Marcus Scholz

5. Juli 2018

Es ist halt einfach etwas ganz Neues. Niemand weiß hier so recht, worauf man sich in der anstehenden Saison einstellen muss. Vor allem weiß man auch noch nicht so recht was in dieser Mannschaft steckt, die in den ersten Testspielen personell etliche Veränderungen aufwies. Und eine weitere soll morgen dazukommen. Denn wenn alles nach Plan läuft, soll noch bis zum Start des Trainingslagers der nächste Neue da sein: Jairo Samperio. Der Außenstürmer soll ablösefrei zum HSV wechseln. „Er ist ein guter und für uns interessanter Spieler“, bestätigte Christian Titz unlängst, wissend, dass er den jungen Spanier weit oben auf seinem Wunschzettel hat.

***ERGÄNZT: Inzwischen hat der HSV offiziell mitgeteilt, dass Jairo Samperio nach Hambrg wechselt. Die Pressemitteilung:

HSV verpflichtet Jairo Samperio

Der 24-jährige spanische Außenbahnspieler unterschreibt bei den Rothosen einen Einjahresvertrag.

Der Hamburger SV hat seinen fünften Neuzugang verpflichtet. Nach bestandener sportärztlicher Untersuchung im UKE unterschrieb Jairo Samperio am Donnerstag (5. Juli) einen Einjahresvertrag. "Jairo passt total in das Anforderungsprofil, was wir suchen. Er ist in der Offensive sehr vielseitig und flexibel einsetzbar. Mit ihm bekommen wir einen gestandenen Spieler, der den deutschen Fußball bereits kennt und der gleichzeitig aber auch noch weiteres Entwicklungspotenzial besitzt", erklärt Sportvorstand Ralf Becker, der sich über die Kaderverstärkung sehr freut. Denn zwischen 2014 und 2017 absolvierte der 1,73 Meter große Offensivmann 72 Bundesliga-Spiele für den 1. FSV Mainz 05, hierbei gelangen ihm elf Tore und 14 Assists. Zuletzt war er in der Primera Division bei UD Las Palmas aktiv, wo sein Vertrag am 30. Juni 2018 auslief, so dass der einstige U21-Nationalspieler Spaniens nun ablösefrei zum HSV wechselt.

Sportchef Ralf Becker und Jairo Samperio bei der Vertragsunterschrift.

Sportchef Ralf Becker und Jairo Samperio bei der Vertragsunterschrift.

Seit seinem 18. Lebensjahr, als Samperio 2011 in der Primera Division debütierte, spielte er in Spanien und Deutschland stets in der 1. Liga und gewann mit dem FC Sevilla 2014 sogar die UEFA Europa League, dennoch entschied er sich nun für den HSV und das Projekt 2. Liga. "Ich bin total überzeugt von dem Weg, den mir die Verantwortlichen des HSV um Christian Titz und Ralf Becker aufgezeigt haben", sagt er, "zudem freue mich auf die Spiele, den Wettbewerb und den Kampf um die Rückkehr in die 1. Bundesliga. Ich möchte hier in Hamburg noch einmal bei null anfangen und auf dem Platz eine entscheidende Rolle spielen." Jairo Samperio wird am Sonntag bereits mit der Mannschaft ins österreichische Trainingslager reisen.

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Wie dieser etwas überraschende Deal letztlich zustandekam, hatte ich bereits geschrieben. Schalkes Absicht, ihn zu verpflichten und an den HSV zu verleihen hielt den HSV nach dessen Abstieg im Geschäft. Und jetzt, wo Schalke komplett abgesprungen ist, konnten sich der HSV, der den Kontakt ständig aufrechterhielt, und der Spieler auf einen zweitliga-angepassten Vertrag einigen. Im oberen Segment zweifelsfrei, weshalb dieser Deal aufwändig geprüft wurde.

Für den ehemaligen Mainzer gibt es sehr viele gute Argumente. Ich erinnere mich an ihn zwar nur noch sehr bedingt und weiß, dass er in Mainz stark begann. In den ersten beiden von insgesamt dreieinhalb Serien für den FSV erzielte er neun Treffer selbst und bereitete 13 weitere vor. Nachdem er 2016/2017 (auch verletzungsbedingt) nur noch die Hälfte aller Spiele eingesetzt wurde, sollt/wollte er wechseln. Allerdings zerschlug sich dieser Transfer (nach Hannover). Erzählt wird, dass es auch an den Forderungen Jairos lag, der zu hoch gepokert haben soll. Ergebnis war auf jeden Fall, dass Jairo als abwanderungswilliger Spieler in Mainz in die zweite Reihe geschoben wurde und im darauffolgenden Winter nach Spanien zu UD Las Palmas wechselte, mit denen er abstieg.

Jetzt also HSV! Christoph Moritz begrüßt diesen Wechsel sehr Der HSV-Mittelfeldspieler kennt Jairo bestens, da er zwischen 2014 und 2016 zusammen mit dem Spanier für die Mainzer auflief. Und Moritz schwärmt von Jairo, wie Ihr sehen und hören könnt:

Dass der HSV noch Veränderungen im Kader haben wird, ist nicht erst seit Jairo klar. Auch Albin Ekdal, Bobby Wood und Kyriakos Papadopoulos wollen weg. Und sollen weg. Alle drei könnten dem HSV noch eine gute Ablösesumme einbringen. Ebenso wie Filip Kostic, dessen Verbleib beim HSV nahezu ausgeschlossen ist, für den aber noch kein Angebot vorliegt.

Personell ist der HSV also noch lange nicht durch. Und das ist auch ganz gut so. Denn die ersten Testspiele haben gezeigt, dass es nur mit Nachwuchskräften sehr schwer würde. Und das sage ich, obgleich mich die bisherigen Auftritte noch nicht nervös machen, was wiederum vor allem daran liegt, wie die Mannschaft und der Trainer samt seiner Assistenten mit den Spielen umgehen. Denn schöngeredet wird hier nichts. Und gerade das war in den letzten Jahren anders.

Insbesondere letzte Serie, wo der HSV am 19. Juli beim 3:5 gegen Holstein Kiel eine alarmierende Leistung zeigte. Damals fragte ich zuerst einige Spieler und dann auch den Trainer, ob man sich Sorgen mache. Und anstatt wie gestern nach dem 10:0 gegen Dassendorf ehrlich die zwingend zu verbessernde Defensive anzusprechen, kamen damals schon Plattitüden seitens der Verantwortlichen. Obgleich die HSV-Abwehr damals (Diekmeier, Mavraj, Papadopoulos, Sakai) über eine Menge Erfahrung verfügte und schon ein halbes Jahr zusammengespielt hatte.

Deshalb fragte ich Gisdol im Anschluss an das Spiel und erlebte das erste Mal, wie dieser richtig sauer wurde. Das allein war nicht schlimm. Passiert immer wieder mal. Aber die Antwort, die kam, die beunruhigte mich fast noch mehr als die vorangegangene Leistung. Denn Gisdol nahm seine Jungs in Schutz, sprach von harten Einheiten in den Tagen davor sowie den noch sehr frühen Zeitpunkt der Vorbereitung. Er raunzte mich an und fragte, ob meine Frage ernst gemeint war. Und das war sie. Daher antwortete Gisdol auch. Ausweichend und wenig kritisch.

Ganz im Gegensatz zu gestern. Da sprach trotz des deutlichen 10:0 niemand von einer ordentlichen Leistung. Nicht einmal das Ergebnis wurde gelobt. Stattdessen kritisierte Trainer Christian Titz die vielen Fehlpässe und die fehlende taktische Ordnung auf dem Platz. Ebenso wie Christoph Moritz, der alles andere als zufrieden äußerte:

Es ist beim HSV einfach vieles anders. Nicht nur die Liga. Auch die eigene Wahrnehmung scheint deutlich selbstkritischer zu sein. Unter Titz, der selbiges vorlebt, übernehmen neue Spieler Verantwortung. Moritz zum Beispiel, aber eben auch eh schon selbstkritische Jungs wie Gideon Jung und Lewis Holtby, die plötzlich nach den vielen (auch noch bevorstehenden) Abgängen zu den erfahreneren Spielern aufsteigen. Es bildet sich eine ganz neue, hoffentlich am Ende natürliche Hierarchie in der Mannschaft. Und sollte das so kommen, ist das sehr viel Wert.

In der Mannschaft stehen viele gute Mannschaftsspieler, die allesamt glaubhaft klarmachen, dass sie die Aufgaben Zweite Liga sehr ernst nehmen und angerichteten Schaden wieder gutmachen wollen. Douglas Santos, David Bates, Rick van Drongelen, Gideon Jung, Lewis Holtby, Christoph Moritz - um nur einige Stammspieler zu nennen - wollen vorangehen. Das merkt man auch auf dem Platz. Und sie betonen, dass noch vieles deutlich besser werden muss. Sie beschönigen einfach nichts mehr, sie zeigen Demut vor der Aufgabe die vor ihnen liegt. Während letzte Saison viele Spieler Pausen nur allzu dankend annahmen (Stichwort: „Belastungssteuerung“), pochen diesmal die Jungs darauf, dabei sein zu dürfen. Auch dann, wenn es gegen vermeintlich kleine Gegner wie Dassendorf geht, wo Fiete Arp seinen freien Tag nach der Abiverleihung ablehnte und so lange auf Titz einredete, bis dieser ihn doch mitnahm und auch spielen ließ.

Mit Arp auf dem Platz war Pierre Michel Lasogga, der sehr durchschnittlich spielte, obgleich er zweimal traf. Und während Lasogga früher bei derartigen Spielen oft desinteressiert wirkte, teilweise sogar arrogant und stets einer der ersten war, die nach dem Spiel im Bus verschwunden waren, schrieb er gestern fleißig Autogramme. Bis auch der letzte Wunsch erfüllt schien. Und selbst eine Stunde nach Schlusspfiff, als alle Spieler bereits im Bus waren und die vor dem Bus wartenden Fans Lasogga-Sprechhöre anstimmten, kam er noch mal raus und schrieb Autogramme und machte geduldig Selfies.

Was ich damit sagen will: Die Mannschaft weiß, dass sie nicht der Nabel der Welt ist. Sie besteht aus einigen erfahrenen und sehr vielen jungen, hungrigen Spielern, die noch viele Fehler machen – und das auch erkennen bzw. vom Trainer deutlich gemacht bekommen. Allein das ist schon anders als in den Vorjahren, die geprägt waren von enttäuschenden großen Namen und Selbstüberschätzung der Spieler. Dass das noch lange kein Indiz dafür ist, dass man ganz oben in der Tabelle mitmischt – logisch. Das bedarf noch einer gehörigen Steigerung. Denn dafür reichen keine kurzfristigen Erfolge, auch keine positiven Entwicklungen einzelner sondern nur eine konstant gute Entwicklung der gesamten Mannschaft als solche und die richtige Einstellung auf dem Platz.

Dass er die Mannschaft entwickeln kann, das hat Titz mit der Mannschaft in den letzten Spielen der ersten Liga gezeigt – und inzwischen scheint sich auch letzteres in dieser Mannschaft zu etablieren. „Auch deshalb werden wir nichts machen, nur um etwas zu machen“, hatte Becker angekündigt, und dabei betont, dass man sehr viel Wert auf Homogenität und Charakter legen werde bei der Wahl seiner neuen Spieler. Passend dazu ist Moritz’ Urteil über Jairo. Der Spanier sei einer, der sich schnell einfügen könne und dessen Ehrgeiz seine Teamkollegen antreiben würde. Klingt zumindest erst einmal gut.

Ein schwieriger Fall war in den letzten Jahren immer wieder auch Youngster Aaron Opoku. Der spielt seit 2011 beim HSV, durchlief seither sämtliche Jugendmannschaften des Clubs und gehörte in der abgelaufenen Saison der U19-Bundesligamannschaft an. Der 19-Jährige zählt seit jeher als eines der größten Offensivtalente. Schnell, dribbelstark und torgefährlich – aber eben auch extrem eigensinnig und teilweise auch beratungsresistent. In den letzten Wochen hatte sich Titz den jungen Außenstürmer immer wieder persönlich vorgenommen und ihm auf dem Trainingsplatz nicht selten sehr deutlich gemacht, was er falsch macht. Ergebnis: Opoku wird von Woche zu Woche besser. Und ohne ihm jetzt gleich den Status  „Hoffnungsträger“ wie ein Gewicht ans Bein zu heften, wage ich zu behaupten, dass Opoku eine der positiven Überraschungen werden kann. Ralf Becker sieht es ähnlich: „Aaron ist ein Spieler mit hohen individuellen Qualitäten, der sich schnell an das hohe Niveau anpassen wird.“ Hoffentlich...

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 Uhr am Volksparkstadion trainiert. Bis dahin!

Scholle

P.S.: Ich lese gerade, dass Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff das erste Mal öffentlich von Mesut Özil abrückt und dessen Nominierung in Frage stellt. Jetzt, wo man sich selbst zuspricht, noch genügend Feuer zu haben, um nicht zurückzutreten tritt Bierhoff nach und sucht in Özil öffentlich einen der Schuldigen. Schäbig! Wobei: Wenn Bierhoff diese Personalie konsequent zuendedenkt, müsste auch er bzw. müsste er zusammen mit Bundestrainer Löw einen Rücktritt erwägen, wie es nach derart dramatischen Fehlentscheidungen meistens der Fall ist. Denn eines ist klar: Gerade das Thema Erdogan/Özil/Gündogan ist im Vorfeld der WM mehr als genug diskutiert worden. Allemal genug, um ein abschließende Beurteilung der Situation zu fällen. Sich aber erst auch noch dafür feiern zu lassen, dass man auch dem Druck einiger Rechtsgesinnter, die den Ausschluss Özils und Gündogans gefordert hatten, nicht stattgibt und  jetzt umzufallen – das ist echt peinlich. Aber okay: Nur meine Meinung.
 

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