Marcus Scholz

22. April 2018

Moin, moin, liebe Alle! Weil es gestern an der einen oder anderen Stelle offenbar Irritationen ob meines Berichtes gab noch einmal für alle zum Mitlesen und in aller Deutlichkeit: Mir ist es wirklich völlig scheißegal, wie der HSV seine Punkte holt, um am Ende nicht abzusteigen, so lange er sie denn holt. Also auch mit einer Leistung wie gestern, die zwar nur sehr wenig fußballerische Ansätze hatte – dafür aber drei lebensnotwendige Punkte als Ergebnis. Gegen übrigens ebenso wenig spielende und eher Spiel zerstörende Freiburger. Es war ein Spiel, das von den Emotionen lebte. Leidenschaft, Kampf und Laufbereitschaft schlugen jeden gepflegten Pass. Und so schwach das Spiel auch vom spielerischen Niveau her war – es ging hier komplett und ausschließlich um die drei Punkte. Und die hat der HSV geholt. Daher: Mission erfüllt.

Aaron Hunt, der in meinen Augen unter Titz tatsächlich noch mal sichtbar aufblüht, hat es ganz gut zusammengefasst: „In der ersten Halbzeit hatten wir etwas Glück. Wir haben phasenweise zu nervös agiert. Wir haben in der Halbzeit selbst erkannt, was uns gefehlt hat. Das war der Mut. Wir haben im zweiten Durchgang deshalb eine Schippe draufgelegt, jeder ein paar Prozentpunkte. Es war insgesamt kein gutes Spiel, aber wir haben uns reingehauen. Wir wollten das Spiel in Wolfsburg unbedingt in dieser Konstellation haben. Das ist uns gelungen. Jetzt wollen wir dort gewinnen.“

Das Gesamturteil ist also positiv. Auch meins. Dennoch darf über verschiedene Situationen auch kritisch gesprochen/geschrieben werden. Kyriakos Papadopoulos zum Beispiel war gestern nicht gut. Auch Gideon Jung hatte seine Probleme, während Matti Steinmann Glcük hatte, nicht mit Gelbrot vom Platz zu fliegen. Ein Julian Pollersbeck darf ebenso für seinen schweren Fehlpass getadelt werden wie für seine daraus resultierenden anschließenden Glanzparaden bejubelt werden. Auch ein Lewis Holtby, der in der ersten Halbzeit mehr im Weg stand als am Spiel teilnahm, darf trotz der ersten Hälfte für seinen Willen und sein wichtiges (und sehr schönes) Tor am Ende gefeiert werden. Denn darum geht es in den letzten 270 Minuten nur noch: Ums Überleben. Ausschließlich.

Dass der HSV überhaupt noch die Chance hat, sich in der ersten Liga zu halten grenzt schon an ein Wunder. Aber auch das ist mir – entschuldigt das Vokabular – ehrlich scheißegal. Der HSV muss sich nicht für die Erfolglosigkeit der direkten Konkurrenz entschuldigen. Und wenn der HSV trotz einer Saison ohne sportliches Konzept, ohne Führung auf Vorstandsebene und mit einer unfassbaren Gleichgültigkeit dem Abstieg gegenüber am Ende die Klasse hält – dann hat er ihn sich verdient. Denn an diese grundsätzliche Ungerechtigkeit, die ein Christian Streich gestern seiner Mannschaft gegenüber immer wieder andeutete, glaube ich nicht. Am Ende von 34 Spieltagen hat die Tabelle eine gerechte Aussagekraft. Und so lange der HSV im Falle eines Wunders, das letztlich alles bisher Dagewesene beim HSV tatsächlich noch einmal toppen würde, nicht wieder in Selbstherrlichkeit verfällt und glaubt, sich auf dieses Glück verlassen zu können, wäre sogar Besserung in Sicht. So, wie es die Verantwortlichen aktuell machen.

Denn unter Christian Titz samt dem Ein-Mann-Vorstand zuzüglich neuem Aufsichtsratsboss werden vornehmlich positive Schlagzeilen gemacht. Die Lizenz für beide Ligen zu erhalten ist mehr als zu erwarten war. Dass man dafür einen Kredit bei der umstrittenen Bodenseebank nutzt – fragwürdig. Aber erfolgreich im Ergebnis. Und auch hier gilt: Darum gings zunächst. Parallel hat man bewiesen, dass man auch ohne die Hilfe des Investors Klaus Michael Kühne arbeiten kann. Oder nicht?

Ehrlich gesagt, zweifle ich zumindest daran noch. Denn so lange man weiter an der Kompetenz und der Kompatibilität eines Trainers wie Christian Titz zweifelt und nicht bereit ist, dessen eingeschlagenen Weg über Talente und mannschaftliche Geschlossenheit weiterzugehen, so lange läuft man Gefahr, in alte Raster (teure Spieler, die nicht funktionieren mit Geldern holen, die einem nicht gehören) zurück zu fallen. Dazu würde es auch gehören, wenn man einen namhaften, teuren Trainer einem aufstrebenden vorzieht, der beweist, dass er eine Mannschaft mitziehen kann. Und hierbei zitiere ich gern noch einmal Aaron Hunt, der für mich aktuell eine ganz zentrale Rolle einnimmt: „Wir agieren mit einem anderen Selbstvertrauen, alle glauben an den eingeschlagenen Weg des Trainers.“ Denn dass selbst die Spieler, die aktuell aussortiert sind und waren, an das Modell Titz glauben, das ist wirklich ein seltenes Phänomen...

Aber okay, das klingt alles schon ein bisschen zu sehr so, als würde ich hier etwas glorifizieren, was letztlich der Anspruch an diesen HSV sein muss. Sieben Punkte in sechs Spielen unter Titz – das ist die Quote sicherer Klassenerhalt. Allerdings muss man hier zwingend dazurechnen, dass Titz eine komplett verunsicherte, von Saisonbeginn an vernachlässigt und völlig unzureichend zusammengestellte Mannschaft noch mal wiederbeleben konnte und kann, obwohl über ihm immer noch das Damoklesschwert schwebt, dass ihn killt, sofern er nichts geringeres als das Unmögliche möglich macht und die Klasse hält.

Ein Zustand, mit dem ich übrigens genau so meine Probleme habe wie mit den so oft zitierten Trainerendspielen. Denn eigentlich darf es so etwas in einer entscheidungsstarken Gemeinschaft nicht geben. Hier darf es nur heißen: Geht – oder geht nicht. Die Grauzonen kosten nur unnötig Nerven, Zeit – und vor allem Punkte. Ich habe es früh geschrieben und bin auch heute noch mehr als zu Beginn davon überzeigt, dass Christian Titz für den HSV DIE Chance für einen vollumfänglichen Neuanfang darstellt. Aus den eigenen Reihen kommend ist dieser mit neuen Ideen und einer gehörigen Portion Mut sowie Selbstvertrauen ausgestattet, die die Mannschaft mitreißen.

ABER: Es sind längst nicht mehr nur die Spieler. Denn auch bei den Fans, die jahrelang immer wieder teure und namhafte Hoffnungsträger vorgesetzt bekommen haben und vom Misserfolg dieser satten Fußballer und Trainer immer wieder enttäuscht wurden, sind plötzlich wieder da. UND WIE!!

Weil sie den Aufbruch spüren und ihn unbedingt wollen. Sie wollen gern mit einem „Nobody“ wie Titz und vergleichsweise namenlosen Kickern wie Steinmann, Ito und anderen etwas Großes von Grund auf aufbauen. Sie sind bereit, Niederlagen als Entwicklungslehren hinzunehmen und zusammen mit der Mannschaft natürlich und homogen zu wachsen. Die Fans haben schon lange das, was dem HSV seit Jahren fehlt: Ein erfüllbareres Anspruchsdenken mit der Bereitschaft, für einen wirklichen, gesunden Neuanfang Zugeständnisse zu machen. Das Argument, in Hamburg sei der Anspruch nun mal ein anderer ist schon lange nichts anderes als eine billige Ausrede zu fauler Vorstände, die sich lieber für teure und gepumpte Millionen fertige Spieler holen als endlich mal fleißiger zu sein als andere, etwas länger zu suchen und etwas findiger zu sein. Die Fans sind allemal bereit, mit Spieler durch die Spiele zu gehen, die ihren sportlichen Höhepunkt erst noch vor sich haben.

Haben Sie also den Mut, Herr Hoffmann! Haben Sie den Mut, Herr Wettstein, endlich mal einen ehrlichen, echten Neuanfang auszuloben! Setzen Sie auf erkennbare Qualität mehr als auf tolle, teure Namen. Wobei, angesichts der letzten Wochen halte ich es gar nicht mal mehr für besonders „mutig“ – eher für die einzig logische Folge...

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