal komplett durcheinandergewirbelt und kommt dementsprechend uneingespielt auf den Platz. „Ich habe ehrlich gesagt auch als aktiver Spieler selten gute Spiele gesehen in Länderspielpausen“, war Sportdirektor Michael Mutzel schon in der Halbzeit nicht mehr wirklich gut auf das Spiel seiner Mannschaft gegen den dänischen Zweitligisten Viborg FF zu sprechen. Und das zurecht. Denn insbesondere die erste Halbzeit war seitens des HSV so schlecht, dass Trainer Daniel Thioune nach dem Spiel mächtig angefressen war. „So wenig geht nicht. Wer selten Platzzeit bekommt, sollte diese besser nutzen. Und das hat heute kleiner.“

 

Wobei, nicht ganz. Zwei Youngster, die allerdings erst sehr spät ins Team gekommen waren, fielen positiv auf. Und auch wenn das in Relation zum Rest auch einfacher war, als einmal ein- und auszuatmen – Ogechika Heil über rechts und Moritz Kwarteng machten das ordentlich. Beide brachten Tempo ins Spiel, boten sich an und wollten sich zeigen. „Und wer mich kennt, der weiß, dass ich gern mal solche Spieler reinwerfe, wenn sie es sich so verdienen“, sagte Thioune einerseits lobend  in Richtung der Youngster – aber eben auch mit der klaren Ansage an seine arrivierten Spieler: So geht es einfach nicht! Ob die Jungen den arrivierten Profis den Spiegel vorgehalten hätten? Thioune: „Zuallererst haben uns allen die Dänen den Spiegel vorgehalten. Heute fehlte die Gier, sich zeigen zu wollen und mir den Spielegel vorzuhalten, dass ich bei ihnen falsch lag.“

Die zweite Reihe bietet nichts an - Thioune ist sauer

In den letzten Jahren wurden Testspiele  immer gern leicht abgetan. Dieses nicht. „Als Trainer hat man eine gewisse Erwartungshaltung an solche Testspiele. Gerade dann, wenn Spieler auf dem Platz stehen, die zuletzt nicht so viel Spielzeit hatten. Und wir sind uns alle einig, dass wir nicht viel angeboten bekommen haben. Wir haben allen die Platzzeit gegeben, die ihnen in den letzten Wochen gefehlt hat. Man erwartet da eine gewisse Aktivität – aber die hat gefehlt.“ Thioune war richtig sauer: „Wenn ich nichts angeboten bekomme, kann ich auch nichts honorieren. Im Großen und Ganzen war der Auftritt von uns als Team enttäuschend.“ Denn das, was sich die vorrangig wenig eingesetzten Spieler abkniffen, war mit Uneingespieltheit allein nicht mehr zu erklären. „Das lasse ich als Erklärung nicht gelten“, so Thioune deutlich in Richtung Daniel Heuer Fernandes, Gideon Jung, Jonas David, David Kinsombi, Khaled Narey, Xavier Amaechi, Bobby Wood und Lukas Hinterseer. Einzig Klaus Gjasula nahm der Trainer aus der Mannschaft der ersten Halbzeit ein wenig raus: „Er wollte mehr als die meisten anderen.“

Der Albaner, der in der Halbzeit ausgewechselt wurde, reiste im Anschluss an das Spiel trotz der Geburt seines Sohnes und der drohenden Corona-Quarantäne im Anschluss an die Länderspiele zur albanischen Nationalmannschaft. „Es ist Abstell-Phase und er wollte unbedingt“, war auch Thioune anzuhören, dass er es sich anders gewünscht hätte. Dennoch akzeptiert der Trainer den Wunsch seines Spielers und hofft darauf, dass sich Gjasula nach seiner durchwachsenen Saison bislang über Einsätze bei der Nationalmannschaft selbst aus seinem Tief befreit. „Vielleicht tun ihm die Spiel ja gut“, so Thioune, der trotz des Spieles heute sehr ruhig blieb und kühl analysierte, ohne einzelne Namen zu nennen.

 

Dabei war das allemal möglich. Vor allem von Spielern wie Heuer Fernandes, Jung, David, Kinsombi, Wood und Hinterseer darf man mehr erwarten. Letztgenannter traf zwar nach Vorarbeit von Wood zum zwischenzeitlichen 1:2 – aber ansonsten blieb der Österreicher trotz eines im Vergleich zu seinen Mitspielern noch couragierten Auftrittes blass, was immer noch besser war, als das, was beispielsweise Heuer Fernandes anbot. Der Ersatzkeeper strahlte überhaupt keine Sicherheit aus und wirkte am Ball ebenso unkonzentriert wie beim 0:2 reaktionsschwach.

Noch schwächer präsentierte sich Gideon Jung zusammen mit Jonas David in der Innenverteidigung. Jung sollte von hinten raus absichern und führen  -  war aber selbst ein großer Unsicherheitsfaktor. Er rutschte aus, war zu spät im Zweikampf, verlor die Zweikämpfe und schaffte es nicht, seinem jungen Nebenmann Jonas David Sicherheit zu geben. Der wiederum konnte sich heute absolut nicht empfehlen und sah bei den ersten zwei Gegentreffern ganz schlecht aus. Da in dieser Länderspielpause kein weiteres Spiel angesetzt ist, sollten sich David ebenso wie Jung erst einmal keine großen Hoffnungen auf Startelfeinsätze machen.

Thioune: „Insgesamt auf einem guten Weg“

Zumal Thioune auch heute inmitten seiner Enttäuschung die Gesamtsituation ganz treffend zusammenfasste. „Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir haben einen guten Weg nach vorn genommen. Hätten wir die Entwicklung der letzten Saison fortgesetzt, hätte es hier ganz sicher einige Fragezeichen gegeben.“ Stimmt. Ebenso, was diesem HSV noch fehlt. Thioune: „Was fehlt ist eine gewisse Konstanz – auch mal über die gesamten 90 Minuten hinweg. Es war alles nicht so gut, wie es hätte sein dürfen. Wir müssen noch ein großes Stück weit wachsen. Denn es gab längere Phasen in allen Spielen  - Aue vielleicht mal ausgenommen, da waren wir 90 Minuten sehr dominant - mit denen wir nicht so zufrieden waren.“ Hinzu kommen die 90 von heute, mit denen man in Gänze nicht zufrieden sein kann.

 

Dennoch gibt es für die Profis die nächsten drei Tage frei. Es sei eine Art Vorgriff auf die fehlende Weihnachtspause, da es in dieser Saison schon am 2. Januar wieder um Punkte geht. Das hatte der HSV-Coach gestern schon verkündet – zum Glück für die Spieler. Denn heute nach dieser Partie hätte sich der HSV-Trainer das sicher noch einmal anders überlegt.

Die Enttäuschung im Stenogramm:

HSV: Heuer Fernandes (61. Mickel) – Hein (73. Heil), Jung, David, Narey (46. Kittel) – Jatta (85. Fabisch), Gjasula (46. Leistner), Kinsombi, Amaechi (73. Kwarteng) – Wood, Hinterseer

Tore: 0:1 Kaastrup (11.), 0:2 Mensah (60.), 1:2 Hinterseer (78.), 1:3 Berger Brix (88.)

 

In diesen Sinne, Euch allen noch einen schönen Donnerstagabend. Ich melde mich morgen natürlich trotz der Pause wieder bei Euch. Bis dahin!

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