Lars Pegelow

3. Februar 2019

 

Mit Beginn der heutigen Pressekonferenz hatte HSV-Trainer Hannes Wolf zur Abwechslung auch einmal eine Bitte an die Journalisten. Als er nach den Namen derjenigen Spieler gefragt wurde, die angeschlagen oder verletzt sind, fragte Wolf nach Unterstützung, falls er einen vergessen würde. Und tatsächlich präsentierte Wolf dann eine ganze Latte von Namen, die Verletzungen haben. Dass Aaron Hunt und Hee Chan Hwang mit ihren Muskelverletzungen noch einige Zeit ausfallen werden, ist bereits bekannt. Auch Gideon Jung wird den Hamburgern im DFB-Pokalspiel gegen den 1. FC Nürnberg am Dienstagabend (18.30 Uhr im Volksparkstadion) nicht zur Verfügung stehen. Er habe während der ersten Halbzeit des Bielefeld-Spiels etwas an den Adduktoren verspürt, erklärte Wolf. Nichts Großes, aber da Jung aus einer Verletzung kommt, wurde er vorsichtshalber in der Pause ausgewechselt. „Wir hatten nach der Englischen Woche ohnehin angedacht, in der Innenverteidigung zu tauschen“, sagte Hannes Wolf nun vor dem Nürnberg-Spiel. Das heißt: Auch ohne kleine Verletzung wäre David Bates an Jungs Stelle ins Team gerutscht.

Nicht gut sieht es bei Pierre-Michel Lasogga aus. Obwohl der Stürmer im Sandhausen-Spiel durch seinen fulminanten Lattenschuss mit links in der zweiten Halbzeit wieder eine Waden-Verhärtung bekommen hat, schien es eigentlich für Bielefeld zu reichen. Doch am Morgen kam dann doch das Signal, dass der beste Schütze des Vereins passen würde. Sollte Lasogga das Abschlusstraining am morgigen Montag nicht vollständig mitmachen können, und dabei beschwerdefrei bleiben, mache ein Einsatz auch gegen Nürnberg keinen Sinn. Leichte Entwarnung gab es zumindest bei Berkay Özcan. Der Türke hatte in Bielefeld einen Tritt gegen sein operiertes Sprunggelenk bekommen. Erst habe er einen ganz schönen Schreck bekommen, erzählte Hannes Wolf. Es handelt sich aber nur um eine Fußprellung – Einsatz gegen Nürnberg nach jetzigem Stand zumindest möglich. Und klar ist sowieso, dass Gotoku Sakai für seine Rote Karte in Bielefeld nur für die 2. Liga gesperrt ist, nicht aber für den DFB-Pokal.

 

 

Der Verlauf des Spiels auf der Alm und das Ergebnis haben auf den ersten Blick Vergleiche zum 1:3 bei Holstein Kiel kurz vor Weihnachten zugelassen. Erste Halbzeit schlecht und entscheidend in Rückstand geraten, im zweiten Durchgang dann trotz allen Bemühens keine echte Chance mehr gehabt, die Partie zu drehen. Hannes Wolf mochte diesen Vergleich aber nicht gern hören. Er sah in Bielefeld eine gute Anfangsphase seiner Mannschaft, die dann erst durch die Rote Karte für Sakai aus dem Tritt gekommen sein. Fakt ist, dass die erste Chance des Spiels auf Hamburger Seite lang, aber Khaled Narey vergab (2. Minute). Doch bereits vor dieser vorentscheidenden Szene und dem Platzverweis gegen Sakai leistete sich der HSV im Aufbau einen Fehler – der zunächst noch nicht bestraft wurde. In der 12. Minute kam schließlich allerhand zusammen. Abspielfehler im Mittelfeld, Stellungsfehler von Gideon Jung am Mittelkreis – und dann die Fehlentscheidung von Gotoku Sakai, seinen Gegenspieler hart anzugehen.

Sport-Vorstand Ralf Becker hätte es gern gesehen, wenn Sakai seinen Gegenspieler Fabian Klos hätte laufen lassen. „In der 78. Minute kann man solch eine Notbremse vielleicht ziehen. Aber wenn du ab der 12. Minute in Unterzahl spielen musst – das ist schon ein Brocken.“ Letztlich verschluckte sich der HSV an diesem Brocken, wobei weitere ungünstige Umstände hinzukamen. Dem ersten Gegentreffer ging ein klares Foulspiel von Torschütze Andreas Voglsammer gegen Mangala voraus, das ungeahndet blieb. Voglsammers ursprünglicher Gegenspier in der Einteilung war übrigens ausgerechnet Gotoku Sakai, der die Partie zu diesem Zeitpunkt längst von einem Treppenausgang in den Katakomben der Schüco-Arena verfolgen musste. Und wegen der Unterzahl konnte vor dem 0:2 von Yabo der Rückraum nicht abgedeckt werden. Aber um noch einmal auf das 0:1 und das Foul zurückzukommen: So berechtigt die Kritik des HSV an dieser Entscheidung des Unparteiischen war (der auch ansonsten einen schwarzen Tag erwischt hatte), so ehrlich müssen die Hamburger auch sein. Dem Führungstor des HSV am Mittwoch gegen Sandhausen war eine klare Abseitsstellung von Bakery Jatta vorausgegangen. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand beim HSV diesem Umstand in der Analyse besondere Beachtung geschenkt hätte.

Klar ist jedenfalls: Mit einem 0:2-Rucksack auf dem Rücken konnte der HSV in Unterzahl in Bielefeld nichts Entscheidendes mehr bewegen. Nach der Partie waren die Aussagen von Julian Pollersbeck und Rick van Drongelen bemerkenswert. Torwart Pollersbeck erklärte, dass angesichts der engen Personalsituation nun Männer gefordert seien. „Wir müssen enger zusammenrücken“, sagte der Keeper. Und Verteidiger van Drongelen, der als einer von wenigen Hamburgern in Bielefeld Normalform hatte, ergänzte: „Auch wenn wir eine junge Truppe sind, müssen wir bereit sein für jeden Kampf.“ Einige HSV-Spieler schienen mit diesen geforderten Attributen in Bielefeld überfordert. Normalerweise hätte man von der erfahrenen Achse Mangala/Holtby/Douglas Santos ein Vorwegmarschieren erwartet. Tragischerweise hat aber gerade dieses Trio nicht überzeugen können. Aus diesem Grund fielen auch die Schwächen bei einigen jungen Akteuren umso deutlicher auf. Tatsuya Ito bestätigte seinen schwachen Auftritt aus der Partie gegen den SV Sandhausen. In dieser Form ist Ito einfach nur ein Kandidat für die Ersatzbank, das dokumentierte spätestens sein unentschlossener Abschluss bei der besten HSV-Chance kurz vor Ende der Partie. Nicht viel besser hat Josha Vagnoman gespielt. Dem 18-Jährigen ist zugute zu halten, dass er eigentlich auf der linken offensiven Seite beginnen sollte. Nach dem schnellen Platzverweis musste er nach rechts hinten wechseln. Vielleicht war es dieser Wechsel  -jedenfalls wirkte Vagnoman in seinem zweiten Spiel von Beginn an übernervös. Er hat nicht das abgerufen, was er in anderen Joker-Einsätzen schon gezeigt und im Training regelmäßig angeboten hat.

Ohnehin stellt sich so langsam die Frage, wie es eigentlich wirklich um den Nachwuchs des HSV steht. Mit großem Tamtam wurde Bernhard Peters als Sportdirektor vor einigen Jahren zum HSV geholt und einige Zeit später das Vorzeigeprojekt Campus ins Leben gerufen. In der Profi-Mannschaft des HSV haben wir aktuell neben Ito und Vagnoman noch Fiete Arp, der gestern aufgrund von Rückenbeschwerden erst spät eingewechselt wurde. Auf den Punkt gebracht sind also drei Eigengewächse im erweiterten Profi-Kader – keiner von ihnen ist unverzichtbar, und das in der zweiten Liga. Ein gutes Zwischenzeugnis der Nachwuchsarbeit sieht anders aus, zumal die personellen Strukturen im Campus nach Rochaden, Kündigungen und Freistellungen in den vergangenen Monaten brüchig wirken. Mit anderen Worten: Der Campus hat noch nicht gebracht, was sich der HSV von ihm versprochen hat. 2009 ist die Beziehung des damaligen Präsidenten Bernd Hoffmann und des Sportchefs Dietmar Beiersdorfer unter anderem auch am Streit um die Leistungen im Nachwuchs-Bereich zerbrochen. Der HSV tut gut daran, selbstkritisch auf sein Nachwuchs-Internat zu gucken.

Es gibt noch einen weiteren HSV-Verlierer des gestrigen Tages – obwohl er gar nicht dabei war. Manuel Wintzheimer konnte nicht davon profitieren, dass Stürmer Nummer 1, Lasogga, verletzt war; dass Stürmer Nummer 2, Hwang, verletzt war; dass Stürmer Nummer 3, Arp, angeschlagen war. Mittelstürmer Nummer 4, Wintzheimer, blieb bei der U 21, während Aaron Opoku für die Profis nachnominiert wurde. Ein klarer Fingerzeig für den ehemaligen Bayern-Stürmern, wie weit hinten er sich im Moment in der HSV-Stürmer-Hierarchie befindet.

Dass Hannes Wolf der Partie gegen den 1. FC Nürnberg eine große Bedeutung beimisst – daraus machte der Trainer keinen Hehl. Der Pokal sei „fantastisch“, das Ereignis ein „Highlight“. Seine Mannschaft sei immer noch wettbewerbsfähig, egal ob jung oder alt auf dem Rasen stünden. „Cool“ findet Wolf den Pokal auch noch, und überhaupt denke er gar nicht daran, wegen ein paar personeller Problemchen vorab die weiße Fahne zu hissen. „Ich erwarte ein Duell auf Augenhöhe“, so Wolf vor der Partie mit dem Tabellen-Vorletzten der 1. Bundesliga. An der Atmosphäre im Volksparkstadion dürfte es jedenfalls nicht scheitern. Etwa 45.000 Karten hat der HSV für die Partie bereits verkauft, und das heißt, dass etwa 50.000 kommen könnte. Und vielleicht schafft es der HSV ja wirklich, nach zwei Jahren Pause wieder ins Pokal-Viertelfinale einzuziehen. Damals war nach einem harten Kampf und guten Spiel mit 1:2 gegen Borussia Mönchengladbach Endstation. Diesmal geht es nicht nur ums sportliche Prestige, sondern vor allem auch um das liebe Geld. Der DFB hat die Prämien für diesen Wettbewerb in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht, so dass diesmal 1.328.000 Euro pro Verein im Topf sind. Dazu kämen noch aktuelle Spieleinnehmen, die sich die jeweiligen Gegner teilen. Somit könnten etwa zwei Millionen Euro für den HSV drin sein – Geld, dass der HSV hervorragend gebrauchen könnte. Denn in den Budget-Planungen für die laufende Saison hat Finanz-Vorstand Frank Wettstein nur das Erreichen des Achtelfinales eingeplant. Aber was heißt „nur“ – selbst diese 3. Runde einzukalkulieren, kann man bei der Pokal-Historie des HSV in den vergangenen Jahrzehnten ja eigentlich schon als ziemlich gewagt bezeichnen. Übrigens: Jeder Halbfinalist hat noch einmal 2.656.000 Euro garantiert – doch davon können sie beim HSV dann frühestens in ein paar Wochen träumen.

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