Marcus Scholz

18. Januar 2018

Eigentlich hätte dieser eine Satz gereicht: „Fragen sie mich das doch nach dem Spiel“, antwortete Trainer Markus Gisdol heute gleich mehrfach, nachdem er alle Fragen nach seinem persönlichen Gemütszustand abzuwiegeln versuchte. Und ganz ehrlich, was soll er auch noch sagen? Er weiß doch besser als jeder andere, dass es nichts Richtiges gibt, was er in diesem Moment sagen kann. Alles wird gegen ihn verwendet und nach Möglichkeit auch als Schwäche oder Resignation ausgelegt, während das ganze Umfeld mehr darüber diskutieret, wer sein Nachfolger wird, als wirklich an einen Sieg und den Verbleib des HSV-Trainers zu glauben. Kurzum: Gisdol hat nichts mehr zu verlieren. Umso erstaunlicher war es für mich, dass der Trainer die heutige Trainingseinheit, die vorletzte vor dem wichtigen Spiel gegen den 1. FC Köln, kurzerhand vom Platz in den Kraftraum verlegte. Hanteln statt Passspiel – das trifft nicht wirklich das Problem dieser Mannschaft...

Nein, denn Kraft hat sie. Immer gehabt. „Wir wollen Mentalitätsspieler“, hatten der heute kranke (Gute Besserung!) Vorstandsboss Heribert Bruchhagen sowie Sportchef Jens Todt und Gisdol schon im Sommer betont, als Kyriakos Papadopoulos und Andre Hahn verpflichtet wurden. Und an Einsatz hat es dem HSV auch nicht gefehlt. Insofern wurde diese Ankündigung umgesetzt, während die fußballerische Durchschlagskraft unbeachtet, zumindest aber unterschätzt blieb. Auch deshalb war die Nachricht von Gisdol heute, dass der gerade 18 Jahre alt gewordene Jann-Fiete Arp wegen seiner Erkältung höchstwahrscheinlich auch gegen Köln ausfällt, ein Schlag in die Magengrube. Denn bis auf Arp machen derzeit keine anderen Angreifer Hoffnung auf Besserung...

Nicht minder hart treffen dürfte es die HSV-Anhänger, dass sich neben dem Abstiegskampf noch weitere, schmerzliche wie ärgerliche Dinge offenbar wiederholen. So hat Bayer Leverkusen mal wieder die Fühler nach einem HSV-Toptalent ausgestreckt und laut „kicker“ Interesse an einer Verpflichtung von Arp im Sommer. Nach Son, Calhanoglou und Tah mal wieder ein Vorstoß des finanziell potenten Werksklubs, dem HSV seine Toptalente abzujagen. Allein beim HSV, wo man weiterhin bemüht ist, den Vertrag mit Arp bis 2023 zu verlängern, will man von dem Interesse der Leverkusener noch nichts offizielles gehört haben. Ergo: Warten wir es ab.

Leverkusen nutzt mal wieder das Momentum für sich. Und so sehr mich diese Leichenfledderei gerade in diesem Fall auch ankotzt, sie gehört einfach dazu. Daher sollte hier niemand jammern geschweige denn den Fehler woanders suchen. Nein, Bayer macht alles richtig, wenn sie sich auf Arp stürzen. Sie nutzen die Schwäche des HSV und setzen ihre Stärken ein, um möglichst günstig an gute Spieler zu kommen. Hartes Fußball-Business, wo der Stärkere den Schwächeren frisst, wenn der sich nicht ausreichend wehren kann. Und so ehrlich müssen wir sein, dieser HSV ist hilflos. Finanziell nicht konkurrenzfähig, solange Kühne nicht eingreift. Und hilflos bei jungen Talenten, die auf eine gute sportliche Perspektive setzen. Denn die hat hier beim HSV seit 2009 nicht mehr gestimmt. Tendenz: Gleichbleibend schlecht bis schlechter.

Aber zurück zur Mannschaft, die heute nicht auf den Platz musste. Anstatt sich schon einmal daran zu gewöhnen, wie der tiefe Boden am Sonnabend gegen Köln sein wird, gab’s Krafttraining im Kabinentrakt und einen Lauf. Morgen soll noch einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert werden und Gisdol hat zumindest eine minimale Resthoffnung auf eine Rückkehr von Arp. Allerdings scheint dessen Einsatz am Sonnabend nahezu ausgeschlossen zu sein, wie Gisdol auf der Pressekonferenz heute sagte. Apropos, damit Ihr mal einen Vergleich habt, stelle ich Euch hier die Pressekonferenz der Kölner ein:

Mehr muss man heute nicht sagen. Die Stimmungslagen werden deutlich: Köln spricht von 17 Endspielen und der HSV-Trainer macht sich ein wenig lustig darüber, dass das Köln-Spiel schon wie „das gefühlt 25. Endspiel“ sei. Und auch diese verklärende Arroganz der immer dramatischer werdenden Situation gegenüber ist symptomatisch für den HSV. Sie zeigt noch einmal deutlich auf, weshalb der HSV völlig zurecht zum leichten Opfer der Leverkusener und zu einem potenziellen Direktabsteiger geworden ist. Köln ist gefühlt im Aufwind und trotz der weiterhin sechs Punkte Rückstand auf den HSV deutlich optimistischer, wenn nicht sogar der gefühlte Favorit am Sonnabend im Volkspark.

Aber okay, ich gehe da heute mal voll mit Gisdol, der betonte, dass es jetzt weniger darauf ankommen würde, was man sagt, sondern ausschließlich auf das, was man auf dem Platz abliefert. Und damit meinte er nicht heute, wo die Kölner trotz des Sturmes auf den Platz gegangen sind und trainiert haben, während der HSV auf Balltraining verzichtete.

Ich bin dann am Sonnabend nach dem Spiel gegen Köln wieder bei Euch. Morgen wird sich an dieser Stelle Lars bei Euch melden und darüber berichten, ob Arp nun dabei sein kann oder nicht.

 

Bis später,

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.