Marcus Scholz

13. August 2020

Der Name Joel Pohjanpalo hat bei den HSV-Anhängern noch immer einen guten Klang. Heute wurden wir sogar ganz offiziell angeschrieben und gebeten, eine Petition zu starten, damit der Finne zurück zum HSV kommt. Hintergrund: Der 25 Jahre alte Finne vom Bundesligisten Bayer Leverkusen, der in der Rückrunde ausgeliehen war und in 14 Spielen neun Treffer erzielte, soll wieder auf dem Markt sein. Das berichtet der „Kicker“. Demnach habe Bayer Leverkusen ihn nicht im Sturm eingeplant. Ob Pohjanpalo erneut verliehen oder diesmal verkauft werden soll, ist unklar. Der Vertrag des Finnen in Leverkusen läuft noch bis Sommer 2022 und sein Marktwert beträgt zwei Millionen Euro. Noch.

Denn der Wert wird nach dieser Meldung schnell sinken. Das kennt man beim HSV, wo in den letzten Jahren immer wieder Spieler mit Abfindungen weggeschickt anstatt verkauft wurden, nur zu gut. Aktuell sitzt man noch auf Bobby Wood, den man seit Jahren nicht loswird. Klingt unmenschlich – aber genau so ist es. Zumal Wood seit langem weiß, wie seine sportlichen Chancen sind und wegen seines gut dotierten Vertrages trotzdem bleibt. Von daher ist Mitgefühl hier sicher nicht nötig. Ein Problem aber wird es, wenn man sich seine werte immer wieder selbst zerstört.  So, wie man es aktuell wieder mit Lukas Hinterseer macht. Denn den Stürmer, der in der angelaufenen Saison neun Treffer erzielte, hat der HSV wissentlich ins Schaufenster gestellt.

HSV stärkt Hinterseer - zu spät?

Als von außen keine Angebote kamen, Hinterseer sich zudem auf seinen Verbleib festlegte und der HSV in Sachen neue Stürmer weiter warten musste,  reagierte Sportdirektor Michael Mutzel. „Ich will dazu noch mal sagen, dass mir da Lukas in der letzten Zeit auch zu schlecht gemacht wurde. Ich habe noch mal geguckt, er hat in den letzten drei Saisons in 90 Spielen 55 Torbeteiligungen. Jetzt nach dem ersten Test zu sagen, wir sind da zu schlecht aufgestellt, halte ich für nicht richtig. Wir sind froh, die Jungs hier zu haben“, sagte uns Mutzel gestern – um dann direkt hinterherzuschieben: „Wir halten aber immer auch Augen und Ohren offen.“ Karlsruhes Hofmann beispielsweise sei „ein guter Spieler“. Zudem wird Kölns Simon Terodde intern schon lange nicht mehr dementiert.

Der HSV will, dass alle wissen, dass Hinterseer gehen kann. Das Schlimmste daran: Hinterseer weiß das, noch bevor klar ist, ob er bleibt oder geht. Angenommen, der HSV findet wie bei Wood und vielen anderen Beispielen vergangener Tage auch für Hinterseer keinen passenden Abnehmer – dann hat man sich wieder einmal einen Spieler geschwächt – sportlich wie im Marktwert. „Beim HSV werden alle Spieler schlechter“, heißt es oft. Und in diesem Fall stimmt leider, dass das selbstverschuldet ist. So sehr es Mutzel ehren mag, dass er zu retten versucht, was kaum mehr zu retten ist – diese Fahrlässigkeit hat den HSV schon viele Millionen Euro gekostet.

 

Und gute Spieler. Denn ich behaupte, dass der HSV besser fährt, wenn er seine vorhandenen Spieler immer maximal und bis zum schlussendlichen Verkauf fördert. Sportlich wie in der Außendarstellung. Es gibt tatsächlich nicht einen einzigen logischen Grund, Spieler derart anzuzählen. „Hat doch niemand“ werden jetzt einige sagen. Und offiziell haben sie damit recht. Denn laut gesagt hat de facto ja niemand, dass man Hinterseer abgeben wolle. Aber all denen, die so denken, sei gesagt, dass wir täglich Gespräche mit den Verantwortlichen führen und die meisten Inhalte dieser Gespräche nicht zitierbar sind, obgleich sie unsere Fragen nach Personalien und anderen Themen des Öfteren beantworten.

Pohjanpalo für Hinterseer?

Dass Hinterseer so im Schaufenster steht ist daher längst kein Zufall. Und auch keine Erfindung der so oft gerügten „Medien“. Geht es nach den HSV-Verantwortlichen dürfte der Österreicher ebenso wie der US-Amerikaner gehen. Der Unterschied: Für Hinterseer gibt es einen Markt und der HSV braucht Geld. Daher jetzt der Versuch, ihn wieder wertvoll zu machen, indem man ihn lobt. Geld mit Hinterseer machen, um einen neuen Angreifer zu holen – so lautet die Gleichung. Und die kann schiefgehen, wenn man am Ende weiter Hinterseer statt eines Neuen hier hat, dieser aber nur zu gut weiß, wie wenig Zutrauen er seitens des Vereines bekommt.

Jetzt einen teuren Pohjanpalo für Hinterseer zu fordern, ist statistisch nachvollziehbar. Neun Tore in 14 Partien erzielte der Finne. Und trotzdem halte ich es für Quatsch. Zumal Hinterseer ebenfalls neun Treffer erzielt hat. Er brauchte zwar mehr Spiele als Pohjanpalo – aber im Gegensatz zum Finnen wurde Hinterseer am Ende auch vermehrt auf den Außenbahnen eingesetzt. Ich behaupte sogar – und das ist nur meine Meinung – dass Hinterseer deutlich mehr als die neun Tore erzielt hätte, wenn er von Trainer Dieter Hecking nicht schon in der Hinrunde als Stürmer Nummer eins demontiert worden wäre. Soll heißen: Das, was wir dem Trainer in der vergangenen Saison wie selbstverständlich gegeben haben, hätten auch einige Spieler verdient: Vertrauen und Geduld.

 

Letztlich muss natürlich abgewogen werden, ob Hinterseer die beste Alternative ist, oder ob es besser geht. Aber bitte in der Reihenfolge: Einen besseren finden, den eigenen Spieler möglichst hochpreisig abgeben – und dann den Neuen fest verpflichten. Die bisherige Reihenfolge (Spieler öffentlich anbieten, bis der Wert sinkt – ihn nicht loswerden – ihn mit Abfindung verschenken oder als Lame duck im Kader behalten) muss aber durchbrochen werden. Sollte der HSV einen Simon Terodde tatsächlich dazu bringen, für ein Jahr und für die selbst auferlegte Verdienst-Obergrenze von 600.000 Euro zu kommen – top! Sollte man Pohjanpalo ablösefrei und für die 600.000 Euro Jahresgehalt bekommen – auch okay! Oder Philipp Hofmann trotz der 1,5 Millionen Euro Marktwert für null – ebenso gut wie undenkbar. Schon deshalb verstehe ich diese ganzen Luftschlösser nicht  Mir geht es schon ewig gegen den Strich, dass hier immer das besser ist, was man nicht hat.  

Morgen im Spiel gegen den VfB Lübeck werden wieder Wood, Wintzheimer, Hinterseer und viele andere Spieler auflaufen, deren Zukunft im Profikader ungeklärt ist. Auch Julian Pollersbeck wird spielen – womit wir das Paradebeispiel von Geldverbrennen haben. Denn hier wurde aus zwei Torhütern mit dem Anspruch zur Nummer eins einfach mal zwei Ersatzkeeper gemacht. Wie das besser werden kann? Nur durch einen: Daniel Thioune.

Der neue Trainer ist tatsächlich der einzige, der noch halbwegs unvorbelastet mit Hinterseer und den anderen „Problemfällen“ zusammenarbeiten kann. Er kann dem Österreicher und den Pollerbecks glaubhaft die Chance geben, die sie unter Hecking zuvor offenbar verwirkt hatte. Mit offenem Ergebnis - zugegebenermaßen. Aber sie ist da. Auch deshalb werden Testspiele wie das am Freitag gegen Lübeck besonders wichtig sein. Sie werden zeigen, welche Spieler den HSV verstärken und wer noch bereit ist, für den HSV alles zu geben. Und ich bin mir sicher, dass sich deutlich mehr Spieler reinhängen, wenn sie nicht schon signalisiert oder sogar gesagt bekommen haben, dass sie gehen können.

Probier' es doch einfach mal, HSV…!

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich nach dem Test gegen den VfB Lübeck wieder bei Euch. Zuvor bin ich natürlich auch um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch.

scholle

P.S.: Das für morgen geplante Testspiel gegen den VFB Lübeck fällt aus. 

https://www.hsv.de/news/testspiel-gegen-luebeck-faellt-aus

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