Marcus Scholz

18. August 2020

Gerade in Hamburg muss man offenbar etwas vorsichtiger sein. Zumindest, wenn es um junge Fußballer geht, die ihre ersten Schritte in den Profifußball gehen wollen. Gerade erst war Luca Waldschmidt vom SC Freiburg als Nationalspieler zu Benfica Lissabon gewechselt. Ein Spieler, mit dem man in Hamburg nichts anzufangen wusste. Leider. Und ähnliche Verläufe gibt es aus den letzten 20 Jahren noch und nöcher zu berichten. Von daher bin und bleibe ich trotz meiner bisherigen Begeisterung für Amadou Onana auch nach dem heutigen Gespräch vorsichtig. Vielleicht schütze ich damit ja auch den Spieler – obgleich ich „befürchte“, dass der junge Belgier sich mit seinen sportlichen Leistungen sehr bald ein Rampenlicht erspielen kann, dem so junge Spieler erst einmal gewachsen sein müssen. Wobei: Diesen Eindruck macht der junge Belgier.

Als wir ihn heute in Corona-Sicherheitsabstand mit seiner Maske (Nummer 24 war aufgebügelt) vor uns stehen hatten, wurde eines schnell klar: Dieser junge Mann hat genau das Selbstvertrauen, das er in den ersten Minuten des ersten Testspiels gegen Hansa Rostock ausgestrahlt hatte. Da wurde er von den Rostockern häufiger überhart attackiert und blieb cool. „Das war okay, das war wohl sowas wie mein Willkommensgeschenk“, sagt Onana in perfektem Deutsch, „solche Schläge werde ich ja auch noch häufiger abbekommen. Aber noch häufiger auch austeilen.“ Angst, körperlich unterlegen zu sein, muss sich der defensive Mittelfeldspieler trotz seiner gerade einmal 19 Lenze eh nicht machen. 1,95 Meter misst der Hüne mit Schuhgröße 46 und einem Oberkörper, den außer ihm maximal ich noch zu bieten hätte. Aber im Ernst: Onana ist schon ne richtige Kante – und er kann dazu noch Fußball spielen. „Ich glaube, der liebe Gott hat es gut mit mir gemeint“, freut sich Onana.

Onana bringt mit, was ein Talent haben muss

Und nur zur Erklärung: Was sich hier vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas großmütig anhören mag, bringt der junge Belgier immer in einer sehr sympathisch-selbstbewussten Art rüber. Er weiß, dass er noch kein Star ist. Er weiß aber auch, dass er mal einer werden will. So, wie sein großes Vorbild: Manchester Uniteds Weltklassespieler Paul Pogba. Dessen Spielart käme seiner am nächsten, sagt Onana, der hier in Hamburg auf der Straße erkannt wird. Ein Umstand, der ihn sichtlich freut. Sogar so sehr, dass es ihm fast schon wieder unangenehm ist, darüber zu sprechen, als wir ihn fragten.

Onana ist kein Spinner. Aber ein sehr intelligenter, fokussierter Typ, der genau weiß, was er kann und wo er hin will. Als er mit 11 aus dem Senegal seinen Vater in Belgien in den Ferien besuchte, wusste er, dass er bleiben will. „Mein Vater hat damals schon in Belgien gelebt, und wir haben ihn mit meiner Mutter immer besucht. Und ich wollte dann da bleiben, um dort zur Schule zu gehen. Und, um in Belgien Fußball zu spielen.“ Mit anderen Worten, Onana hat erst mit 11 Jahren das erste Mal im Verein gespielt? Ob er damit nicht etwas spät dran war, wollte ein Kollege von ihm wissen. Der HSV ist nach seinem belgischen Jugendklub Sulte sowie der TSG Hoffenheim erst sein dritter Verein, für den er Fußball spielt. Seine trockene, kurze Antwort: „Aber heute stehe ich hier. Ich glaube, ich habe alles richtig gemacht.“

 

Fünf Sprachen spricht der junge Mann, der bei der Mannschaft ob seiner ersten Auftritte auf und neben dem Platz schnell Anschluss gefunden hat. „Wir haben eine sehr, sehr gute Truppe", schwärmt der junge Rechtsfuß, während im Hintergrund Tim Leibold beim Vorbeifahren kurz anhält, um ihn mit ein paar netten Worten zu grüßen. Onana: „Das sind sehr korrekte Jungs, die mich sehr gut aufgenommen haben.“ Auch, weil Onana neben seinen fünf Sprachen auch die Sprache des Fußballs beherrscht. Er zeigt Leistung. Im Test wie in den Trainingseinheiten ist er optisch wie fußballerisch auffällig.

Onana ist wissbegierig und fleißiger als andere

Sechs Monate hat Onana vor seinem Wechsel zum HSV immer wieder bei den Profis in Hoffenheim mittrainieren dürfen. Ob der Unterschied schon groß sei, was die Anzahl der so genannten Stars im Team betrifft? Nein, sagt Onana. „Die haben wir hier auch. Aaron Hunt zum Beispiel. Stars haben wir trotzdem hier genug. Aber das macht auch nicht viel aus im Profifußball – ob du ein Star bist oder nicht.“ Man müsse eh immer Leistung zeugen, um seinen Status zu rechtfertigen. Auch deshalb hat er früher als der Rest begonnen, nachdem seine Saison mit der U19 der TSG vorzeitig abgebrochen war und er Corona-bedingt nicht trainieren konnte. Bei der U21 des HSV hielt sich Onana fortan fit, trainierte dort unter dem heutigen Cotrainer Hannes Drews.   Wie fit er schon ist? „Fit genug, um zu spielen. Das hat man glaube ich gegen Rostock gesehen. Mir war sehr wichtig, dass ich bei der U21 mittrainieren konnte. Ich wollte mich hier von Anfang an gut präsentieren.“

Bislang geht dieser Plan auf. „Es ist bemerkenswert, wie präsent Amadou schon ist“, hatte Trainer Daniel Thioune nach dem ersten und bisher einzigen Test gegen Rostock gelobt. Gefahr, dass der in Dakar geborene Teenager abhebt, scheint eher nicht zu bestehen. Er hat einen klaren Plan, wie er sagt. Wobei dieser Plan eher von denen stammt, die ihn nach Hamburg lotsten. Was ihn letztlich überzeugt habe, den Schritt hierher zu wagen? „Der HSV hat einen riesigen Verein mit einer sehr großen Stadt hinter sich. Die Verantwortlichen  - in diesem Fall Michael Mutzel und Jonas Boldt – haben mir einen sehr klaren Plan aufgezeigt, was sie mit mir vorhaben. Das hat mich völlig überzeugt.“ Wie der Plan aussieht? „Mich zu entwickeln, mich zu fordern. Und meine ersten Schritte im Profibereich so schnell wie möglich zu machen.“

 

 

Bei seiner frühen Unterschrift Anfang des Jahres durfte Onana noch darauf hoffen, hier in der Saison 2020/21 bei einem Erstligisten zu beginnen. Enttäuscht sei er aber nicht: „Klar hatte ich wie alle hier die Hoffnung, dass sie aufsteigen. Aber ich bin ein sehr positiver Typ und hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, Einsatzzeit zu bekommen. Die Entwicklung steht für mich im Vordergrund. Ich will meinen Schritt in den Profifußball gehen. Da ist für mich fast egal, ob erste oder Zweite Liga.“ Entscheidender als alles andere sei für ihn die sportliche Perspektive. Und die Art, wie sich die HSV-Verantwortlichen um ihn bemüht hätten: „Sie haben sich sehr früh um mich bemüht. Ein entscheidender Faktor war wirklich die hohe Wertschätzung, die ich empfunden habe.“

Bisher habe er alles richtig gemacht. Sagt Onana. Und sportlich kann ich das ebenso bestätigen wie auf das heutige Interview bezogen. Der 19-Jährige präsentiert sich so, wie man es sich von einem Talent erhofft. Wissbegierig, selbstbewusst genug – und vor allem fleißig. Sogar fleißiger als viele andere. Onana selbst fragt viel, informiert sich bei den älteren Mitspielern und weiß so meistens schon vorher, was auf ihn zukommt. Zum Beispiel, dass ihm im Trainingslager die allseits gefürchtete Mutprobe bevorsteht, vor versammelter Truppe singen zu müssen. Und es passt irgendwie in das bislang sehr stimmige Bild, das Onana abgibt, dass er auf die Frage nach seinen Hobbys unter anderem angibt: „Singen. Ich singe sehr gern.“

Onana ist auf alles vorbereitet - sogar aufs Singen

Am Nachmittag trainierten neben Onana und Co. übrigens auch die beiden zuletzt angeschlagenen Ewerton und Gideon Jung größtenteils mit, während Sonny Kittel individuell arbeitete. Zudem scheint die Personalie Simon Terodde kurz vor einem aus HSV-Sicht positiven Abschluss zu stehen. Aber dazu zu gegebener Zeit mehr. Ich melde mich morgen um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch und werde am Nachmittag im neuen CommunityTalk alle Fragen zusammen mit Kevin versuchen, zu beantworten.

Bis dahin!

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