Marcus Scholz

1. Oktober 2020

Die Corona-Zahlen in Hamburg steigen signifikant. Nicht wenige rechnen damit, dass es in Sachen Stadionbesuch nach der kurzen Lockerung seitens der Stadt schon bald wieder neue Einschränkungen geben wird. Und auch im Umfeld vom nächsten HSV-Gegner FC Erzgebirge Aue ist ein Mitarbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Aues Profis zuletzt nur individuell trainieren. „Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme unsererseits. Nach einem weiteren Test können wir hoffentlich wieder in das Mannschaftstraining einsteigen. Alles andere wäre sehr kontraproduktiv für uns“, sagte FC-Trainer Dirk Schuster. Dass die Sachsen als Tabellenzweiter zum Spitzenreiter nach Hamburg reisen, wollte Schuster angesichts des frühen Zeitpunkts nicht überbewerten. „Ich möchte trotz der Tabellenkonstellation nach dem zweiten Spieltag nicht von einem Spitzenspiel sprechen. Die Unterschiede zwischen beiden Vereinen sind einfach zu groß“, erklärte der 52-Jährige.

Für Schuster ist der HSV in dieser Saison der „Topfavorit für den Aufstieg“ in die 1. Bundesliga. „Am Montag in Paderborn war neben den Stürmern auf dem Platz mit Lukas Hinterseer, Bakery Jatta, Gideon Jung oder Aaron Hunt noch eine geballte Offensivkraft auf der Bank vorhanden. Die komplette Hamburger Offensivabteilung mit Simon Terodde an der Spitze ist brutal gefährlich“, meinte Schuster. Seine Mannschaft werde deshalb mit Respekt, aber ohne Angst nach Hamburg fahren. „Wir wollen mutig, geschlossen und taktisch clever auftreten. Wir müssen gut verteidigen und wollen dem HSV die eine oder andere Aufgabe stellen“, sagte der Aue-Trainer quasi im selben Duktus wie HSV-Trainer Daniel Thioune, der uns heute sagte, dass er sich vor dem Training allein Aue auf Videos angesehen habe, ehe er sich heute alles noch einmal zusammen mit den Analysten angesehen habe, „um die wichtigsten Aufgaben“ herauszufiltern und entsprechende Antworten zu erarbeiten.

Thioune sieht Aue als „typischen Zweitligisten“

Lösungswege bieten sich Thioune dabei mehr denn je. Mit Ewerton, David Kinsombi (Muskelfaserriss in der Wade) und Aaron Opoku fallen nur zuletzt eh nicht berücksichtigte Spieler aus. Sonny Kittel, der sich am Montag wegen „Unwohlsein“ abgemeldet hatte, wird schon wieder zunehmend belastet und soll nach Möglichkeit bis Sonntag fit werden. Wieder voll dabei ist nach Jan Gyamerah, der sein Comeback in Paderborn gab, auch wieder Toni Leistner, der heute schon voll mit der Mannschaft trainierte und seine Sperre nach dem Dresden-Vorfalles abgesessen hat. Ob der Dresdner von Beginn an spielt, ließ Thioune aber noch offen. „Im Moment habe ich noch viele Ideen. Wir haben ein paar Lösungswege gesucht und gefunden. Und ja, na klar, so ein Spieler wie Toni Leistner kann gerade angesichts der Physis, die ein Gegner wie Erzgebirge Aue auf den Platz bringt, helfen.“ Final beschlossen sei Leistners Comeback aber noch nicht.

Wobei Thioune den kommenden Gegner als einen typischen Zweitligisten sieht – und die Auer bewusst lobt: „Ich glaube schon, dass Aue eine hohe Stabilität hat. Haben bisher nur ein Gegentor, das haben sie sich ja quasi selbst reingeschossen.“ Vorne hätten die Auer mit Pascal Testroet einen Wandspieler (= dauerhafter Anspielpunkt), zudem mit Krüger einen sehr schnellen Spieler, der in die Tiefe geht. „Die haben hinten schon drei Hightower drin mit über 1,90 Meter und einer richtig guten Physis“, so Thioune, der Aue eher mit langen Bällen und „weniger durchs Zentrum kommend“, erwarten würde, wie er sagt. „Sie sind das, was der Beschreibung eines typischen Zweitligisten schon sehr nahe kommt.“

 

Aussagen, die dafür sprechen, dass  man hinten maximal körperlich aufgestellt ist. Stephan Ambrosius, der heute im Training einen schmerzhaften Zusammenprall mit Bakery Jatta hatte (Thioune:  „Er hat einen kleinen Cut am Schienbein. Pflaster drauf, ein bisschen pusten, dann ging es wieder.“), dürfte gesetzt sein. Moritz Heyer wäre meiner Meinung nach einer für die Abwehrmitte – und Leistner gegebenenfalls der dritte Mann in der Dreierkette – sofern Thioune diese spielen lässt.

Heuer Fernandes überzeugte Trainer Thioune

Im Tor wird nahezu sicher Daniel Heuer Fernandes stehen, wenn nicht noch etwas überraschend schnell passiert. Und das noch immer in dem Wissen, dass noch ein Keeper geholt werden soll. Geschadet hat es der Leistung Heuer Fernandes‘ nicht. „Ich glaube nicht, dass es Einfluss genommen hat“, so Thioune über die weiter offene Torwartfrage. Er habe es ja immer in aller Offenheit kommuniziert, dass man sich, wenn man auf der Torwartposition noch einmal nachlegt, dann wolle man die Qualität im Kader erhöhen.

Daher sei es schwer, sich jetzt schon fest für Daniel Heuer Fernandes auszusprechen, bevor diese Frage geklärt sei. Thioune: „Aber letztlich kann er jede Woche mit Leistung diesen Platz für sich manifestieren. Und das hat er mit richtig guten Leistungen getan. Aber wir können überall noch wachsen.“ Daher sei der Wettkampf auf der Position zumindest noch bis nach der Länderspielpause (nach Aue ist ein Wochenende Pause) offen. Fakt ist, der HSV will noch einen dritten Keeper im Kader haben. Und der muss bis spätesten kommenden Montag gefunden werden.

 

Einer, der so unumstritten ist, wie es sich Thioune hier in Hamburg für seine Nummer eins wünscht, ist Aues starker Keeper und Kapitän Martin Männel, der am Sonntag in Hamburg sein 400. Pflichtspiel absolviert. „Wir konnten dem HSV in der Saison 2018/19 auswärts beim 1:1 und zuletzt im Februar beim 3:0-Heimsieg weh tun. Vielleicht gelingt uns das jetzt wieder», frohlockt der Aue-Kapitän. Sein Team sieht er dennoch in der Außenseiterrolle: „Es ist gefühlt eine andere Hamburger Mannschaft, die auf dem Platz steht. Man sieht die Handschrift von Trainer Daniel Thioune, der einen anderen Stil pflegt.“

Aue-Keeper Männel schwärmt von Terodde

Die „brutale Qualität“ vor dem Tor sei geblieben, laut Männel harmoniere der HSV unter Thioune inzwischen auch als Team: „Am Montag in Paderborn hat der HSV bewiesen, dass er auch zwei, drei Nackenschläge gut wegstecken kann“, sagte Männel, ehe er vor Torjäger Simon Terodde warnte: „Ich glaube, wir gehören zu den Lieblingsgegnern von Simon Terodde. Wenn er gegen uns getroffen hat, dann nicht nur einmal, sondern manchmal zweimal oder sogar dreimal. Ich freue mich trotzdem auf das Duell mit ihm. Er ist ein herausragender Stürmer in der 2. Liga. Dazu ist Simon auch menschlich in Ordnung. Er ist einer der wenigen auf dem Platz, mit dem man zwischendurch auch das eine oder andere Späßchen machen kann.“

Apropos Torwart: Laut „Kicker“ hat sich Bayern Münchens Trainer Hansi Glick dazu entschieden, Alexander Nübel zur festen Nummer zwei zu machen. Zuletzt hatte noch Sven Ulreich auf der Bank gesessen, als Falls Nübel in dieser Saison als Nummer drei oder als Nummer zwei im ständigen Wechsel mit Ulreich vorgesehen gewesen wäre, hätte er sich demnach sofort ausleihen lassen wollen. Anfragen aus dem In- und Ausland liegen dem jungen Keeper offenbar vor.

 

Zum Liga-Start beim 8:0-Erfolg gegen Schalke 04 und beim europäischen Supercup in Budapest hatte Bayern-Trainer Hansi Flick noch beide Ersatzkeeper aufgeboten. Ulreich steht bei den Münchnern bis 2021 unter Vertrag und hat laut „Kicker“ bislang noch keinen passenden Verein für einen sofortigen Abschied gefunden. „Mein Wunsch ist es, als Nummer eins voll zu spielen“, sagt Ulreich, „doch der Transfermarkt gibt bislang nicht so viel her.“ Eine Aussage, die man hier beim HSV nicht persönlich nehmen sollte. Man ist eben nur noch Zweitligist. Wenn auch ein ambitionierter.

Und schon das kolportierte Jahresgehalt Ulreichs, das zwischen drei und vier Millionen Euro liegen soll, macht ihn nahezu unmöglich. Dennoch hat der HSV mit Heuer Fernandes und Mickel hier meiner Meinung nach keine Not, zwingend eine neue Nummer eins zu holen. Zumindest gefiel mit Heuer Fernandes zuletzt in den Spielen besser als in der abgelaufenen Saison. Und allein das ist bei der Suche nach einem neuen Keeper schon ein Vorteil. Zumindest können etwaige Anbieter und Torwartkandidaten nicht wieder Kapital aus einer Zwangssituation schlagen. Kurzum: Aktuell hat sich der HSV eine gute Ausgangsposition geschaffen. Und die gilt es in den nächsten Spielen auszubauen. Die Basis ist sportlich wie kadermäßig hergestellt. Auch dank der beiden Siege  kann man davon sprechen, das der HSV seine Pflicht erfüllt hat – die Kür kann folgen. Dafür ist noch bis Montag die sportliche Leitung um Direktor Michael Mutzel und Sportvorstand Jonas Boldt verantwortlich. Und ich bin mir sicher, dass hier auch noch etwas passieren wird.

In diesem Sinne, bis morgen früh. Da melde ich mich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch, ehe die Mannschaft um 13.30 Uhr trainiert und der Trainer am Nachmittag auf der Pressekonferenz Rede und Antwort steht.

Bis dahin!

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