Marcus Scholz

12. Januar 2018

Die größte Frage, die sich vor dem Abschlusstrainings wie schon in der bisherigen kurzen Vorbereitungsphase stellte, schien eigentlich schon beantwortet zu sein. Und dennoch versuchten wir, mit genauem Hinschauen zu erkennen, wer am Ende die Nummer eins werden soll. Allerdings: Im Abschlusstraining war nicht viel zu erkennen. Pollersbeck als neue Nummer eins – oder bleibt doch alles beim Alten, nachdem die Vorbereitung keine neuen Aufschlüsse gegeben hatte? Die Antwort gab der HSV selbst. Via soziale Netzwerke verkündete man: „Die Entscheidung ist gefallen. Nach dem heutigen Abschlusstraining teilte Markus Gisdol unseren beiden Torhütern in einem persönlichen Gespräch mit, dass wir mit Julian Pollersbeck als Nummer 1 in die Rückrunde starten werden.“ Eine „Bauchentscheidung“ hatte es Trainer Gisdol noch nach Ende des Trainingslagers genannt.

Es ist wahrscheinlich die beste Entscheidung, die Gisdol treffen konnte. Und das nicht, weil bei uns rund 96 Prozent für Pollersbeck als neue Nummer eins stimmten. Nein, andersrum hätte es einfach nur Verlierer gegeben. Hätte Pollersbeck es wieder nicht zur Nummer eins geschafft, wäre er in Hamburg unter Gisdol erst einmal verbrannt, während Mathenia eine alte und neue Nummer eins wäre – allerdings kräftig angezählt. Zudem wären all diejenigen in der Kritik, die im Sommer teure vier Millionen Euro für das Torwart-Toptalent hingeblättert hatten.

Nein, die Torwartentscheidung schien schon vor der Winterpause vorentschieden. Sofern er keine großen Böcke schießen würde, würde Pollersbeck die neue Nummer eins. Dafür hatte Mathenia in der Hinrunde schlichtweg zu viele Fehler gemacht. Gerade in den letzten Spielen gegen Frankfurt und Gladbach noch mal so auffällig, dass Gisdol die T-Frage in den Raum stellte. Interessant daran: Mathenia selbst nimmt die Entscheidung sehr sportlich. Schon im Trainingslager war uns aufgefallen, dass der Trainer Pollersbeck mehr lobte als zuvor. Ganz im Gegensatz zu Mathenia, der in der Mannschaft zweifelsfrei das bessere Standing hat.

Und damit es hier gar nicht erst falsch ankommt: Die Entscheidung pro Pollersbeck ist nicht falsch. Mathenia hatte seine Chance in der Hinrunde und konnte sie nicht so nutzen, wie es sich der Trainer (und die Fans) gewünscht hatten. Mathenia selbst sagte sogar, dass es eine seiner schlechtesten Halbserien war. Weil er selbstkritisch ist – vor allem aber ein absoluter Teamplayer, der den Erfolg der Mannschaft vor seine eigenen Interessen stellt. Und das schreibe ich, weil es das so gut wie gar nicht mehr gibt und es gerade jetzt, wo sich alle bemüßigt fühlen, Mathenias Degradierung und Pollersbecks Beförderung abzufeiern, für Mathenia als Typ spricht. Aber wie gesagt, allein darum geht es nicht. Und wer weiß, vielleicht ist Pollersbeck am Ende ja einer der Gründe für einen Aufschwung und den daraus resultierenden Klassenerhalt. Es würde uns alle freuen. Übrigens auch Mathenia selbst.

Ansonsten musste Gisdol heute noch zwei schlechte Nachrichten hinnehmen. Nachdem seit Mittwoch klar ist, dass mit Albin Ekdal ein zentraler Mann wegen einer Innenbandläsion länger ausfällt, fallen jetzt auch noch Aaron Hunt und Fiete Arp aus. Während Hunt gestern schon wegen Knöchelproblemen kürzertreten musste, fiel Arp heute wegen einer stärkeren Erkältung aus und konnten die Reise nach Augsburg offenbar nicht mit antreten. Dass sie nachreisen, ist nahezu auszuschließen, auch wenn sich der HSV dazu offiziell noch nicht äußern wollte. Von daher sind bis auf Pfeiffer und Behounek tatsächlich alle Feldspieler aus dem mit nach Augsburg gereist, die gesund sind. Und zur Übersicht noch mal alle Ausfälle: Nicolai Müller, Bjarne Thoelke (beide Reha), Albin Ekdal (Innenband), Lewis Holtby, Walace (beide Knieprobleme), und wahrscheinlich auch Arp (Erkältung) sowie Hunt (Knöchel). Mit einer neuen Nummer eins und dem letzten Aufgebot geht es nach Augsburg.

Dass parallel auch vereinspolitisch größere Unruhe entsteht, war abzusehen. Die Präsidentenwahl im Februar auf der Jahreshauptversammlung mit den Kandidaten Jens Meier sowie dessen Herausforderer Bernd Hoffmann, der bis morgen Abend seine Kandidatur inklusive sein neues Präsidiumsteam eingereicht haben muss. Dazu kommen die finanziellen Sorgen, die den HSV tatsächlich ob eines vom Hamburger Abendblatt heute thematisierten Satzungsfehlers dazu bewegen könnten, bis zu 33,3 Prozent Anteile zu verkaufen. Übrigens: Starke Recherche, Kai Schiller!

Alles Unruhen, die der HSV so gar nicht brauchen kann, und die heute noch mal befeuert wurden durch einen laut Spiegel online bevorstehenden Deal mit dem langjährigen Partner SIPG (Shanghai International Port Group). Einen Deal, den Meier ob seiner geschäftlich engen Verbindungen als Chef der Hamburg Port Authority, zusammen mit HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein eingefädelt haben soll und der den HSV zusätzlich Prozente an der AG kosten würde. Da aber nur noch 1,09 Prozent bis zur Grenze von 24,9 Prozent zu veräußern sind, droht hier die Nutzung des Satzungsfehlers, für den heute niemand verantwortlich sein will. Hintergrund ist eine laut Aktienrecht mögliche Kapitalerhöhung, die zur Folge hätte, dass 33,3 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG nicht mehr beim HSV e.V. lägen.

Allerdings ist all das ein Konstrukt mit vielen Konjunktiven, die es eher unwahrscheinlich machen. Denn Voraussetzung für den Millionendeal ist entweder die Zustimmung der Vereinsmitglieder oder ein Teilrückkauf der an Kühne veräußerten Anteile, die dann teurer an die SIPG veräußert werden könnten. Zugegebenermaßen beides sehr unwahrscheinlich. Zudem dementiert der HSV derartige Gespräche offiziell und vehement. Schon deshalb will ich diesem Thema heute nicht mehr Beachtung schenken, so spannend dieses Thema auch noch werden wird.

Vielmehr hoffe ich darauf, dass der HSV mich trotz der schwierigen Vorzeichen morgen in Augsburg überrascht und tatsächlich Zählbares mitbringt. Denn nur sportlicher Erfolg kann dem HSV aktuell helfen, aus dem Strudel der Negativmeldungen herauszukommen. Daher mein Tipp, der zugegebenermaßen mehr der Hoffnung denn dem Glauben entsprungen ist: Pollersbeck hält in der 82. Minute einen Elfmeter und Bobby Wood trifft in der Schlussphase zum glücklichen, aber ob eines großen Kampfes verdienten Sieg. Es wäre zu schön.

In diesem Sinne, zumindest von uns noch eine tolle Nachricht für Euch:

Denn wir feiern unsere Rautenperle.TV-Premiere!

Wir melden uns im Anschluss an das Spiel endlich wieder mit Live-Talk nach dem Spiel zurück. Ab 17.45 Uhr melde ich mich mit meinen Gästen Mehdi Mahdavikia sowie dem Ex-HSVer und ehemaligen Augsburg-Profi Piotr Trochowski bei Euch und spreche über das Spiel und die Lage beim HSV im Allgemeinen. Ich freue mich riesig über diese Premiere unseres Rautenperle.tv. Auch wenn sie sich für mich eher wie eine lang ersehnte Wiederbelebung anfühlt...

Insofern, bis morgen! Euch allen einen schönen Fußballabend mit den Bayern gegen Bayer und vor allem einen erfolgreichen Auftritt des HSV morgen in Augsburg.

Bis dahin,

Scholle

 

So könnte der HSV in Augsburg beginnen:

Pollersbeck - Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Santos - Sakai, Jung - Hahn, Salihovic, Kostic - Wood

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