Christian Hoch

12. Dezember 2019

Seit dem 26. Oktober und dem 6:2-Sieg gegen den VfB Stuttgart ist der HSV insgesamt in eine erste Mini-Krise gerutscht - vor allem die Stürmer hat es dabei besonders heftig erwischt. Seit diesem Spiel sind Lukas Hinterseer (vier Saisontore), Martin Harnik (zwei Saisontore) und Bobby Wood (kein Saisontor) ohne eigenen Treffer geblieben. Das nominelle Sturm-Trio im absoluten Formtief. Alternativen im Kader? Bislang Fehlanzeige. Deswegen verwundert es nicht, dass die Verantwortlichen in Hamburg nach genau diesen im Winter suchen. Dabei sollten sie aber nicht vergessen, einem ihrer Stürmer das absolute Vertrauen auszusprechen. 

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt kennt die Mechanismen, Abläufe und Themen des Fußball-Geschäfts in- und auswendig. Jahrelang formte ihn Ex-Bundestrainer und Leverkusen-Ikone Rudi Völler zu einem der Top-Manager in der Bundesliga. Er lernte das Fußball-Business von der Pike auf kennen und ist mittlerweile ein fester Bestandteil davon. Natürlich kennt Boldt deswegen auch die Medienlandschaft und die Fragen, die sich Journalisten und Fans im Winter stellen: Wo wird noch einmal nachgebessert, was passiert mit den auslaufenden Verträgen, wie viel Geld steht für Transfers überhaupt bereit? 

„Natürlich kann es sein, dass wir noch was machen. Aber wenn, dann sollte es ein Stürmer sein, der ein anderes Element einbringt als diejenigen, die wir haben.“ 

Dieses Zitat gab Boldt dem „kicker“ auf die Frage, ob der HSV noch nach einem neuen Stürmer suchen würde. Wenn ein Sportvorstand mit dem Format von Boldt, der sich öffentlich sonst sehr zurückhält und vorsichtig mit Worten umgeht, sich so zitieren lässt, dann heißt das übersetzt: Wir suchen auf jeden Fall noch einen neuen Stürmer. Diese Worte lassen sogar den Schluss zu, dass eine Neuverpflichtung das Ziel und somit realistisch ist. Zu offensichtlich sind die Probleme im Sturmzentrum, zu gering das Vertrauen, dass die Qualität dieser Konstellation bis zum Saisonende reichen würde, um den Aufstieg zu schaffen. Wie konnte es zu dieser Analyse kommen? Was braucht der HSV für einen Stürmertypen? Der Reihe nach. 

Hecking und die Hinterseer-Spitze 

Nach der vergangenen Chaos-Saison und dem verpatzten Wiederaufstieg krempelte der HSV seinen Kader auf links. Viele Spieler wurden abgegeben, darunter auch Ex-Stürmer Pierre-Michel Lasogga, der mittlerweile sein Geld bei Al-Arabi in Katar verdient und dort wohl kaum unter dem Gehaltsvolumen zu seiner HSV-Zeit liegen wird (3,5 Millionen). Lasogga spaltete in Hamburg nach seiner Verpflichtung 2013 bis zu seinem Abschied 2019 die Fans: die einen liebten ihn für seinen Killer-Instinkt und seine Torgefährlichkeit im Strafraum, die anderen verfluchten ihn für seine mangelnde Technik und sein geringes Tempo. So oder so: Lasogga traf in 138 Spielen insgesamt 49 mal im HSV-Trikot, darunter 13 Tore in der vergangenen Zweitligasaison.

 

Vor dieser Saison angelte sich der HSV Lukas Hinterseer vom VfL Bochum, der in zwei aufeinanderfolgenden Zweitligasaisons zweistellig traf und vergangene Spielzeit satte 18 Tore auf dem Konto hatte - ein starker Wert, den er auch zuvor in seiner Karriere immer wieder bestätigen konnte. Gepaart mit den Tatsachen, dass Hinterseer ablösefrei und mit der Motivation, noch einmal in der Bundesliga spielen zu wollen, nach Hamburg kam ist dieser Transfer auch aus heutiger Sicht noch immer absolut sinnvoll. Doch beim HSV ist Hinterseer noch nicht richtig in Fahrt gekommen. Zum Start traf er noch zuverlässig (Drei Ligatore, ein Treffer im DFB-Pokal), doch dann kam eine erste Flaute und eine öffentliche Spitze vom eigenen Trainer. Hecking: „Lukas kann ein bisschen besser spielen und das weiß er auch.“ Diese leichte Kritik schien Hinterseer zu beflügeln - im anschließenden Spiel gegen Bielefeld traf er direkt. Doch ein hartnäckiger Pferdekuss bremst ihn seit ein paar Wochen aus, gegen Sandhausen wird er aller Voraussicht nach sein Comback geben und versuchen, das Sturmproblem zu lösen. 

Das sagt Hinterseer selbst 

Mit der „MOPO“ sprach er vor dem Spiel ausführlich über seine Zeit beim HSV und dem damit verbundenen Druck für einen Stürmer. 

„Es kommt immer schnell Kritik auf, wenn die Stürmer nicht treffen. Mich lässt das aber relativ kalt. Ich gebe in jedem Training und in jedem Spiel alles, habe in der Liga bislang vier Tore gemacht. Wir haben Stand jetzt 29 Punkte geholt – und dass nicht, weil nur die Stürmer immer getroffen haben. Bei uns haben viele Spieler Qualitäten in der Offensive. Das zeigt doch auch die Tatsache, dass wir schon elf verschiedene Torschützen haben. Wenn man aber mal zwei Spiele verliert und vorne die Durchschlagskraft fehlt, kommt schnell eine Stürmerdiskussion auf. Ich bin aber schon so lange dabei und weiß, dass es auch ganz schnell wieder anders gehen kann. Du triffst halt manchmal nicht. Dann bist du der Depp, eine Woche später stehst du plötzlich genau richtig auf dem Platz, schiebst einen Abpraller in das leere Tor und bist ganz schnell wieder der Held. Das ist so bei einem Stürmer. Bei mir kam jetzt noch dazu, dass ich gerade verletzt war, zwei Spiele verpasst habe und drei Wochen gar nicht mit der Mannschaft trainieren konnte. Erst jetzt bin ich wieder beschwerdefrei. Ich habe einen Anspruch an mich selbst. Der Druck, der von außen kommt, beeinflusst mich gar nicht. Ich bin seit zehn Jahren Profi. Ich kann das alles ganz gut einschätzen.“

Und tatsächlich: Auch in der vergangenen 18-Tore-Saison hatte Hinterseer zu Beginn der Spielzeit mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, erst am sechsten Spieltag traf er zum ersten Mal (damals dreifach gegen Ingolstadt). Meine Prognose, da ich ihn aus der Zeit beim VfL kenne: Hinterseer wird am Ende der Saison mindestens 15 Treffer erzielt haben und dem HSV helfen. Deswegen glaube ich auch, dass der HSV mehr nach einer Alternative zu ihm, statt einem kompletten Ersatz suchen sollte. Hinterseer ist kein weichlicher Spieler, der jede Sekunde Lob benötigt, doch auch er braucht als Stürmer natürlich das komplette Vertrauen, um sich komplett entfalten zu können. 

Harnik zwischen Flügel und Zentrum - Wood nicht zweitligatauglich

Auch Martin Harnik ist seit Oktober - und damit seit fast zwei Monaten - ohne eigenen Treffer. Dabei ließ er gegen Osnabrück und gegen Heidenheim beste Gelegenheiten ungenutzt. Ihn sehe ich eher als Außenstürmer oder zweite Spitze neben Hinterseer, da er mit seiner intelligenten Spielweise und den cleveren Läufen in die Tiefe eine viel größere Waffe als im Zentrum ist. Auf der Position des Rechtsaußen absolvierte Harnik zudem seine bislang besten Spiele im HSV-Trikot. 

Bobby Wood, der gegen Dresden und Osnabrück in der Startelf auflaufen durfte, ist dagegen in seiner aktuellen Verfassung nicht einmal geeignet für den Abstiegskampf in der zweiten Bundesliga. Wood hat in den vergangenen zwei Jahren offenbar alles an Selbstvertrauen eingebüßt, das er bei seinem Dienstantritt 2016 in Hamburg und die erste Zeit danach noch hatte. Er ist ein Schatten seiner selbst, agiert mut- und kraftlos auf dem Platz und offenbar mehr mit sich selbst als dem Spielgeschehen beschäftigt. Aktuell kann er dem HSV nicht im Ansatz helfen. 

HSV braucht Hinterseer-Alternative - Spieler mit Tempo 

So bleibt es dabei: Meiner Meinung nach sollte der HSV Lukas Hinterseer das volle Vertrauen aussprechen. Er spricht selbst von seiner jahrelangen Erfahrung, weiß dazu noch, wie die gegnerischen Mannschaften ticken, da er selbst oft in der zweiten Bundesliga aufgelaufen ist und gegen die Teams getroffen hat. Allein im vergangenen Jahr traf er in Sandhausen gleich dreimal - genau das will er natürlich auch am kommenden Sonntag schaffen. Doch die Tatsache, dass der HSV nach einem neuen Stürmer sucht ist absolut richtig. Es fehlt die Alternative zu ihm, es fehlt auch ein anderer Spielertyp. Ein Angreifer mit enormem Tempo könnte dem HSV-Spiel noch ein Element geben, das bislang in der Sturmspitze fehlt. Es wäre zudem die perfekte Ergänzung zu Hinterseer, der mehr über seinen Instinkt und weniger über seine Geschwindigkeit kommt. 

Was meint ihr: Was fehlt dem HSV und welchen Stürmer sollte er noch holen? Schreibt es gerne in die Kommentare. 

In diesem Sinne: Moin und Glück Auf 

Christian

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