Marcus Scholz

7. April 2018

„Ihr werdet nie Deutscher Meister, ihr werdet nie Deutscher Meister...“ hallte es aus den Kehlen des Großteils der 54.374 Zuschauer, als die HSV-Mannschaft das Stadion verließ. Es war die Retourkutsche für die Schmähgesänge der Schalker Anhänger, die den HSV wie die meisten deutschen Fußballfans schon in der zweiten Liga wähnen. Allerdings ist diese Entscheidung erst einmal aufgeschoben, da der HSV sein erneut spielerisch wie kämpferisch starkes Spiel endlich auch mit drei Punkten belohnte. Aaron Hunt setzte mit seinem Hammer-Tor in der 85. Minute den Siegtreffer zum 3:2, das so wichtig war, dass wirklich alle auf der HSCV-Bank auf den Platz stürmten, um zu jubeln. Ein Sieg, der die Hoffnung weiterleben lässt...

Zumal die Ergebnisse der 15.30-Uhr-Spiele allen bekannt waren – und sie waren nicht so, wie man es sich erhofft hatte. Wolfsburgs Sieg beim SC Freiburg verschlechterte die eh schon schlechten Chancen zunehmend. Insofern war es ein Spiel, in dem der HSV eigentlich gar nichts mehr zu verlieren hatte. Eben so, wie es Trainer Christian Titz auch unter der Woche beschrieben hatte. Und dementsprechend begann der HSV auch. Mit einer Startelf, wie sie zu vermuten war bzw. wie wir hier auch getippt hatten. Und mit einer gewohnt offensiven Ausrichtung, wie unter Titz bislang in jedem Spiel. Von Beginn an pressen und früh den Gegner attackieren, dazu schnell umschalten und die wechselnden Spitzen suchen – es funktionierte offensiv.

Aber es spielte den Schalkern, die genau das am liebsten haben, auch in die Karten. Die Folge: Nach knapp acht Minuten bekam Papadopoulos Gelb, weil er Breel Embolo foulen musste, um den gefährlichen Konter zu unterbinden. Und noch schlimmer: Der daraus resultierende Freistoß führte zum 0:1, weil man beim HSV offenbar noch nicht mitbekommen hatte, dass die Schalker in Naldo einen außergewöhnlichen Kopfballspieler haben, der den Ball locker einköpfen konnte. Rick van Drongelen sprang dazu noch zu kurz und unter dem Ball durch. Allerdings: Naldo nahm die Hand! Eine klare Fehlentscheidung und für mich nur noch einmal der Beweis, dass dieser Videobeweis eine absolute Farce ist. Selbst bei uns auf der Tribüne ging das Video nur Minuten nach dem Tor rum und bewies das, was wir schon geahnt hatten. Unfassbar!!!

Gerechte Reaktion: Bei einem langen Einwurf von Douglas Santos steht Naldo schlecht, der Ball prallt zu Kostic, der den Einwurf einnicken kann – das umjubelte 1:1 in der 17. Minute. Interessanter Fakt: Am Donnerstag hatte Santos nach der Trainingseinheit genau das geübt. Von Titz dirigiert schleuderte er etliche Einwürfe von außen auf den Fünfmeterraum...

Und es blieb dabei: Der HSV war die bessere Mannschaft in der Anfangsphase. 68 Prozent Ballbesitz und 9:1 Torschüsse nach 40 Minuten (wobei Schalkes Torschuss das Hand-Tor war...) sprechen eine deutliche Sprache. Und der HSV kam sogar zu gefährlichen Situationen. Nachdem Holtby einen Hunt-Pass nicht richtig unter Kontrolle bekommen hatte, war es der immer aktiver werdende Holtby, der in der 29. Minute aus 17 Metern nur knapp links vorbei zielte. Und in der 37. Minute war Waldschmidt nach einem schönen Pass des sehr gut aufgelegten Ersatz-Neuners Aaron Hunt plötzlich frei vor Schalkes Keeper Fährmann, der den Ball aber zur Ecke parierte. Dazu genommen die Konterchancen, die Waldschmidt in Laufduellen verlor – der HSV hätte wieder mal mehr herausholen können als das 1:1 zur Halbzeit. Es war wieder einmal eine spielerische Steigerung zu erkennen.

Aber es war bis dato auch nur ein remis, also nur ein Punkt. Und der würde dem HSV nicht helfen. Das war allen bewusst. Entsprechend engagiert ging es in die zweite Hälfte. Ohne personelle Veränderung beim HSV, während Schalke von 4-2-3-1 auf 4-4-2 umstellte. Interessant: Bislang stellten gegen Titz alle gegnerischen Trainer ihr System zur zweiten Halbzeit um. Allein, Schalke wurde nicht besser bzw. der HSV kam auch jetzt zu guten Szenen. Erst scheiterte Sakai nur um Zentimeter (50.), ehe Holtby die Führung erzielte. In der 52. Minute ließ Ito zunächst Goretzka alt aussehen, passte flach in die Mitte, wo Holtby den Ball mit der Hacke einschieben wollte und den Nachschuss mit der Brust über die Linie drückte – das 2:1 in der 52. Minute.

Es war endlich das, was ich bei Ito immer vermisst hatte: Endlich brachte der Japaner seine guten Ansätze auch zu einem gelungenen Abschluss. Eine starke Aktion! Und der Beginn einer immer leidenschaftlicher werden Partie des HSV, der in der 60. Minute das 3:1 machen musste. Hunt hatte sich freigestohlen und Schalkes Keeper Fährmann konnte dessen Schuss nur prallen lassen. Direkt vor die Füße von Waldschmidt, der den halbhohen Ball aber über das Tor setzten Art Vorente. Und anstatt eine At Vorentscheidung herbeizuführen, bekam der HSV einen bitteren Rückschlag. Van Drongelen und Santos können Goretzka nicht halten, dessen Schuss pariert Pollersbeck und der Abpraller landet vor Burgstallers Füßen – das 2:2 (63.).

Es war ein sehr interessantes, weil sehr intensives Fußballspiel, das jetzt allerdings zu kippen drohte. Der HSV mit unfassbarem körperlichem Aufwand, Schalke clever und effektiv. Wobei Goretzka in der 67. Minute seinerseits eine Hundertprozentige für die Gelsenkirchener liegen ließ, als er freistehend vor Pollersbeck einen Lupfer zu hoch ansetzte.

HSV-Trainer Christian Titz reagierte sofort und brachte vor 54137 Zuschauern den wieder genesenen Albin Ekdal für Matti Steinmann sowie Bakery Jatta für den Torschützen Filip Kostic. Parallel dazu war bei Waldschmidt, Holtby und zunehmend Ito die sich einstellende Müdigkeit zu erkennen. Allerdings konnte Titz nur noch einmal wechseln und brachte Fiete Arp für Waldschmidt (80.) fürs Finale des Spiels. Und kaum 30 Sekunden nach seiner Einwechslung war es Arp, der im Sechzehner (mit dem Rücken zum Tor) an den Ball kam und ihn nur noch ablegen musste – daran allerdings gestört wurde. Da war mehr drin!

Und es wurde mehr!! Der heute wirklich so stark wie selten aufspielende Aaron Hunt nahm noch mal all seine Kräfte zusammen und zog aus mehr als 20 Metern ab – und wie! Fährmann konnte nur fassungslos mit ansehen, wie das Geschoss (Kandidat fürs Tor des Monats) in seinem linken Torwinkel einschlug und die Massen von ihren Sitzen schnellen ließ. Das 3:2 für den HSV in der 85. Minute!! Und von jetzt an saß eh keiner mehr. So lange, bis Schiedsrichter Christian Dingert nach einer sensationellen Parade von Pollersbeck gegen Naldo (90.+3) und insgesamt vier Minuten quälender Nachspielzeit den ersten HSV-Sieg nach 15 sieglosen Partien in Folge mit dem Abpfiff besiegelte.

Ein großartiger Kampfsieg des HSV. Und ohne hier die Euphorie dämmen zu wollen – heute darf gern durchgehend gejubelt werden – aber ab morgen darf es wieder nur noch um das nächste Spiel gehen. Fünf Punkte in fünf Spielen – das Wunder ist noch nicht abgehakt. Im Gegenteil.

 

In diesem Sinne, heute dürfen wir nach 15 sieglosen Spielen gern auch mal etwas übertrieben feiern. Weil es so schön war. Bis morgen. Da geht es weiter.

Scholle

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