Marcus Scholz

4. August 2018

„So ein  Spiel braucht doch kein Mensch, oder?“, wurde ich gerade gefragt. Von einem guten Freund, der selbst begeisterter Fußballer ist und absolut nicht nachvollziehen kann, dass ich mir Greuther Fürth gegen den SV Sandhausen ansehe. Aber ganz ehrlich: Ich gucke das Spiel gern. Noch zumindest. Denn leistungstechnisch ist es nicht mit Erstligafußball zu vergleichen. Aber den haben wir in Hamburg auch nicht mehr. Von daher ist dieser „Neu-Effekt“ für mich noch sehr reizvoll. Denn auch dieses Spiel ist ein Indikator für das, was wir im Laufe dieser Saison zu erwarten haben. Ebenso wie das Spiel gestern, das wehgetan hat. Das aber in seiner Aussagekraft den maximalen Lerneffekt beinhalten könnte - wenn man richtig mit diesem Dämpfer umgeht. Und das Beste gleich vorweg: Im Gegensatz zu vielen HSV-Anhängern muss ich sagen, dass sowohl die Spieler als auch die Verantwortlichen das Debakel deutlich realistischer beurteilen und einordnen.

Und nachdem Trainer Christian Titz gestern schon auf der Pressekonferenz die Gründe für die Niederlage erklärt hatte, machte das heute auch Sportvorstand Ralf Becker: „Wir sind natürlich brutal enttäuscht. Wir haben nicht das abgerufen, was wir können und müssen. Unser Auftrag ist jetzt, am kommenden Sonntag viele Dinge wieder gut zu machen. Daran werden wir arbeiten.“ Klar. Aber was genau muss denn alles besser werden? Und vor allem, wie löst man die Blockaden in den Köpfen einiger Spieler? „Wir haben gestern hier und da den Kopf verloren und zu viele falsche Entscheidungen getroffen“, analysierte Titz heute, „der eine oder andere hat gestern einen Tag gehabt, wo er mit den Eindrücken nicht so zurechtkam, wie er es sollte.“

Einige Spieler, das war gestern auch zu erkennen, waren dem Druck mit zunehmender Spielzeit nicht mehr gewachsen. Khaled Narey vergab beste Chancen, Steinmann ließ sich zu tief in die eigene Hälfte fallen, Vasilije Janjicic tauchte ab und Lewis Holtby wirkte als Vertreter von Mannschaftskapitän Aaron Hunt körperlich platt und fußballerisch nicht in der Lage, das Spiel zu lenken. Ob der verletzte Aaron Hunt das Problem gelöst hätte? Titz ist erstaunlich eindeutig. „Ich habe ja selbst darauf gedrängt, dass Aaron bliebt. Aaron ist ein Spieler, der gerade in so einer Phase wie gestern das Spiel mal beruhigt, der es lenkt. Er macht es nicht nur verbal, sondern auch spielerisch und mit seiner Körpersprache“, so der HSV-Trainer.

Im selben Atemzug kritisierte Titz die vorhandenen Führungskräfte wie Sakai und Holtby: „Klar, Aaron ist für uns ein wichtiger Spieler und gestern haben wir es nicht geschafft, das zu kompensieren.“ Titz weiter: „Wir werden die Woche auch dafür nutzen, um zu sehen, wer aus dem Spiel die richtigen Schlüsse zieht und es besser macht. Wir werden sehen, wer mit dem Druck richtig umzugehen weiß. Wir werden die richtige Griffigkeit und eine andere Grundeinstellung über die gesamten 90 Minuten reinbekommen.“ Wie genau das passiert? „Wir werden Gespräche führen mit den Spielern, haben heute morgen schon mit den Führungsspielern gesprochen, um es in die Mannschaft zu bekommen.“

Zumal Hunt auch für die kommende Woche auszufallen droht. „Er hat vor dem Spiel noch getestet und es ging nicht. Momentan wird er behandelt und kann nicht trainieren. Wenn das übers Wochenende nicht besser wird, werden wir es per MRT untersuchen lassen“, so Titz, der zwar hofft – aber skeptisch ist. „Er wird zu Wochenbeginn sicher noch nicht trainieren können.“

Und okay, Hunt hat fußballerisch eine Qualität und vor allem einen Erfahrungsschatz, auf den nur wenige Zweitligisten zurückgreifen können. Aber davon hat Titz ein paar mehr. „Ich gebe zu, dass ich davon ausgegangen war, dass wir eine andere Stärke auf den Platz bringen. Zumal unsere Gegner in der Vorbereitung uns noch deutlich aggressiver und besser angelaufen haben. Gestern haben wir gesehen, dass in einigen Situationen der Mut fehlte, womit wir den Gegner gestärkt haben. Wir werden die Woche nutzen, um herausfinden, welche Spieler die richtigen sind.“

Und dabei ist es nicht einmal ausgeschlossen, dass die weiterhin zur Abgabe vorgesehenen Albin Ekdal und Filip Kostic in Sandhausen dabei helfen sollen. „Beide werden am Ende dieser Woche schon deutlich weiter sein und könnten dann eine Alternative werden“, so Titz. Auf die Frage, ob er überhaupt noch mit den beiden planen könne, sagt Titz: „Beide haben Verträge und werden von uns wie jeder andere Spieler auch behandelt. Und wir erwarten auch von ihnen, dass sie sich so verhalten. Von daher könnten beide für Sandhausen eine Alternative sein.“

Eine Alternative sucht der HSV weiterhin für die zu schwach besetzte Innenverteidigung. Und das muss er auch, wie das 0:3 verdeutlicht hatte.

Insbesondere David Bates (Titz: „Er hatte gestern nicht seinen glücklichsten Tag“) scheint den Ansprüchen noch nicht genügen zu können.  Auch deshalb wechselte Titz den schottischen Innenverteidiger gestern früh aus. Wobei: Nicht früh genug. Und vor allem nicht so früh, wie gewollt. „Hätten wir früher reagieren können, wären ein paar Dinge nicht passiert Wir wollten deutlich früher wechseln, haben ihn ganz normal angemeldet und konnten mehrfach nicht. Erst nach dem 0:1 ging es dann. Warum das so war, wissen wir nicht“, antwortete Titz auf die Beobachtung meines ehemaligen Abendblatt-Kollegen Henrik Jacobs und betonte zugleich, dass das zwar u gewöhnlich gewesen sei, er es aber nicht als Ursache für die Niederlage verstanden wissen wollte.

Nein, der HSV geht mit dem 0:3 tatsächlich so um, wie man es muss. Mit deutlicher Kritik und ersten Lösungsansätzen. Selbstkritik statt Schönrederei – es ist zumindest der erste Schritt zur Besserung, die es zweifellos am kommenden Sonntag bei Sandhausen auch sportlich auf den Platz zu bringen gilt.

In diesem Sinne, viel Spaß mit den Interviews und Euch allen noch einen schönen Sonnabend!

Scholle

 

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