Guido Müller

16. Oktober 2020

Rom. Die Ewige Stadt. Wird sie wieder zum Schicksal für den HSV? Die Alteingesessenen unter Euch werden wissen, worauf ich anspiele: im Sommer 1991, nach nur einer Saison in der Hansestadt, wechselte Thomas Doll zum damals aufstrebenden Serie A - Klub Lazio Rom. Italiens Liga war zu diesem Zeitpunkt das Nonplusultra in der Welt. Die Laziali zahlten satte 15 Millionen DM für den flinken Angreifer, der die Herzen der Hamburger im Sturm erobert hatte. Die Finanzen des damals schon am Rande des Ruins wandelnden Traditionsklubs waren somit zwar auf einen Schlag saniert - doch die sportliche Zukunft der Mannschaft war im selben Moment erheblich in Frage gestellt. 

HSV-Präsident Jürgen Hunke fasste die Situation damals mit dem blumigen Satz “In Hamburg regnet es Tränen, in Rom scheint die Sonne!” zusammen.

Als Dolls “Nachfolger” wurde der biedere Jürgen Hartmann präsentiert. 1,5 Millionen flossen an den VfB. Mehr Geld war nicht in den Kassen, denn der Geldregen aus Rom ging fast ausschließlich fürs Löcherstopfen drauf. 

Entsprechend pessimistisch äußerte sich der damalige Trainer Gerd-Volker Schock: “Wir müssen unsere sportlichen Ziele runterschrauben.” Was dann auch geschah. Statt wie im Vorjahr lange um den Titel mitzuspielen, krebsten die Rothosen bis in den Mai 1992 durch die Niederungen der Tabelle - und waren erst nach dem 1:0-Sieg gegen Hansa Rostock (Tor: Emerson) gerettet. 

Jetzt also wieder Rom. Diesmal die AS statt der Himmelblauen. Die steht oder stand in - nicht dementierten - Verhandlungen mit Sportvorstand Jonas Boldt. Wenn da mal nicht Tante Käthe (von 1987 bis 1992 als Spieler der Giallorossi unterwegs, zwölf Jahre später für 25 (!) Tage als Trainer) ihre Finger im Spiel hat. Doch unabhängig davon, sollte jetzt keine Panik ausbrechen. 

Dass ein Angestellter eines Klubs, zumal sein Vertrag im Sommer endet, sich auch mit anderen Vereinen austauscht, ist per se nichts ehrenrühriges. Und so wenig man es einem “normalen” Arbeitnehmer verübeln kann, in ähnlicher Konstellation seine Verhandlungsposition gegenüber seinem aktuellen Arbeitgeber zu stärken, so wenig kann man Boldt vorwerfen, sich mal anzuhören, was das US-amerikanische Milliardärs-Duo Dan Friedkin und sein Sohn so anzubieten hat. Und Boldt is ja auch nicht der einzige Kandidat auf den Posten des Sportdirektors bei den Römern. 

Ich habe in meinem vorherigen Beitrag meine Meinung zu dieser Personalie kundgetan. Und noch habe ich auch die Hoffnung nicht verloren, dass sich der 38-jährige Nürnberger am Ende doch für das (sicherlich weniger lukrative, aber doch auch ungemein spannende) Projekt im Volkspark entscheidet. Aber auch Boldt hat eine Familie, eine Frau, die sicherlich auch ein Wörtchen mitsprechen will, wenn es darum geht, den Lebensmittelpunkt für die nächsten, sagen wir mal, zwei bis drei Jahre zu bestimmen. Prognosen erübrigen sich somit an dieser Stelle, ob fehlender Detailkenntnisse aus dem Hause Boldt. 

Dass der HSV gerne mit dem Manager verlängern würde, steht wohl außer Frage. Doch genauso unzweifelhaft ist es natürlich, dass der Klub finanziell nicht wird mithalten können, wenn die Friedkins mit ihren finanziellen Muskeln spielen. Eines dürfte ziemlich sicher sein: in spätestens zwei Wochen wird, so oder so, wohl eine Entscheidung fallen. 

Hein erstmals im Profi-Kader

Dagegen könnte es bereits morgen zu einem neuen Profi-Debüt beim HSV kommen. Und damit sind wir in der rein sportlichen Gegenwart angekommen. Die stellt sich für Daniel Thioune schwierig genug dar. Ohne Stephan Ambrosius, ohne Tim Leibold und aller Voraussicht nach ohne Josha Vagnoman (Thioune: “Ich habe kein so gutes Gefühl dabei. Es ist nicht zu erwarten, dass er noch diese Woche einsteigen wird. Und wenn, dann zum Ende hin und dann sind es nur noch 48 oder 24 Stunden. Es könnte sehr, sehr knapp werden.”) wird der HSV bei der SpVgg Greuther Fürth antreten müssen. Doch jemand, der in Lösungen denkt, statt in Problemen, sollte auch darauf eine Antwort haben. Und anscheinend hat sie Thioune in der Personalie Bryan Hein gefunden. Zumindest berief er den 19-jährigen Deutsch-Nigerianer in den Kader. Weil er “sich angeboten” habe im Training. Das alleine ist schon mal positiv zu bewerten. Die über Jahre quasi nicht vorhandene Durchlässigkeit zwischen Unterbau und Profi-Mannschaft - sie ist, auch der finanziellen Not geschuldet, ein neues und willkommenes Merkmal des Klubs in den vergangenen zwei, drei Jahren. Namen wie Arp, Vagnoman, Ambrosius, David, Opoku oder jetzt Hein stehen dafür. Aus der Not eine Tugend machen, nennt man das dann wohl. 

Ob es für Hein, der in der bisherigen Regionalliga-Saison auf sieben Einsätze (von acht), allesamt über neunzig Minuten, gekommen ist und dabei immerhin zwei Tore vorbereitet hat, tatsächlich für die ersten Profi-Minuten reicht, hängt nun von Thioune ab. Alternativ könnte er den flexibelsten unserer Verteidiger, Neuzugang Moritz Heyer, auf die linke Seite schieben. Ist zwar schon ein wenig her, dass der gute Moritz auf dieser Position gespielt hat - nämlich vor drei Jahren, noch zu Drittliga-Zeiten bei den Sportfreunden aus Lotte -, aber wie heißt es so schon: ein guter Fußballer kann auf allen Positionen spielen. Und Heyer ist für mich ein guter. 

Drei Spiele in acht Tagen

Freuen tu' ich mich ebenfalls sehr über die “Rückkehr” von Manuel Wintzheimer. Wobei: er war ja gar nicht richtig weg, sondern “nur” in präventiver Corona-Isolation. Die hat er nun  hinter sich und ist für seinen Coach wieder verfügbar. Bin gespannt, ob Wintzi an seine bisherigen guten Leistungen gegen Düsseldorf und Paderborn anknüpfen kann. Und ob die gesamte Mannschaft, jetzt zum ersten Mal personell etwas ausgedünnt, an ihre Liga-Leistungen anknüpfen kann. Es stehen ab morgen drei Spiele in acht Tagen auf dem Zettel. Nach dem Auswärtsspiel in Fürth (Sa, 13.00 Uhr) wartet am 21. Oktober das Nachholspiel gegen Aue (18.30 Uhr), und drei Tage darauf, am 24. Oktober (13.00 Uhr) gastieren Felix Magath und seine Würzburger Kickers im Volkspark. Und bevor ich ich jetzt von irgendwelchen Punkteausbeuten zu träumen anfange, halte ich es mit dem stets bewährten Spruch: von Spiel zu Spiel zu denken. Alles andere kommt dann sowieso von allein. 

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen schon mal ein erholsames (und erfolgreiches) Wochenende. Bleibt negativ!

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