Marcus Scholz

12. Januar 2020

Das Wichtigste vorweg: Es heißt „Loui Schaub“. Soll heißen, das „S“ in Louis wird zwar geschrieben, aber nicht mit ausgesprochen. Und: Er ist pünktlich am Gate C08 angekommen, kann also die nächsten sieben Tage im Trainingslager intensiv dazu nutzen, seine neuen Mannschaftskollegen besser bis gut kennenzulernen. Seinen Einstand wird er – das bringen die ersten Trainingslager für Zugänge zumeist so mit sich – wahrscheinlich an einem der nächsten Abende geben müssen. Üblich ist dabei, dass der/die Neuen am Teamabend singen. „Die Jungs werden mir das schon schnell sagen, da bin ich sicher“, sagt Schaub, der auch gleich einen HSV-Klassiker singen könnte: „Hamburg meine Perle“.

Es wäre der Song, den er im Sommer 2019 in der Kabine in Köln gehört hatte, als er den Sprung in die Erste Liga feierte. Heute, ein halbes Jahr später, ist Schaub wieder da. Wieder in der Zweiten Liga, nachdem ihn Kölns Trainer Markus Gisdol aussortiert hatte. Bitter für Schaub, den der HSV schon 2015 nach Hamburg holen wollte. „Es ist nie schön, wenn man vom aktuellen Team hört, dass man nicht mehr so gebraucht wird“, blickt der 25-Jährige zurück. Ob es ihm Gisdol, der bekannt für derartige Streichungen bei Amtsantritt ist, persönlich mitgeteilt hat? Schaub überlegt kurz. Das Thema ist nicht das, worüber er gern spricht.  „Mir ist das dann mitgeteilt worden.“ Mehr wolle er dazu aber auch nicht mehr sagen. Warum auch? Ein neues Kapitel beginnt und Schaub blickt nach vorn.

Schaub war schon mal in Hamburg - jetzt bleibt er

Bis Saisonende ist er jetzt an den HSV ausgeliehen. Sollte der HSV aufsteigen, könnte der HSV ihn für die festgeschrieben Ablösesumme von etwas weniger als drei Millionen (die Rede ist von 2,6 bis 2,8 Millionen) Euro fest verpflichten. Das hatte in Köln gestern und am Freitag noch einmal zu internen Diskussionen geführt. Wie schwierig die Gespräche mit dem Erstligisten waren? „Nicht wirklich schwer“, sagt HSV-Sportvorstand Jonas Boldt. „Der Kontakt zu Horst Heldt  (1.FC-Köln-Manager, d. Red.) funktioniert ja. Der besteht schon ewig und ist auch positiv.“ Zudem habe Schaubs Berater schon wichtige Vorgespräche geführt, ehe der HSV in die Verhandlungen eingestiegen sei. Boldt: „Am Ende waren wir uns dann recht schnell einig, ihn bis Saisonende auszuleihen mit der Möglichkeit, ihn zur nächsten Saison zu verpflichten.“ Und auch Schaub sagt, dass er beim HSV-Angebot nicht lange habe überlegen müssen. Obgleich er nach dem mühevollen Aufstieg letzte Saison dadurch wieder  eine Liga tiefer spielen wird. „Der HSV ist ein richtig geiler Verein mit super Fans. Auf den ersten Blick vielleicht ein Rückschritt – aber ich sehe es nicht so. Wir können ja auch selbst schauen, dass wir wieder in die Erste Liga kommen.“

 

Dass es bis dahin noch ein weiter Weg wird, wissen alle. Auf der (außergewöhnlich harmonischen Mitgliederversammlung) am Sonnabend hatten sowohl Trainer Dieter Hecking als auch die Vorstände wiederholt gesagt, dass man sich hier nicht verrückt machen lassen dürfe, sondern immer den Fokus behalten müsse. Und auch Schaub mahnt diese Form der Geduld an. Er wisse um die Drucksituation, die in Köln letzte Saison nicht anders als beim HSV gewesen sei: „Die Erwartung ist dieses Jahr hier beim HSV nicht kleiner geworden. Aber ich bin guter Dinge, dass wir das auch erreichen. Der HSV ist ein großer Traditionsverein, der in die Bundesliga gehört. Das weiß jeder. Wir müssen schauen, dass wir das dann auch hinbekommen.“

Schaub nutzt die Tage in Lagos zum Kennenlernen

Bis dahin aber stehen jetzt erst einmal sieben harte Trainingstage in Portugal bzw. am kommenden Sonntag beim Test in Basel an. Sein Debüt im HSV-Trikot mit der Nummer 20 dürfte Schaub am Donnerstag beim Test gegen den südkoreanischen Erstligisten FC Seoul feiern. „Ich freue mich, dass ich im Trainingslager schon dabei bin“, sagt Schaub und dürfte mit diese Freude aufs Trainingslager, das die meisten Fußballer eher als notwendiges Übel erachten, relativ exklusiv haben. Aber seine Situation ist dann doch noch mal eine andere: „Mir geht’s darum, dass ich schnell integriere. Dass ich dann relativ schnell verstehe, was der Trainer von uns verlangt. Ich hoffe schon noch, dass ich dann auch meine Einsätze bekomme.“

Schaub wirkt ebenso zuversichtlich, was die Entwicklung des HSV betrifft, wie es die hiesigen Verantwortlichen sind, wenn sie über ihre letzte Neuverpflichtung sprechen. Wie denn die Gespräche vor allem mit dem neuen Trainer Dieter Hecking gelaufen sind? Schaub lächelt: „Die Gespräche waren sehr positiv. Es war wichtig zu wissen, wie der Trainer spielen will. Ich habe das Gefühl, dass ich da gut reinpassen kann.“ Vor allem aber war das nachhaltige Bemühen des HSV wie Balsam auf seine in Köln gerade ramponierte Seele. „Ich habe auf jeden Fall immer das Gefühl gehabt, dass man mich hier unbedingt haben wollte.“

 

Wobei Schaub den HSV eh schon etwas besser kennt.  2015 hatte sich der HSV schon stark für ihn interessiert. Der damalige Sportchef Peter Knäbel war nach Wien gereist und hatte Schaub beobachtet. Anschließend luden die HSV-Verantwortlichen den jungen Österreicher nach Hamburg ein, wollten ihn hier zum Wechsel zum HSV überzeugen. Damals erfolglos. Diesmal hat’s geklappt. „Ich war damals schon einen Tag in Hamburg, habe alles kennenlernen dürfen und es danach auch immer etwas verfolgt. Ich weiß, dass der HSV ein geiler Verein ist. Deshalb habe ich nicht lange überlegen müssen.“

Harnik und Hinterseer sollen Schaub helfen

Es passt auf den ersten Blick alles für Schaub. Zumal hier in Hamburg mit Martin Harnik und Lukas Hinterseer schon zwei Österreicher im Team stehen, die ihm die Eingewöhnung ein wenig erleichtern können. „Mit Luki (Lukas Hinterseer, d. Red.) hatte ich kurz Kontakt. Er wollte eigentlich nur wissen, was ich mache, als das Ganze entstanden ist. Aber er kann mir ja in den nächsten Tagen noch mehr erzählen.“ Zudem will Schaub schnellstmöglich seine Familie nachholen. Ob er sich eine feste Unterkunft suche oder erst einmal im Hotel wohnen bleiben würde? „Es ist schwer. Kein Vermieter freut sich, wenn ich ihm sage, dass ich nur ein Leihspieler bin. Aber wir werden da schon in den nächsten Wochen eine Lösung finden. Ich will meine Familie auf jeden Fall so schnell wie möglich nachholen. Ich will keine Fernbeziehung führen. Mir ist es sehr wichtig, meine Freundin und meinen Sohn jeden Tag bei mir zu haben.“

Was aber zeichnet Schaub sportlich aus? Der ehemalige Kölner Manager und Ex-HSV-Trainer Armin Veh hatte Schaub auch hier bei uns schon ausführlich gelobt und den HSV zum Transfer vorauseilend gratuliert. Schaub sei ein „richtig guter Typ, auf wie neben dem Platz“, so Veh. Und der Österreich-Experte Peter Linden hatte Schaub sportlich sogar als „fast schon zu gut für den HSV“ bezeichnet. Selbst Boldt spart nicht mit Vorschusslorbeeren. „Er hat ein sehr, sehr gutes Auge für den finalen Pass und einen sehr, sehr guten Abschluss. Durch seine technischen Möglichkeiten hat er die Flexibilität Situationen auf engem Raum zu klären.“

Schaub - ein Glücksfall für den HSV?

Ja. Sage ich gern noch einmal. Zumal unter den oben beschriebenen Bedingungen, die das finanzielle Risiko minimieren. Schaubs Verpflichtung auf Leihbasis mit Kaufoption ist auf Zweitligaebene aus meiner Sicht optimal. „Wir konnten es erst gar nicht glauben, dass so ein Spieler auf den Markt kommt, weil wir ihn für fußballerisch sehr, sehr stark halten“, sagt dann auch Boldt und fügt hinzu: „Er hatte insbesondere letztes Jahr in Köln ganz großen Anteil, dass der FC aufgestiegen ist. Wir erhoffen uns durch ihn einen deutlich breiteren, flexibleren Kader und mit seinen Offensivqualitäten gerade gegen tief stehende Gegner noch einmal einen neuen Impuls.“

Vieleicht bringt Schaub ja genau den Impuls mit, den der HSV vor fast genau einem Jahr zu setzen verpasste und damit am Ende auch den Aufstieg verspielte. Schaub weiß jedenfalls, wie man aufsteigt. Wie wichtig diese Erfahrung sei? Boldt: „Wir erhoffen uns schon einiges davon, dass er genau diese Situationen schon mal mitgemacht hat und seine Erfahrungen hier auch einbringen kann.“

Weitere Neue sollen folgen - alles ohne Hektik

Apropos Boldt und Neuzugang: Der HSV-Sportvorstand hätte den heutigen Flug mit der Mannschaft fast verpasst. Zumindest war lange Zeit nicht klar, ob er es rechtzeitig schaffen würde, da noch Termine im Büro anstanden. Ob man denn in den nächsten Tagen noch weitere Neue erwarten dürfe?  „Wir haben immer gesagt, dass wir den Markt prüfen“, weicht Boldt gewohnt zurückhaltend aus, wenn es um Neue geht. Man werde ruhig bleiben und eben solche unerwarteten Chancen wie bei Schaub nicht mit aktionistischen Verpflichtungen die Tür verfrüht zumachen. Boldt erklärt das HSV-Vorgehen: „Die ganzen Gerüchte gab es seit November ja auch immer wieder – der Name Schaub war aber nicht dabei. Irgendwann geht dann doch eine Tür auf - und da schlagen wir dann zu. Ob sich da in den letzten drei Wochen noch was ergibt, werden wir sehen.“

Zuzutrauen wäre es dem HSV allemal. Zumal die Verantwortlichen auf mich einen insgesamt sehr klaren Eindruck machen. Sowohl nach Siegesserien wie auch zuletzt, wo es sportlich hakte. Man weiß, dass die Hinrunde trotz des starken Starts nicht optimal verlaufen ist. Vor allem aber weiß man, woran das lag – und daran wird gezielt gearbeitet. So, wie jetzt mit dem österreichischen A-Nationalspieler Louis Schaub, der dem HSV offensiv zu noch mehr Flexibilität verhilft und selbst einen langen Ausfall von Aaron Hunt sogar kompensieren könnte.

 

Und, das muss auch noch einmal erwähnt erden: Mit einer nominell qualitativ so hochwertigen Verpflichtung wie der von Schaub auf der Position des Kapitäns setzt man auch nach innen noch einmal das Zeichen, dass sich hier wirklich gar niemand zu sicher sein darf. Weil der Leistungsgedanke beim HSV endlich wieder über allem und allen steht. So, wie es bei einem Verein sein muss, der große Ziele verfolgt.

In diesem Sinne, bis später! Da melden wir uns dann noch einmal aus dem Hotel, sofern wir nicht zu spät ankommen. Vielleicht schaffen wir es sogar, Tom Mickel heute Abend noch zu einem ersten Tagebucheintrag zu bekommen. Wobei das ob der Abendplanung beim HSV (Abendbrot, Teambesprechung) recht eng wird.

Scholle

 

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