Tobias Escher

3. April 2019

Hannes Wolf warf im Pokal-Viertelfinale gegen Paderborn Kyriakos Papadopoulos einfach mal ins kalte Wasser. Das Startelf-Debüt des Griechen in dieser Saison führte zu einigen taktischen Veränderungen, was dem HSV-Spiel durchaus guttat. Unsere Taktikanalyse.

Langweilig wird es beim Hamburger SV bekanntlich nie. In dieser Saison gilt das auch aus taktischer Sicht. Christian Titz und Hannes Wolf gehören zu den flexibleren Trainern des Landes. Wolf hat nach den zuletzt eher schwachen Spielen gegen Darmstadt (2:3) und Bochum (0:0) mal wieder seinen Plan über den Haufen geworfen. Im Pokal-Viertelfinale beim SC Paderborn brachte er den nach langer Verletzungszeit wieder genesenen Papadopoulos von Beginn an. Das hatte gleich mehrere taktische Veränderungen zur Folge.

Dreierkette in der Abwehr

Die auffälligste Veränderung war die neu formierte Abwehrreihe: Papadopoulos ersetzte nicht etwa einen angestammten Innenverteidiger, er gesellte sich als zentraler Verteidiger einer Dreierkette zu David Bates und Rick van Drongelen. Vor der Abwehrkette stellte Wolf in Orel Mangala und Gideon Jung eine Doppelsechs auf. Davor wiederum agierte Lewis Holtby als Zehner hinter einem Doppelsturm aus Pierre-Michel Lasogga und Bakary Jatta. Die Formation glich damit einem 3-4-1-2.

Diese taktische Neuorganisation krempelte das HSV-Spiel merklich um. Vor allem waren die Hamburger im Pressing anders organisiert. Während sie zuletzt eher aus einem hohen Mittelfeldpressing agierten, suchten sie in Paderborn den Zugriff weit in der gegnerischen Hälfte. Lasogga und Jatta liefen in vorderster Linie den Gegner an und lenkten ihn auf die Flügel. Holtby sicherte dahinter das Zentrum ab.

Hamburgs Pressing funktionierte überraschend gut, wenn man bedenkt, dass die Spieler das System so zum ersten Mal gespielt haben. Gerade Jatta beeindruckte als Dauersprinter in vorderster Linie. Er setzte die gegnerische Abwehr immer unter Stress. Auch das Nachrückverhalten der Doppelsechs und der Außenverteidiger stimmte. Der HSV hielt den Druck selbst dann hoch, wenn die erste Pressinglinie überspielt war. Auch nachdem van Drongelen bereits nach 26 Minuten verletzt das Feld verlassen musste, veränderte dies nicht die Statik des HSV-Pressings. Jung übernahm van Drongelenes Position, der eingewechselte Vasilije Janjicic rückte auf die Doppelsechs.

Paderborn versuchte zwar, sich spielerisch zu befreien gegen das hohe Pressing der Hamburger. Philipp Klement ließ sich aus dem zentralen Mittelfeld immer wieder leicht fallen, um sich in den Spielaufbau einzuschalten. Holtby reagierte in diesen Momenten jedoch hellwach. Gegen den hohen Druck der Hamburger blieb den Paderbornern meist nur die Möglichkeit, den Ball lang zu schlagen. In diesen Situationen griff die neu formierte Dreierkette ein: Der HSV sicherte Zuspiele in die Tiefe und hohe Bälle dank des zusätzlichen Verteidigers gut ab. Sie waren gegen Paderborns Doppelsturm überlegen.

Taktische Aufstellung SCP-HSV

 

Paderborn setzt HSV-Abwehr unter Stress

Der HSV war an diesem Abend jedoch nicht das einzige Team, das mit einem aggressiven Pressing überzeugte. Paderborn begeistert schon die gesamte Saison über mit einem aggressiven, vorwärtsgerichteten Stil. Die Mannen von Trainer Steffen Baumgart verteidigten gegen den HSV in einem 4-4-2-System, das durch die vorgeschobene Rolle der Außenstürmer häufig zum 4-2-4 wurde. Auch sie setzten den HSV früh unter Druck.

Die Hamburger wollten das Pressing der Paderborner vor allem über die linke Seite umspielen. Jatta bewegte sich von seiner Stürmer-Position häufig auf die linke Außenbahn; jenen Raum also, den er als gelernter Außenstürmer am Liebsten beackert. Der HSV versuchte, ihn mit langen Bällen direkt hinter die Abwehr zu schicken. Alternativ schufen Santos und Mangala mit Jatta Überzahlen.

Einige Durchbrüche konnte der HSV über die linke Seite erzielen, ohne sich dadurch jedoch große Chancen herauszuarbeiten. Paderborns Endverteidigung war an diesem Abend stark, es war immer ein Paderborner zur Stelle, der sich mit letzter Entschlossenheit in Hereingaben oder Schüsse hineinwarf. Dazu schoben sie teils weit auf eine Seite raus. Manchmal verpasste es der HSV in diesen Situationen, mit einem Flügelwechsel die freie Seite zu finden.

54 Minuten lang war es ein umkämpftes, enges Spiel. Ein Standard brachte den HSV letztlich auf die Gewinnerstraße. In der letzten halben Stunde musste Paderborn weiter und weiter aufmachen. Baumgart löste die Viererkette auf und stellte zunächst auf ein 3-5-2-System, später auf ein enorm offensives 3-3-4 um. Nachdem der HSV die entstehenden Konterräume früh zur 2:0-Führung ausgenutzt hatte (68.), konzentrierten sie sich vor allem auf die Defensive. Der HSV erwartete Paderborn nun in einer tieferen 5-2-1-2-Ausrichtung. Mit Erfolg, wie das 2:0-Endergebnis beweist.

Leistung, auf die der HSV aufbauen kann

Ob dieser wichtige Pokal-Erfolg auch ein Zeichen senden kann für die Liga? Zuletzt hat sich der HSV vor allem defensiv stabilisiert. Gegen Bochum verteidigte der HSV massiv, gegen Paderborn beeindruckte vor allem das Pressing. Nun trifft man jedoch auf einen Gegner, der defensiv sogar noch einen Tick besser agiert als der HSV: Magdeburg hat unter Ex-HSV-Coach Michael Oenning im Kalenderjahr 2019 gerade einmal sechs Tore in neun Partien kassiert. Oennings enorm enge Raute treibt Gegner zur Verzweiflung, die durch das Zentrum angreifen wollen. Teils ziehen sie sich sogar in einer engen Sechser-Abwehr zurück.

Gegen einen derart defensiv eingestellten Gegner dürfte dem HSV die eigene Kompaktheit wenig nutzen. Am Montagabend sind wieder verstärkt Lösungen im Ballbesitz gefragt. Mal schauen, was sich Wolf in dieser Woche ausdenkt. Es wird eben nie langweilig beim Hamburger SV.

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