Tobias Escher

8. März 2020

Drei Spiele, drei Gegner in einer 3-4-1-2-Formation, kein Sieg: Nach der Mini-Krise war Trainer Dieter Hecking gefragt, neue Impulse zu setzen. Er tat dies in Form einer neuen taktischen Variante. Den Sieg sicherte sich der HSV aber erst, als er zur Stammvariante zurückkehrte.

„Der HSV ist entschlüsselt.“ So lautete die Überschrift meiner Taktikanalyse der Hamburger 0:3-Niederlage in Aue. Es war das dritte Spiel ohne Sieg. Drei Gegner in Folge hatten dasselbe 3-4-1-2-System gewählt – und gegen keinen dieser Gegner konnte sich der HSV ein Übergewicht erarbeiten. Hecking ließ daher unter der Woche neue taktische Variante trainieren. Eine solche setzte er auch gegen Jahn Regensburg ein, auch wenn der Gegner gar nicht das Anti-HSV-System genutzt hat.

Raute gegen 4-4-2

Wie sahen Heckings Änderungen aus? Er wählte eine Rautenvariante. Aaron Hunt startete als Zehner hinter einer Doppelspitze aus – Überraschung! – Bakary Jatta und Martin Harnik. Ein Dreier-Mittelfeld sollte dahinter helfen, das Zentrum zu dominieren. An der Viererkette rüttelte Hecking indes nicht.

Die Dominanz im Zentrum war bitter nötig. Regensburg ist ein Team, das sich gerade in dieser Zone eng zusammenballt. Nominell agieren sie in einem 4-4-2-System. Da die Außenstürmer sich gegen den HSV praktisch permanent ins Zentrum bewegten, ähnelte ihr System eher einem 4-2-2-2. Schon die Stürmer sollten die Hamburger Innenverteidiger anlaufen. Dahinter setzte Regensburg auf ein aggressives Verhalten im Mittelfeld, bei dem die Außenstürmer immer wieder vom Zentrum auf die Flügel herausrückten. Ihr Konzept war klar: Im ersten Schritt sollten Abspiele ins Zentrum verhindert werden, im zweiten Schritt startete das Pressing auf den Flügeln.

Taktische Aufstellung HSV - Regensburg
Taktische Aufstellung HSV - Regensburg

 

Der HSV begann die Partie nach den vergangenen Negativerlebnissen betont defensiv. Dies machte sich vor allem im Spielaufbau bemerkbar: Gegen das hohe Pressing der Gäste wagten sie nur wenig Risiko. Adrian Fein ließ sich praktisch permanent zwischen die Verteidiger fallen. Da die Außenverteidiger nicht sonderlich weit vorrückten, baute der HSV praktisch mit einer Fünferlinie auf.

Regensburg reagierte und lief den HSV häufiger in einem 4-3-3 an; so konnten sie Fein plus die beiden Hamburger Innenverteidiger pressen. Fein wählte in den meisten Fällen die Sicherheitsvariante und passte den Ball auf die freien Außenverteidiger. Das verhinderte zumindest, dass der Ball in der eigenen Hälfte verlorenging. Wirklichen Raumgewinn erzielte der HSV jedoch nicht.

Schaub als Verbindungsspieler

Auch Regensburg gelang in der Anfangsphase nur selten Raumgewinn. Ihre Spielidee war wesentlich simpler: Sie setzten voll und ganz auf lange Bälle. Die Außenstürmer gingen im Spielaufbau in die vorderste Linie, Regensburg stand im 4-2-4. Sie wollten möglichst viele Anspielpunkte entlang der Hamburger Viererkette schaffen. Der HSV konnte diese hohen Bälle jedoch zumeist erobern. Das anschließende Gegenpressing der Regensburger lief ins Leere; der HSV fiel durch eine hohe Ballsicherheit auf.

Erst nach und nach gelangte der HSV häufiger in die gegnerische Hälfte. Es war in der Folge vor allem Louis Schaub, der sich hervortat: Er bewegte sich vom halblinken Raum immer wieder ins Zentrum. Klug fand er die Lücken, welche hinter dem hohen Pressing der Regensburger entstanden. Hier erhielt er nun häufig den Ball. Nur selten konnte Schaub in der Folge direkte Angriffe in Richtung des gegnerischen Tors einleiten. Zumindest zwang er Regensburg dazu, sich in die eigene Hälfte zurückzuziehen.

So kam der HSV zwar noch immer selten zu Chancen. Einen Standard nutzten sie jedoch, um die Führung zu erzielen (24.). Leider reagierten sie auf die Führung, indem sie sich zunehmend passiv zurückzogen. Das erleichterte es Regensburg, die eigenen langen Bälle vorzubereiten. So konnte der HSV die Führung nicht lange halten; Regensburg glich aus (40.).

Umstellungen auf 4-3-3 und später 4-2-3-1

In der Pause gab Hecking das „Kommando zurück“. Jatta wechselte auf die rechte Außenbahn, Hunt ging nach links. Der HSV agierte also fortan wieder im angestammten 4-3-3-System. Interessanterweise war es genau dieser Wechsel zum altbekannten Spielsystem, welcher den Gegner aus dem Konzept brachte. Regensburg fand keine Antwort darauf, wie sich der ins Zentrum einrückende Hunt aus dem Spiel nehmen ließ.

Nun konnte der HSV wieder über seine Schokoladenseite angreifen: Tim Leibold rückte als Linksverteidiger weit vor, der einrückende Hunt bediente ihn mit Zuspielen. Der Spielaufbau war gänzlich auf Angriffe über die (halb-)linke Seite zugeschnitten. Regensburg stand überraschend offen auf diesem Flügel. Mit der Einwechslung von Sonny Kittel (58., für Schaub) intensivierte der HSV seine Angriffsbemühungen über diese Seite noch weiter: Sie griffen fortan im 4-2-3-1 an, wobei Kittel den Linksaußen gab und Hunt den Zehner. Beide überluden zusammen mit Leibold die linke Seite.

 

Der HSV ging in Führung (50.) und hatte danach alles im Griff – bis er die Partie plötzlich aus der Hand gab. Wie schon in der ersten Halbzeit zog sich das Mittelfeld in der Schlussphase weiter zurück. Der HSV verteidigte nun in einem passiven 4-1-4-1. Regensburg versuchte es mit dem Holzhammer: Sie prügelten den Ball wieder und wieder in den Hamburger Strafraum. Der HSV wackelte, doch sie konnten das Ergebnis halten.

Für Hecking gibt dieser Sieg Zeit zum Durchschnaufen. Die Mini-Krise hat der HSV von den Ergebnissen her beendet. Doch nicht in jeder Hinsicht fällt das Fazit positiv aus. Der Systemwechsel auf die Raute ist höchstens in Ansätzen gelungen. Noch immer fehlt dem HSV eine Alternativvariante, sollte der Gegner gut eingestellt sein auf Heckings 4-2-3-1/4-3-3-Mischung. Die Partie gegen Greuther Fürth bietet die Chance, dies zu ändern – oder zu beweisen, dass man auch in der Stammvariante durchgehend erfolgreich sein kann.

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