Marcus Scholz

4. Juli 2019

Ich hatte hier schon am letzten Spieltag meine Meinung geschrieben: Die Pfiffe gegen Gotoku Sakai waren daneben. Total. Und dazu stehe ich auch heute. Genauso wie zu der Meinung, dass der Japaner zuvor zu lange den Vorzug vor anderen Spielern erhalten hatte, obgleich er das in den Spielen über einen sehr langen Zeitraum sportlich nicht zu rechtfertigen wusste. Sportlich hat Sakai in den letzten Jahren viele - wahrscheinlich sogar zu viele -  Argumente geliefert, weshalb man nicht an ihm festhalten sollte. Aber: Menschlich und vor allem in Sachen Einstellung und Loyalität indes hat er nie auch nur den Ansatz geliefert, ihn zu kritisieren. Und da wir hier letztlich noch über Profifußball sprechen, wäre die logische Konsequenz, Sakai mit einem großen Blumenstrauß herzlichst zu verabschieden. Es sei denn: Er bleibt.

Und genau DAS ist aktuell der Stand. Dass sein Verbleib nicht in Stein gemeißelt ist und er bei einem passenden Angebot gehen dürfte, klar! ABER: Noch ist Sakai eben ein HSV-Spieler, dem man mit dem Respekt begegnen sollte, den jeder Spieler, vor allem aber jeder Mensch, verdient hat. Leider wissen das nicht alle. Und gerade bei Personen des öffentlichen Lebens ist es via Internet nicht auszuschließen, dass sie beleidigt werden. Damit müssen sie umzugehen lernen. „Dass der Sakai da immer noch rumläuft, ist unterste Schublade. Dass ihn keiner will, ist mir bewusst, aber Vertrag auflösen für 500.000 Euro und gut ist. Seine Fehler kosten mehr als eine halbe Mio.“ ist so eine Äußerung, die respektlos ist. Verfasst von einem selbst ernannten HSV-Fan. Und es gab noch mehr derartige Posts. Noch mehr Beispiel zu benennen bedarf es aber eigentlich gar nicht. Zumal, wenn man sich an den letzten Spieltag und das Pfeifkonzert gegen Sakai erinnert, das mir damals im Stadion schon schwer im Magen lag. Denn ich wusste und weiß, wie loyal Sakai gegenüber dem HSV und seinen Fans ist. Er hatte und wird immer alles geben, was er geben kann. Zudem weiß ich, dass Sakai sportlich die Fähigkeiten besitzt, dem HSV als Rechtsverteidiger zu helfen. Aktuell zeigt er das im Training übrigens auch immer wieder…

Sakai hat sportlich oft enttäuscht - menschlich überragt er

Aber er hat es nicht. Sportlich enttäuschte er - und musste sich harte Kritik gefallen lassen. Zu harte, wie das o.g. Zitat zeigt. Auch deswegen hat sich jetzt auch der HSV eingeschaltet. „Wir müssen uns an dieser Stelle auch noch einmal einschalten. Gotoku Sakai ist ein Profi unseres HSV. Er hat immer alles für den Verein und die Raute gegeben. Seine Einstellung und seine Loyalität sind beispielhaft für jeden Fußballer. Wir möchten daher darum bitten und erwarten es auch, dass ihr ihm den gleichen Support entgegenbringt wie jedem anderen HSVer.“

Und dass der HSV darauf reagierte, finde ich lobenswert. Denn bislang hat man seine Spieler fast immer allein gelassen in solchen Situationen. Dass in diesem Fall ein Spieler (Julian Pollersbeck) ebenfalls Sakai öffentlich unterstützt - top. Denn DAS ist tatsächlich eine Veränderung, wie sie der HSV braucht. Und damit meine ich nicht allein die Wahrnehmung von außen, die sich dadurch sicher verbessert. Vielmehr muss dieser Zusammenhalt tatsächlich gelebt werden. Er sollte völlig normal sein. Oder hier auf den HSV bezogen: werden.

Der Umbruch wurde oft gefordert - jetzt wird er angegangen

Der HSV braucht einen Umbruch - auf allen Ebenen. Und das sagen alle, das wissen auch alle. Deshalb propagieren das in Hamburg auch seit vielen Jahren vor allem diejenigen, die beim HSV in irgendein Amt gewählt oder gehoben werden wollen. Das immer wiederkehrende Problem hierbei: Mit Erreichen der Inthronisierung ist das Vorhaben bei den HSV-Verantwortlichen auch wieder vergessen. Es wurde zuletzt immer wieder ebenso schnell abgehakt wie vorher lautstark gefordert. Aber wenn man sich die bisherige Arbeit von Jonas Boldt (zuzüglich der Vorarbeit von Ralf Becker) ansieht, dann wird deutlich: Der Versuch des großen Umbruchs ist da. Es gibt mehr Veränderungen, denn je. Und dafür wird zunächst einmal das Personal ausgetauscht.

 

Neun Spieler wurden bis heute verpflichtet, weitere sollen folgen. Dazu wurden und sollen weiterhin Spieler abgegeben und verkauft werden, die in den letzten Jahren den HSV in eine Negativspirale spielten. Rund 12 Millionen Euro hatte man bis zuletzt eingenommen - Santos noch nicht mit einberechnet. Etwas mehr als neun Millionen Euro haben Becker, Boldt, Mutzel und Co. bislang ausgegeben. Gegangen sind Kostic (war ob einer Klausel nicht zu halten), der zuletzt enttäuschend Fiete Arp (den ich gern weiter beim HSV gesehen hätte) und Patric Pfeiffer, der beim HSV bislang keine Rolle spielen konnte. Gekommen sind bislang Spieler, die zweifelsfrei über das Potenzial verfügen, beim HSV einen weiteren Qualitätssprung zu machen und die dem HSV helfen können. Also: Ein Transferplus von drei Millionen Euro (zzgl. der Santos-Millionen, sobald der vereinbarte Transfer auch schriftlich fixiert ist) und ein breitflächiger Austausch.

Der Fall Sakai kann als Beispiel fürs Leitbild Gold wert sein

Ich werde an dieser Stelle dennoch nicht den Fehler machen und eine klare Bewertung abgeben. Das wäre zu früh und definitiv nicht seriös. Bislang kann man das nur unter dem Vorbehalt der sportlichen Prüfung machen. Und so sehr es auch eine Phrase ist, so eindeutig stimmt es: Am Ende zählt das, was auf dem Platz passiert. Oder? Ich sage: Nein. Nicht nur. Das war noch nie so. Gut zu sehen an der Personalie Sakai.

Diese allein kann als gutes Beispiel dienen, wie der HSV in Zukunft zu seinen Spielern steht. Es würde von oben eine Einheitlichkeit vorgelebt, die sich über die Flure der Geschäftsstelle bis in die Kabinen der Nachwuchsmannschaften, aber vor allem auch in die Kabine der Profis transportieren ließe. Allein dieser eine Umgang wäre konsequent durchgezogen tausendmal mehr wert und hätte tausendmal mehr Effekt als 100 Leitbilder, die über Jahre und für Hunderttausende Euro von Profis erstellt werden. Wenn es am Ende tatsächlich den Schulterschluss zwischen HSV/Sakai und den Fans geben und der Japaner das Ganze noch mit Leistung belohnen sollte - es wäre ein sensationelles HappyEnd. Und sportlich, da wiederhole ich mich in meiner Einschätzung, ist das drin.

Mehr machen - weniger reden

Aber auch hier gilt wie immer: Mehr machen - nicht nur erzählen. Das sollte das neue Motto sein. Welche Rolle dabei der neue Trainer spielt? Eine tragende. Und was mich bei ihm optimistisch stimmt: Hecking war es, der bei seinem Amtsantritt genau diese Forderung so formuliert hatte. Erst müsse man machen, dann könne man reden. Mehr gibt es nicht zu sagen. Wobei, doch: Hier zumindest. Denn heute hat sich HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes vorgestellt.

Ein Keeper, der beim HSV Julian Pollersbeck als Nummer eins ablösen soll. „Ein Willenstyp“, hatte Carsten Wehlmann gelobt. Der Ex-HSV-Keeper ist noch immer Sportchef von Darmstadt 98, woher Heuer Fernandes zum HSV kam. Heuer Fernandes würde alles mitbringen, um ein richtig guter Torhüter zu sein, so Wehlmann, der seinem ehemaligen Torhüter gar die Erste Liga zutraut. Aktuell leidet der Neuzugang noch unter muskulären Problemen und pausierte zuletzt. Dennoch soll er mit ins Trainingslager reisen und dort wieder angreifen. Und er stellte sich heute unseren Fragen. Aber seht und hört selbst:

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich mit dem MorningCall um 7.30 Uhr ebenso wieder bei Euch wie am Abend mit dem Tagesblog. Bis dahin!

Scholle

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