Marcus Scholz

4. November 2020

„Die Spielanlage ist gut, die Spieler sind gut. Es ist vielleicht keine so wirkliche Überraschung, wenn man sieht, wie sie sich entwickelt haben.“ Das sagt Daniel Thioune über den nächsten Gegner, Holstein Kiel. Und der Coach beweist, dass er ein begeisterter Zuschauer und Leser der Rautenperle ist (kleiner Scherz, Anm. d. Red.). Er hat ganz offenbar meinen Tipp für Holstein Kiel gehört: „Ich glaube, dass das noch lange so gut gehen kann und sie bis zum Ende eine Rolle spielen können, was die Top 5 betrifft. Das ist schon richtig gut, was sie machen.“ Stimmt. Und dennoch ist der HSV noch immer zwei Plätze über Holstein Kiel in der Tabelle, die einen. Spieler in ihren Reihen haben, den wir hier im Blog nur zu gut kennen und den Daniel Thioune etwas überraschend lobend erwähnte: Ahmet Arslan. Der Ex-HSVer ist über die Regionalligamannschaft vom VfB Lübeck zu dieser Saison ausgerechnet zu Holstein Kiel gewechselt, was dort für die Fans  in etwa so brisant ist, wie vom HSV zum FC St. Pauli zu wechseln. Oder andersrum.

 

„Hier in Kiel hat man mich trotz des brisanten Wechsels sehr gut aufgenommen“, berichtete mir Arslan heute, „aber in Lübeck standen die Fans schon bei mir vor meiner Haustür. Zum Glück war ich gerade im Urlaub und wurde so nur von der Polizei informiert, die die Ultras weggeschickt hat.“ Fakt aber sei, dass Arslan trotz zweier herausragender Saisons samt Drittligaaufstieg in Lübeck bei den Fans seit dem Wechsel zu Kiel unten durch ist. In Kiel wiederum ist das anders. Ein paar nette Hinweise habe er zwar auch von einigen wenigen Holstein-Fans bekommen – aber alles im respektvollen Rahmen. Allein sportlich konnte der Offensivspieler bislang noch nicht so in Erscheinung treten, wie er es selbst gern würde. „Natürlich würde ich den Fans und dem Klub gern sportlich auf dem Platz beweisen, wie wohl ich mich hier schon fühle – aber ich habe hier einen Vierjahresvertrag unterschrieben und mit dem Trainer einen Plan. Ich habe da tatsächlich Geduld. Vielleicht zum ersten Mal so richtig – aber so ist es…“

Thioune feuerte Arslan - der dankt es ihm heute

Mit Freude würde er zudem beobachten, welchen Weg sein alter Klub aktuell geht. Auch den, dass hier junge Spieler herangeführt und entwickelt werden. Vor allem aber freut Arslan, mit wem der HSV diesen Weg geht: „Daniel Thioune ist ein toller Trainer“, sagt der  26-Jährige, der unter Thiuone beim VfL Osnabrück spielte und auf einem guten Weg war, dort seine Profikarriere zu begründen. Allerdings nur fast. Genau genommen bis zu diesem einen, speziellen Moment, in dem Arslan sein persönliches Waterloo erlebte. Kurzer Rückblick: 0:0 stand es nach ereignislosen 120 Minuten im Landespokalhalbfinale gegen Drochtersen Assel, das Elferschießen musste darüber entscheiden, wer ins Landespokalfinale gegen Jeddeloh einzieht - und damit bereits für die erste Runde des lukrativen DFB-Pokals qualifiziert wäre (in Niedersachsen zogen damals beide Finalisten in den DFB-Pokal ein). Und schon nach dem zweiten Durchgang des Elfmeterschießens, das Drochtersen eröffnet hatte, lag der VfL vorn, weil Andrijanic übers Tor geballert hatte. Danach verwandelten die nächsten vier Schützen, so dass Arslan mit dem fünften Versuch die Entscheidung auf dem Fuß hatte. Er vergab sie mit einem völlig misslungenen Schlenzer á la Panenka, Drochtersens Keeper Kühn, der einfach nur mittig stehenblieb, direkt in die Arme. „Ein peinlicher Fehlschuss, überheblich und arrogant“, schrieb die NOZdamals  – und die Führung des VfL entschied, Arslan künftig nicht mehr für die Erste Mannschaft einzuplanen.

 

Trotz weit fortgeschrittener Vertragsverlängerungs-Gespräche wurde sogar der neue Kontrakt abgesagt. „Das war hart für mich. Aber für den Trainer offenbar auch nicht leicht. Damals musste mir der Trainer die Nachricht überbringen und ich habe gemerkt, dass es nicht seine Entscheidung war. Er war immer sehr ehrlich, auch in diesem schweren Moment. Das habe ich ihm nie vergessen“, erinnert sich Arslan heute an den HSV-Coach, dem er sportlich zudem nur das Beste attestiert: „Daniel ist ein geiler Trainer“, so Arslan, der im selben Atemzug seinen aktuellen Trainer Ole Werner mit Thioune vergleicht: „Sie haben Ähnlichkeiten.“ Welche genau? Beide sind jung, beide haben keine Probleme damit, sich auf Augenhöhe zu den Spielern zu bewegen – und beide haben Pläne mit Arslan. Oder besser gesagt: Thioune hatte sie, Werner hat sie. Sie hätten es beide drauf, eine Mannschaft so zu packen, dass sie sich mit dem Trainer als Einheit versteht.

Bislang bringt es Arslan dennoch auf gerade einmal eine einzige Spielminute in sechs Spielen. Und er macht keinen Hehl daraus, dass das zu wenig ist, um zufrieden zu sein. Aber ich kenne Arslan nun auch schon ein paar Jahre und weiß, wie er normalerweise auf so eine Quote reagiert. Diesmal indes überrascht er mich: „Natürlich ist jedes Spiel auf der Reservebank wie ein kleiner Schlag in die Fresse. Alle wollen spielen. Immer. Auch ich. Aber der Unterschied ist, dass ich hier trotz allem das Gefühl habe, dass man einen Plan mit mir hat. Der Trainer spricht sehr klar, offen und vor allem viel mit mir.“

Arslan vergleicht Kiels Trainer Werner mit Thioune

Womit wir wieder bei einer Ähnlichkeit von Werner und Thioune angekommen sind. Beide Trainer sind jung, haben als Spieler keine Weltkarrieren hingelegt und leiten jetzt Spieler an, die schon mehr erreicht haben als sie selbst als Aktive. Dennoch schaffen es beide, sich die Autorität bei den Spielern zu sichern – mit Menschlichkeit: „Wenn Dich ein Trainer nach Einheiten mal kritisiert, mal lobt, aber dabei immer Lösungen mit auf den Weg gibt, dann gibt dir das ein gutes Gefühl. Zu merken, dass es ihm wichtig ist, dich besser zu machen, das motiviert.“

Das und die Tatsache, dass Arslan gerade gegen seinen Exklub HSV bislang immer getroffen und gewonnen  hat. Mit Osnabrück im DFB-Pokal seinerzeit – und zuletzt beim 2:5 des HSV in der Sommervorbereitung vergangene Saison. Ob er auch am Montag von Beginn an dabei ist? Eher nicht. „Schade – logisch. Aber ich sehe es so: Vor ein paar Wochen habe ich noch Regionalliga gespielt, jetzt darf ich mein sportliches Glück unter besten Bedingungen bei einem Top-Zweitligisten suchen.“ Und das alles, weil er damals den Elfer so peinlich verschenkte: „Wer weiß, wo ich gelandet wäre, wenn man mich damals nicht rausgeworfen hätte. Allein deshalb müsste ich Daniel Thioune auf ewig dankbar sein“, lacht Arslan, der noch immer Kontakt nach Hamburg hat. Auch zu Thioune übrigens, dem er den Aufstieg mit dem HSV zutraut.

 

Und so sehr sich Arslan auf alte Bekannte wie Aaron Hunt, Gideon Jung und Teammanager Jürgen Ahlert freut, ansonsten hat sich vieles beim HSV verändert. „Sogar die neue Konstanz“, flachst Arslan und spricht auf die Vertragsverlängerung von HSV-Vorstand Jonas Boldt an, der natürlich auch heute im und rund um den Volkspark großes Thema war. Hintergrund: Der Sportvorstand hat in den nächsten Tagen und Wochen einige Verträge zu verlängern. Vor allem das Team um ihn herum solle bleiben, so Boldt, der sowohl den Vertrag von Sportdirektor Michael Mutzel als auch den von Chefscout Claus Costa verlängern will. Intern hat man sich bereits auf eine Fortführung der Zusammenarbeit verständigt, jetzt müssen Verträge fertiggestellt und unterzeichnet werden. Und während das bei Costa und Mutzel noch Verhandlungssache ist, darf sich, so war zu hören, Nachwuchschef Horst Hrubesch selbst aussuchen, wie lange er beim HSV bleibt. Klingt gut.

Apropos: Wer sich unsere neuesten Ausgaben des CommunityTalks und von „HSV, was geht ab“ anschauen und anhören will, dem habe ich die beiden Formate hier mit reingestellt. Ansonsten verweise ich schon mal auf morgen Abend, wo ich mich erneut an dieser Stelle mit dem Blog melde!

Bis dahin,

Scholle

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