Tobias Escher

14. Mai 2019

Hannes Wolf hat bereits in den vergangenen Wochen taktisch viel ausprobiert – um es positiv zu formulieren. Woche für Woche schickte er eine neue Elf in einer neuen Formation auf das Feld, stets von der Hoffnung beseelt, dieses Mal die richtige Variante gefunden zu haben. Selten waren seine taktischen Wechsel katastrophal, oft brachten sie dem Team sogar eine gewisse defensive Stabilität. Doch die großen Schwächen des Teams – das Kreieren von Torchancen sowie das Aufbäumen nach Rückständen – bekam Wolf nicht behoben.

Nun stand das entscheidende Saisonspiel gegen Paderborn an. Wolf entschied sich abermals dafür, seine Mannschaft komplett umzubauen. In der Abwehr stellte er eine Fünferkette auf; diese Variante  hatte den HSV im Pokal-Viertelfinale zu einem Sieg über Paderborn geführt. Überraschend war hingegen die personelle Besetzung: Dadurch dass David Bates aus der Versenkung zurückkehrte, agierte der HSV mit drei Innenverteidigern, die so noch nie zusammengespielt haben.

Das war nicht die einzige unerwartete taktische Entscheidung. Gotoku Sakai begann auf der Linksverteidiger-Position; eine Position, die er in dieser Saison erst einmal gespielt hat. Douglas Santos wiederum startete erneut im Mittelfeld. Diesmal agierte er allerdings nicht als Sechser wie zuletzt, sondern lief als Zehner auf hinter einem Doppelsturm aus Pierre-Michel Lasogga und Bakary Jatta. Ganz schön viel Veränderung für ein entscheidendes Saisonspiel.

Enge Partie mit vielen Zweikämpfen

Das neu zusammengestellte HSV-Team konnte dem Gegner zumindest in der Anfangsphase Paroli bieten. Wolfs taktische Anweisungen machten durchaus Sinn: Paderborn überzeugt in dieser Saison mit aggressivem, pfeilschnellem Fußball. Aus ihrem nominellen 4-4-2-System versuchen sie, die eigenen Stürmer möglichst direkt zu bedienen. Auch die tororientierten Außenstürmer schalten sich immer wieder ins Offensivspiel ein; häufig entsteht ein 4-3-3 oder gar ein 4-2-4.

Auf die Stärken des Paderborner 4-4-2-Systems fand Wolf gute Antworten. Die Fünferkette konterte das gegnerische Spiel in die Tiefe. Douglas Santos konnte als Zehner wiederum den gegnerischen Sechser Philipp Klement aus dem Spiel nehmen. Er ließ sich bei Paderborn gewohnt weit zurückfallen, um das Spiel zu gestalten. Santos ließ ihn jedoch nicht zur Entfaltung kommen.

Offensiv blieb das HSV-Spiel Stückwerk – wie so oft in den vergangenen Wochen. Die Doppelsechs hatte wenig bis keine Präsenz im Spielaufbau. Der Ball musste häufig direkt aus der ersten in die letzte Linie gespielt werden. Dort fehlte jedoch ein Spieler, der Bälle hält und weiterverarbeitet. Santos versuchte nach und nach, den Spielaufbau zu tragen; er ließ sich weit zurückfallen. Doch auch das half wenig gegen die kompakten Viererketten des Gegners.

Taktische Aufstellung SCP-HSV

 

Fehler und fehlende Eingespieltheit

Nach 25 Minuten waren alle positiven Ansätze zunichte gemacht. Vor Vasialidis' Treffer zum 0:1 bekam der HSV gnadenlos vorgeführt, wie wenig eingespielt die eigene Abwehr war: Als Mohammed Dröger im Vollsprint Kai Präger hinterlief, fühlten sich gleich drei Hamburger zuständig, Dröger zu verfolgen. Niemand attackierte Präger, der in den Strafraum ziehen und unbedrängt abschließen konnte. Mickel ließ den Ball klatschen, Vasiliadis musste nur einschieben.

In der Halbzeit-Pause versuchte Wolf noch einmal, taktisch auf sein Team einzuwirken. Aaron Hunt kam und übernahm Santos' Position auf der Zehn. Der wiederum rückte ins zentrale Mittelfeld, Gideon Jung übernahm den Verteidiger-Posten des ausgewechselten Bates. Ein Fehlpass von Santos und das katastrophale Zweikampfverhalten der Innenverteidiger machten die Träume von einer schnellen Aufholjagd zunichte. 0:2.

In der Folge gab es tatsächlich ein kleines Aufbäumen des HSV. Das erfolgte nach der Devise: Alle Mann nach vorne! Die Außenverteidiger hielt nun nichts mehr hinten, auch Santos rückte weit auf. Als Absicherung verblieb meist nur die Dreierkette plus Vasilije Janjicic. Nach dem 1:2 (71.) löste Wolf die Dreierkette auf und schickte mit Manuel Wintzheimer (für Gideon Jung) einen weiteren Stürmer auf das Feld. Der HSV stand nun defensiv vollkommen offen. Das war eine willkommene Einladung für die konterstarken Paderborner. Diese ließen sich die Gelegenheit nicht nehmen und schraubten das Ergebnis auf 4:1 hoch.

Fazit und Ausblick

Wolf hatte gegen Paderborn mal wieder etwas Neues probiert – und mal wieder ist er gescheitert. Zumindest in den ersten zwanzig Minuten hat die neue Variante defensiv gut funktioniert. Nach dem unnötigen Rückstand traten die Probleme in der Offensive zum Vorschein. Der HSV schießt in dieser Saison einfach zu wenig Tore. Ihnen fehlt das Rüstzeug, um nach Rückständen ins Spiel zurückzufinden – fußballerisch, taktisch, aber auch mental und vom Teamspirit her.

 

Für gewöhnlich enden meine Taktikanalysen mit einem Ausblick auf das kommende Spiel. Vor der Partie gegen Duisburg dürfte dies obsolet sein; es geht nur noch darum, ob die Duisburger den HSV auf den letzten Platz der Rückrunden-Tabelle katapultieren. Dort könnten sie mit einer Niederlage gegen den feststehenden Absteiger nämlich landen.

FAQs

 
 

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