Marcus Scholz

27. Dezember 2017

Insgesamt dürfte das Paket rund neun Millionen Euro gekostet haben. Sehr viel Geld für einen Verein, der so gar kein eigenes hat. Und dennoch war der Transfer von Kyriakos Papadopoulos, den der HSV zuvor für rund drei Millionen Euro Gesamtkosten für ein halbes Jahr lang ausgeliehen hatte, zweifelsfrei sinnvoll, da dem HSV genau dieser Spielertyp fehlte: Einer der durchgeknallten Sorte, der dazu auch noch richtig gut ist. Und das ist Papadopoulos – wenn er gesund ist. Dass der HSV bei dem Griechen mit den zwei kaputten Knien ein sehr hohes Risiko eingegangen ist, ist klar. Aber bislang (dreimal auf Holze geklopft!) ist alles gut gegangen und der Grieche ist dank einer massiven Belastungssteuerung ebenso fit wie defensiv die Stütze, die man sich von ihm erhofft hatte. „Der Typ geht gar nicht“, lacht Keeper Christian Mathenia, „der hat so viel Adrenalin, dass er die gesamte Mannschaft damit versorgen könnte. Aber er ist eine Machine und genau das brauchen wir hinten!“

Stimmt. Zumal daneben mit Mergim Mavraj zwar ein ebenfalls erfahrener Spieler steht, der allerdings über weite Strecken der Saison schwächelte. So sehr, dass viele – auch ich hier – immer wieder laut nach Rick van Drongelen fragten. Fragen nach dem jungen Niederländer, der als später Zugang zunächst als Linksverteidiger begann, ehe er sich verletzte und anschließend erst durch die Systemumstellung auf Dreierkette wieder in die Mitte gezogen wurde. Allerdings blieben die Rufe nach dem im Dezember gerade erst 19 Jahre jung gewordenen Innenverteidiger weitgehend ungehört. Er kam über die Rolle des dritten Innenverteidigers nicht hinaus und schaffte so gerade sieben Einsätze bis heute insgesamt. Nur drei davon über die gesamten 90 Minuten. Und mit gerade einmal 38,02 % gdewonnene Zweikämpfe spricht statistisch auch nichts für ihn. Immerhin hat er als Verteidiger damit sogar eine schwächere Zweikampfstatistik als die Youngster Jann-Fiete Arp und Tatsuya Ito. Ein katastrophaler Wert für van Drongelen, der noch nicht ins Laufen gekommen ist. Oder besser: Der noch nicht ins Laufen kommen konnte.

Denn Trainer Markus Gisdol hat sicherlich die Statistik auf seiner Seite – allerdings werfe ich dem Trainer vor, hier nicht nach dem Leistungsprinzip agiert zu haben und damit dem Niederländer die Chance genommen zu haben, sich über Spiele an die Bundesliga zu gewöhnen. Ich bin mir sicher, er hätte letztlich andere Zweikampfwerte, wenn er das Vertrauen des Trainers bekommen hätte und sich Spiel für Spiel an Tempo, die Härte und seine Mitspieler hätte gewöhnen können. Und das hatte er sich zum einen im Training verdient. Zum anderen zwangen Mavrajs Leistungen zwischen Spieltag zwei und 12 den Trainer quasi dazu, umzustellen. Meine ich zumindest...

Allein Gisdol hielt an Mavraj fest und fühlte sich durch dessen gute Spiele gegen Hoffenheim, Freiburg und Wolfsburg (13. – 15. Spieltag) sogar darin bestätigt. Dabei wirkte der Albaner, der übrigens auf dem Platz in der Bundesliga eine Kopie dessen hinlegt, was er im Training zeigt, in der Vielzahl seiner Spiele zumeist überfordert. Dass ausgerechnet er mit 724 am drittmeisten Ballkontakte (nach Papadopoulos und Diekmeier) im HSV-Spiel hat, darf eher als Handicap gewertet werden. Denn das Aufbauspiel Mavrajs ist stark ausbaufähig – nett formuliert. Schon im Training (da sogar oft ohne Gegenspieler) kommen die Pässe hinten raus zu ungenau bis nicht an.

Auch deshalb wird Mavraj oft erst in Ballbesitz vom Gegner zugestellt, der Pass zu hm sogar provoziert. Logische Konsequenz: Mavraj beschränkte sich (das Freiburg-Spiel mal ausgenommen) zusehends darum, die einfachen, kurzen Pässe zu spielen und hat statistisch sogar mit 85,71 % die beste Passquote aller HSVer. Zudem ist Mavrajs Mentalität ein Plus. Der Linksfuß ist ein absoluter Teamplayer, der seine Leute immer wieder verbal aufbaut. Er coacht seine Mitspieler und gilt als integratives Bindeglied im Team.

Auch im Falle Douglas Santos, der zu Saisonbeginn nach etlichen Wechsel-Irritationen in der Sommerpause auf dem Abstellgleis zu sein schien. Sogar ein junger Innenverteidiger namens Rick van Drongelen wurde dem Brasilianer vorgezogen und das Verhältnis von Trainer Gisdol zu dem brasilianischen Olympiasieger wurde immer wieder als „angespannt“ bezeichnet – bis Gisdol endlich Santos brachte. Nach einem holprigen Start gegen Hannover und Dortmund fing sich Santos und wurde links zur Stütze. Immer wieder trieb er den Ball technisch gekonnt gekonnt nach vorn, unterstützte seinen Vordermann Filip Kostic so, dass dieser am Ende nach Diekmeier die meisten Flanken schlagen konnte. Zudem gewann Santos, der in der offensiveren Variante richtig aufblühte, mit 56% am viertmeisten Zweikämpfe. Interessant: Mit Papadopoulos, Diekmeier, Mavraj und ihm ist die Stamm-Viererkette beim HSV auch die Top 4 in Sachen gewonnene Zweikämpfe beim HSV. So soll es auch sein – nur noch besser im Ligavergleich...

Defensiv in Gänze betrachtet ist der HSV Liga-Mittelmaß, also besser als tabellarisch. Und damit kann ich gut leben. Tabellenrang 11 bei Gegentoren (25), Rang 9 bei zugelassenen Torschüssen (227), Rang 12 bei gegnerischen Schüssen im eigenen Sechzehner (141), Tabellenführer bei Joker-Gegentoren (nur 1 Gegentreffer) und der insgesamt geführten Defensivzweikämpfe, 11. bei Stümergegentoren und Gegentoren aus dem Spiel. Diese Defensiv-Statistiken kann man in alle Bereiche so weiterführen und man befände sich immer im gesicherten Mittelfeld – mit einer Ausnahme: Gegentore nach Fehlern. Nach eigenen Fehlern wohlgemerkt. Denn mehr eigene Schnitzer, die zu Gegentoren führten (4) hat ligaweit niemand. Zudem belegt man den Relegationsplatz bei zugelassenen Großchancen (30) und Gegentoren nach Ballverlusten. Soll heißen: Das defensive Umschaltspiel funktioniert nicht. Wobei, angesichts der Tatsache, dass Papadaopoulos, Mavraj, van Drongelen und Santos allesamt keine Sprinter sind, ist das kaum unerwartet.

Fazit: Der HSV ist defensiv trotz nominell eher durchschnittlichem Personal absolut okay. Statistisch allein wäre man auf einem soliden Weg zum Klassenerhalt. Zumindest macht man 95 Prozent defensiv gut – aber diese fehlenden 5 Prozent wirken sich beim HSV massiv aus. Massier als bei fast allen Gegnern in der Liga. Und da man offensiv – dazu komme ich in den nächsten Tagen – unterdurchschnittlich und zu harmlos ist, steht man letztlich auf einem Abstiegsplatz. „Wir müssen gegen unsere kapitalen Fehler anarbeiten“, so Gisdol und Todt unisono. Damit waren neben den Fehlern zu Gegentoren auch die Patzer von Mathenia gemeint.

Vor allem aber sprachen Gisdol und Sportchef Jens Todt damit genau das an, was sich am schwersten trainieren lässt: Fehler abstellen. Denn diese Fehler macht niemand absichtlich. Alle wissen, dass sie sie nicht machen dürfen. In jeder Besprechung wird darauf hingewiesen. Aber der Grund, weshalb sie diese Fehler dennoch machen ist ebenso einfach wie verheerend: Mangelnde Qualität. Zumindest aber mangelnde Stabilität. Dem HSV fehlt es an zuverlässiger Klasse in der Abwehr - ein Papadopoulos allein reicht eben nicht.

Auch deshalb hoffe ich, dass der HSV in den nächsten Wochen versucht, das Maximum aus seinen Talenten van Drongelen und Pfeiffer herauszukitzeln. Der HSV braucht sie als Alternativen. Zudem wäre die Variante mit Gideon Jung als Innenverteidiger für mich immer eine Alternative, da er schnell ist und seine Zweikämpfe gewinnt. Jung spielt Karo einfach – aber das konsequent. Er versucht einfach gar nichts, was er eh nicht kann. Und wenn wir schon beim Thema Innenverteidigung sind: in Freiburg wird Marc-Oliver Kempf im Sommer seinen Vertrag nicht verlängern, war zu hören. Ich kann nur offen, dass der HSV hier seine Bemühungen nie eingestellt hat. Wobei, eigentlich müssten wir hier nur hoffen, dass Kempfs Berater dem HSV endlich auch mal einen Hochkaräter mit großem Entwicklungspotenzial zukommen lässt. Wer der Berater des 22-jährigen U21-Nationalspielers ist? Dreimal dürft Ihr raten...

 

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.