Marcus Scholz

26. Juli 2020

„Beim HSV rückt alles enger zusammen“, hatte Marcell Jansen gesagt. Der Präsident des HSV e.V. wollte damit beschreiben, wie sich die Kultur innerhalb des HSV verändert hat. Es sei ein Klima des Vertrauens und der Produktivität entstanden. Man würde in den Abteilungen auf Augenhöhe agieren, was in den Jahren zuvor nie primär war. Wobei die aktuelle Situation das natürlich auch leichter macht. Denn während früher zwischen einem Regionalliga-Nachwuchstalent und den Zé Robertos, Petrics, Boatengs, Barbarez‘ und anderen europäischen Top-Spielern gleich mehrere Ligen lagen, ist das Leistungsniveau aktuell natürlich (und: leider!) deutlich enger zusammengewachsen. Daher ist der Übergang von U21 zu den Profis deutlich kürzer geworden.

Wie eng die Zusammenarbeit wirklich sein kann, das wird sich in dieser Saison neu beweisen müssen. In der U21 soll das Niveau nach einem aktuell 14. Tabellenplatz deutlich angehoben werden. Gleiches gilt für die Profimannschaft, wobei hier bekanntermaßen finanziell kürzergetreten werden muss. Und gerade in der U21 wurde sehr viel verändert. Elf Abgängen stehen bislang vier Zugänge entgegen – allesamt hochgezogene Talente aus der U19. Externe Zugänge? Fehlanzeige. Wobei, eigentlich ist das nicht ganz korrekt. Denn wie ich erfahren habe, waren gleich beide Zugänge der Profimannschaft Sichtungsergebnisse von und für die U21.

Gjasula und Onana waren für U21 gescoutet

Wie das sein kann? Ganz einfach: Auf der Suche nach interessanten Spielern für die U21 waren die HSV-Verantwortlichen im Nachwuchsbereich auf Hoffenheims U19-Mannschaftskapitän Amadou Onana gestoßen, der inzwischen schon seit ein paar Wochen bei der U21 des HSV mittrainiert. Der 19-Jährige „ist durch den Corona-Abbruch der Junioren-Bundesliga schon länger raus und wollte Verpasstes nachholen“, weiß Nachwuchsleistungszentrums-Chef Sebastian Harms zu berichten. Und Harms war es auch, der zusammen mit Nachwuchs-Chefscout Benjamin Scherner zuerst auf Onana aufmerksam wurde.

Man arbeite grundsätzlich im Team, sagen alle Beteiligten zwar. Aber im Falle des defensiven Mittelfeldspielers, der letztlich einen Profivertrag beim HSV unterschrieben hat, war tatsächlich zunächst angedacht, ihn für die U21 zu gewinnen. Als der Name dann intern genannt worden war, war Sportdirektor Michael Mutzel sofort Feuer und Flamme für den Belgier der TSG Hoffenheim.  „Durch den Wechsel erhofft sich Amadou mehr Spielzeit. Wir sind froh, dass er sich trotz vieler Optionen für uns entschieden hat und wir ihn in unserem Team haben“, sagte Mutzel jüngst den Kollegen der Bild, nach dem er bei Onanas Verpflichtung bereits sagte: „Er ist ein internationales Top-Talent, das im Mittelfeld alle Positionen spielen kann und großes Entwicklungspotenzial besitzt.“

 

Und er war für die U21 vorgesehen. Wobei man bei derartigen Talenten wissen muss, dass sie in aller Regel nicht zum HSV wechseln, sofern sie hier nicht parallel zur U21 den Weg zum Profi klar skizziert bekommen. Insofern war Mutzel nicht nur begeistert von der Transferidee der Nachwuchsabteilung, sondern er wäre sowieso sofort involviert worden. Ebenso wie bei Klaus Gjasula. Denn auch den hatte zuerst die Naschwuchsabteilung des HSV auf dem Schirm – als Führungsspieler für die U21.

Gjasula sollte die jungen Spieler der U21 führen

Wie im Fall Christoph Moritz‘ suchten Harms, Scherner und Co. nach einem neuen Leader für die U21. Dabei wurden insbesondere erfahrene Spieler mit auslaufenden Verträgen näher in Betracht gezogen. Auch Gjasula. Wo der Kapitän von Bundesligaabsteiger SC Paderborn letztlich landete, wissen wir. Er wurde der zweite von bislang zwei Neuzugängen. Mit anderen Worten: Beide Profizugänge resultieren aus der Kaderplanung des Nachwuchses.

Betrachtet man das Ganze positiv, kann man auch sagen: Die Zusammenarbeit zwischen Nachwuchs und Profibereich funktioniert endlich. Und wenn der HSV wirklich so einheitlich und uneitel als Ganzes funktioniert, wie er es seit einiger Zeit immer wieder vorgibt, dann ist das zuallererst gut. Bedenken habe ich nur dabei, dass beide Spieler schon wieder mit sehr viel Vorschusslorbeeren ausgestattet nach Hamburg gekommen sind. Beide wurden für den Nachwuchs gescoutet – letztlich aber mit dem klaren Titel „Profi“ gekennzeichnet. Und die Frage ist: Kann Onana diese Erwartungen schon bzw. kann Gjasula diese noch erfüllen?

 

Geht man nach den ersten Eindrücken bei der U21, erfüllt Onana zumindest die Erwartungen, die man an ein Toptalent stellt. Bei den (Interims-)Trainern hinterließ er ob seiner motivierten Art in den ersten Einheiten gleich einen sehr guten Eindruck.  Onana war lautstark und coachte seine Mitspieler – was im defensiven Mittelfeld wichtig ist. Auf der Position, die Neu-HSV-Trainer Daniel Thioune als „Quarterback“ in seinen Spielsystemen bezeichnet, muss man die Mitspieler sortieren, sie dirigieren und laut sein. Zumal der HSV ansonsten keinen solchen Spieler hat.  Aber, und da lege ich mich fest: Onana wird noch seine Zeit brauchen, um sich allen Gegebenheiten anzupassen. Hier innerhalb des HSV zum einen – vor allem aber auf Profiebene. Von daher hat der HSV aus meiner Sicht de facto erst einen Neuzugang, von dem erwartet werden darf, dass er bei den Profis sofort Fuß fasst.

Feiert Cardoso sein Comeback als U21-Trainer?

Der ehemalige Paderborn-Kapitän Gjasula soll dabei vor allem seine rigorose Spielweise im zentral-defensiven Mittelfeld einbringen. Er ist sozusagen das Gegenstück zu Onana. Und im besten Fall kann der junge Hoffenheimer in Gjasulas Schatten in der kommenden Saison Schritt für Schritt in die Profimannschaft reinwachsen. Sollte er dabei auf gesunde Weise schnelle Schritte gehen – es dürfte alle freuen. Unabhängig davon, wer ihn entdeckt hat. Also auch Trainer Daniel Thioune, der morgen seinen ersten Tag nach seinem Urlaub heim HSV hat. Zusammen mit seinem Trainerteam sowie Sportdirektor Mutzel und Sportvorstand Jonas Boldt werden die Wochen der Vorbereitung sowie die nächsten Schritte in der Kaderzusammenstellung geplant.

Ein Thema dabei wird auch die Suche nach einem neuen Cheftrainer der U21 sein, nachdem sich Thioune den bisherigen Chefcoach Hannes Drews sein. Im Gespräch, so habe ich erfahren, sind externe Lösungen – wobei es meiner Meinung nach genügend Kandidaten gibt, die beim HSV bereits unter Vertrag stehen. Neben den zuletzt bereits genannten Bastian Reinhardt (U16), Pit Reimers (U17), Christian Rahn (HSV III) sowie Daniel Petrowsky (U19) würde mir persönlich noch einer einfallen, der von den möglichen Kandidaten am wenigsten Eingewöhnungszeit brauchen würde: Rodolfo Cardoso. Zumal der Argentinier den bleibenden Cotrainer Soner Uysal aus gemeinsamer, erfolgreicher Zeit bei der U23 bestens kennt.

Vor allem aber hat Cardoso das, was ich keinem der anderen Kandidaten absprechen will, was ich aber logischerweise auf Ebene der U21-Mannschaft nur von ihm sehen konnte: den Mut, auch in schwierigen Situationen jungen Spielern Chancen zu geben. Zumindest hat sich Cardoso nie lange damit aufgehalten, zu hadern, wenn seine Trainingseinheiten zerpflückt wurden, weil mehrere Spieler bei den Profis auffüllen sollten. Er hat seine Kader genommen , wie sie waren – und hat immer wieder mit der Berufung von A-Jugendlichen überrascht.

 

„Am wichtigsten für Talente ist, dass sie auch auf der nächsthöheren Ebene Erfahrungen sammeln können, um zu erkennen, was ihnen eben noch fehlt“, hatte mir der letzte Talentmanager des HSV, Marinus Bester, am Freitag mit auf den Weg gegeben. Und Fakt ist: Dafür müssen die jüngeren Spieler von den Trainern auch erst einmal die Chance bekommen. Unten  wie oben.

HSV muss im DFB-Pokal zu Dynamo Dresden

Unten gegen oben heißt es immer wieder auch im DFB-Pokal. Und die vielleicht ungewöhnlichste DFB-Pokalauslosung ergab für den HSV heute ein vergleichsweise schweres Erstrundenspiel beim Zweitligaabsteiger Dynamo Dresden. Gespielt werden soll vom 11. bis zum 14. September. Thioune: „Die Paarung ist sicherlich ein Knaller der Auslosung. Der Vorteil ist, dass wir in jedem Fall schon mal wissen gegen wen wir spielen werden. Ein Traditionsduell und ein richtig attraktives Spiel zum Auftakt, auf das ich mich freue.“

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich selbstverständlich wieder um Punkt 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch.

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