Marcus Scholz

8. Januar 2018

So oft er diese Frage auch schon von den verschiedensten Seiten gehört haben wird, Douglas Santos bleibt gelassen. Er lächelt, nickt und antwortet in der ihm typischen, höflichen und wie immer von einem breiten, freundlichen Lächeln begleiteten Art: „Walace hat seine Entscheidung getroffen. Er hat sich entschieden, seine Sache so durchzuziehen, also hat er sie auch durchgezogen. Aber ich kann nicht für ihn antworten.“ Was soll er auch sagen über seinen Landsmann und Zimmerkameraden in Jerez, ohne diesem zu nahe zu treten? Deshalb ist Santos bemüht, sich weitgehend aus der Bewertung von Walace herauszuhalten.

Dennoch will Santos natürlich nicht alle Brasilianer in einen Topf geschmissen sehen. So oft auch Südamerikaner schon mit eigenmächtig verlängerten Urlauben und den Versuchen, ihre Wechsel zu erzwingen, aufgefallen sein mögen, er ist nicht so. „Dougi ist in vielen Dingen viel Deutscher als andere“, hatte Dietmar Beiersdorfer über den Olympiasieger gesagt und damit dessen Liebe zum Detail gemeint. Santos ist ein ordnungsliebender Mensch, der sich an Spielregeln hält. „Auch in Brasilien ist so ein Verhalten nicht normal“, sagt Santos. Wie er es handhaben würde? „Jeder hat seinen eigenen Kopf. Ich bin ein wenig zurückhaltender als er. Aber so eine Sache wie Walace würde ich wohl nicht machen“, sagt der Linksverteidiger, um dann doch noch etwas deutlicher zu werden: „Nein, ich würde das nicht machen. Aber Walace wird seine Gründe gehabt haben, er hat das schon durchdacht.“

Dabei hatte Santos im Sommer sogar eine recht ähnliche Situation. Unter Trainer Markus Gisdol kam er nie konstant zum Zug, schaffte nicht den Sprung zum Stammspieler. Zudem hatte ihm der Verein signalisiert, bei einem Interesse seitens eines anderen Klubs gesprächsbereit zu sein. Am Ende ging es ein paarmal hin und her, bis der Verein einen Wechsel in die Niederlande, den Santos wollte, ablehnte. „Ich war im Sommer auch wütend“, so Santos, um zu erklären: „Aber nicht auf den Club, ich war sauer auf mich selbst. Ich wusste, dass ich besser spielen kann. Das muss ich dann aber auch dem Trainer beweisen. Natürlich ist jeder ein bisschen traurig und wütend, wenn man nicht spielt. Aber dann muss man eben im Training zeigen, dass man unbedingt spielen will.“

Und das macht Santos tatsächlich. Schon seit Monaten gibt er Vollgas. Im Training ist er auffällig engagiert, und vor allem: Mutiger. Zu Beginn seiner Zeit in Hamburg war der offensiv veranlagte Außenverteidiger immer wieder darauf bedacht, vorrangig Wert auf die Defensive in der Viererkette zu legen und dabei vergessen, dass er auch nach vorn arbeiten kann. Mit der Einführung der Dreierkette hat er nun ganz neue Möglichkeiten, die er offensichtlich genießt. Zumal er für die Selecao nur dann eine Alternative sein kann, wenn er eben beides beherrscht.

Offiziell sagt er natürlich „ich spiele da, wo mich der Trainer hinstellt. Ich will der Mannschaft helfen“, allerdings hat er den Traum von der WM im Sommer mit Brasilien noch nicht aufgegeben. „Ich habe noch immer Hoffnung auf die WM. Ich arbeite in erster Linie für den HSV aber in zweiter Linie für meine persönlichen Ziele. Jeder Brasilianer möchte gerne für die Selecao spielen, ich auch. Aber noch hat es kein Gespräch mit dem Nationaltrainer gegeben. Und ehrlicherweise muss man sagen, dass die Nationalmannschaft mit Marcelo und Felipe Luiz auch ziemlich stark besetzt ist auf der linken Abwehrseite.“ Ob er offensiv seine Qualitäten mehr zeigen müsse, um in der Nationalelf überhaupt erst eine Chance zu haben? Santos lächelt, überlegt kurz, und nickt. „Si.“​

Das Gespräch mit Santos macht richtig Spaß, kann ich sagen. Endlich mal einer, der rundum positiv ist, auch in seiner eigenen Entwicklung. „Ich bin sehr glücklich. Und ich danke Gott dafür. Ich fühle mich in Deutschland sehr heimisch. Am Anfang war das noch anders. Aber mittlerweile bin ich in manchen Dingen deutscher als die Deutschen“, sagt Santos und bestätigt, was ich eingangs über ihn schrieb: „Ich bin extrem pünktlich. Und wenn ich sage, dass ich etwas mache, dann mache ich es auch.“ Stimmt. Und was wird er in der Rückrunde machen? Santos: „Ich habe in Deutschland gelernt, dass man für das, was man will, kämpfen muss.“ Und das soll der Klassenerhalt werden. Wenn es geht, gern schon frühzeitig. Vielleicht ja sogar mit Walace.

Fünf Tage und vier Nächte ist Santos in Jerez mit Walace auf engem Raum. Ob er schon mit seinem Zimmernachbarn über die Geschehnisse gesprochen hat? „Nein, wir haben nicht darüber gesprochen. „Jeder hat seinen eigenen Kopf – und jeder macht, was er will. Ich lasse ihn in Ruhe. Ich bin nicht in der Situation, dass ich ihm tolle Ratschläge geben kann. Er bekommt schon genügend Ratschläge, die er nicht braucht. Er muss sich jetzt selbst gut überlegen, was das Beste in dieser Situation für ihn ist.“

Und das sucht Walace aktuell auf dem Platz. Im Training ist er unauffällig bis gut dabei. Gegen Freiburg durfte er noch nicht wieder in den Kader, trainierte stattdessen seinem Trainingsrückstand hinterher. Aber er lacht wieder mit seinen Mannschaftskameraden. Ob er sich schon entschuldigt hat? Santos macht eine Geste, als sei das weder erwünscht noch von ihm und seinen Kollegen erwünscht: „Er hat sich beim Team noch nicht entschuldigt.“ Wichtiger sei jetzt, wie sich Walace sportlich präsentiert und ob er überhaupt noch bereit ist, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen – so doof das klingt bei jemandem, der noch einen Vertrag bis 2021 hat. „Er trainiert ganz normal mit. Das sieht sehr ordentlich aus“, freut sich Todt – hoffentlich nicht zu früh.

Abwarten. Mal wieder muss man sagen, denn das gilt für so viele Dinge rund um diesen HSV, der weiterhin ein wenig ohnmächtig den eigenen Wünschen hinterherläuft. Gestern im Doppelpass sprach Thomas Strunz davon, dass es zu einer Zerreißprobe zwischen dem HSV und Klaus Michael Kühne kommen könne. Und das ist leider alles andere als abwegig. Denn bei Gisdol ist der Wunsch nach neuen Spielern weiterhin gegeben, die der HSV aber ohne fremde Hilfe nicht finanzieren könnte. Aber okay, wenn wir schon dabei sind, können wir auch hier noch die paar Tage abwarten, bis wir es genau wissen.

Apropos abwarten, das gilt auch für das Trainingslagerfazit. Denn das werde ich Euch nachreichen, sobald wir mit dem Trainer die Abschlussrunde hatten. Da diese aber unmittelbar vor unserem Abflug stattfindet, werde ich sie Euch hier nicht mehr vorher reinstellen können – aber nachreichen. Bis fdahon wollte ich Euch aber ob der zwangsläufig heute ausfallenden Presseschau nicht ganz ohne Lektüre hinterlassen. Daher dieser Frühstücksblog...

So, und jetzt muss ich los zum Flughafen! Bis später!

 

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