Marcus Scholz

26. September 2020

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als Rafael van der Vaart den HSV unbedingt verlassen wollten gen Valencia. Ausgerechnet der Kleine Engel, dessen Karriereknick in den Niederlanden mit dem Wechsel zum HSV ein Happy-End nah. Er führte den HSV in der Bundesliga in die Spitzengruppe, blühte in der niederländischen Nationalmannschaft auf und schien einer der glücklichsten Menschen der Welt zu sein. Er war es, der bei seinen Toren immer wieder die Raute auf dem Trikot küsste und von Hamburg als seine neue „Heimat“ sprach. Es schien alles so unerschütterlich – und dann das! Ein Skandal, der sich mit einer ominösen Rückenverletzung steigerte.

Oder anders formuliert: Der Profifußball zeigte sich in Hamburg von seiner hässlichsten Seite. Zurecht waren die HSV-Fans enttäuscht. Zurecht äußerten sich die damaligen HSV-verantwortlichen enttäuscht. Zumal es weitere solcher Fälle gab (Boulahrouz‘ Verletzung vor seinem England-Wechsel etc.). Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich damals für einen Artikel im Abendblatt ungewöhnlich viele Leserbriefe bekam, in denen meine Meinung zu den Vorfällen aufs Schärfste kritisiert worden war. Hintergrund: Ich hatte geschrieben, dass man das Verhalten der Spieler sehr wohl verurteilen darf, dass man sich aber als Verein selbst nicht echauffieren sollte.

Denn andersrum hatte man so ein Verhalten immer wieder gutgeheißen, wenn es darum ging, ein Spieler zum HSV kommen sollte. Und damit komme ich zu dem Punkt von heute. Denn aktuell steht der HSV unmittelbar vor der Verpflichtung von Maximilian Rohr, der sich bei Carl Zeiss Jena gerade mit einer Art Streik aus seinem noch ein Jahr laufenden Vertrag für den HSV freipressen will. Nachdem der HSV sich mit Rohr einig war konnten sich die Vereine nicht auf eine Ablösesumme einigen. Jena forderte dem Vernehmen nach 500.000 Euro, der HSV bot 100.000. Sehr zum Ärger des Spielers, der unbedingt nach Hamburg wechseln will und daraufhin kurzerhand seine Dienste für den Drittligisten verweigert.

In der laufenden Saison absolvierte der 25-Jährigeerst zwei von möglichen acht Spielen für Jena in der Regionalliga Nordost, sein letzter Einsatz datiert vom 3. Spieltag (29. August). Zuletzt war Rohr mit dem Kopf nicht mehr vollständig in Jena, hing sich für seinen Klub nicht mehr richtig rein, heißt es. Trainer Dirk Kunert verzichtete aus diesem Grund gleich dreimal in Folge auf die Nominierung des potenziellen HSV-Zugangs. Am Mittwoch gegen Chemie Leipzig und am Samstag gegen den FSV Luckenwalde fehlte Rohr nun krankheitsbedingt.

Nachtigall, ick hör dir trapsen…

Es wird so kommen, das Rohr in Hamburg aufschlägt – behaupte ich. Und so hatten es die Kollegen ja auch in den letzten Tagen schon berichtet. Und wenn stimmt, was ich aus Jena gehört habe, dann bekommt der HSV einen Innenverteidiger mit einer Menge Potenzial. Ob er dann letztlich wie angekündigt in der U21 beginnt oder nicht – scheißegal. Klar ist, dass der HSV ihn nicht geholt hätte, wenn man in ihm nicht das Potenzial zum Bundesligaspieler sehen würde. Fakt ist aber auch, dass man mit diesem Transfer genau das fördert, was man früher verteufelt hatte.

Dieses „Freipresse“ durch Spiel-Boykott durch Krankschreibung und anderer Mittel ist schäbig. So oder so. Dass sich in Jena tiefer Frust breitmacht und man dort tatsächlich überlegt hatte, lieber auf das so dringend benötigte Geld zu verzichten als sich so vom Spieler vorführen zu lassen ist das eine. Das andere ist, dass der HSV einen Spieler holt, der diesen Weg der Verweigerung schon einmal gegangen ist. Was also darf man sagen, wenn ein Spieler diesen Weg hier wählt? Richtig: Gar nichts!

 

Ich weiß, dass Bundesligafußball Geschäfts- und Oberligafußball Hobby-Faktor haben. Aber eines haben sie beide gemeinsam: Es geht immer um Menschen, die möglichst viel Geld verdienen, in möglichst guten Mannschaften spielen und/oder ligatechnisch so hoch es geht kommen wollen. Und dafür werden ganz ober wie weiter unten in den Ligen Verhandlungen geführt. Wen  mit als kleinen Oberligamanager ein Spielerabsagt, weil er bei seiner nominell schwächeren, tiefer spielenden Mannschaft für weniger Geld bleiben wolle, weil er dort im Wort steht (er könnte rechtlich also weg!), dann steht dieser Spieler bei mir auf dem Wunschzettel ganz oben. Nicht für den Moment, in dem ich seine Entscheidung selbstverständlich akzeptiere. Aber sehr wohl für das Jahr danach, für das ich mein Interesse gleich hinterlege. Denn bei ihm weiß ich, dass sein Wort zählt. Auch dann, wenn er es woanders besser haben könnte.

Der Rohr-Wechsel hätte ein Geschmäckle..

Andersrum gestaltet sich das bei Spielern, die bei ihrem Klub im Wort stehen und das auch unumwunden zugeben, während sie mir sagen, dass sie den Wechsel zu uns nach Niendorf schon irgendwie hinbekommen würden. Diese Spieler lehne ich ab. Selbst für den Fall, dass sie sportlich eine maximale Verstärkung sein können. Und darin liegt der Unterschied zwischen Hobby- und Profibereich: Denn  im Profibereich zählt man immer nur selbst. Da interessieren Vereinbarungen nur solange, wie sie die eigenen sind. Der Rest ist ein bedingungsloser Kampf um die besten Spieler.  Siehe früher van der Vaart – und heute eben Rohr. Wobei sich in diesem Vergleich auch noch mal verdeutlicht, wo der HSV mal war und wo er heute ist… Aber das ist ein anderes Thema.

Vielmehr ziehe ich hier ein Fazit: Wenn Rohr wie erwartet kommt, sollten alle diejenigen mit aufhören, von den HSV-Profis hundertprozentige Identifikation zu fordern, die diesen Wechsel kommentarlos akzeptieren. Vom Vorstandsboss über die Mannschaft, das Team ums Team bis hin zum kleinsten Fan. Ich bin der Überzeugung, dass ich immer das bekomme, was ich säe. Zumindest darf ich mich über so ein Vorgehen nicht einerseits beschweren, wenn ich es  andersrum dulde. Und damit wisst ihr auch, was ich meine, wenn ich sage, dass der Rohr-Wechsel (völlig unabhängig vom sportlichen Wert!!) mächtig Geschmäckle hat.

Mächtig wenig zu sehen war heute beim HSV, der im Stadioninneren trainierte und nur zu ein paar Abschlussübungen noch auf die Außenplätze ging. Wer letztlich am Montag beim nächsten Spiel in Paderborn im Kader sein wird und wie Trainer Daniel Thioune spielen will – dazu morgen mehr!

Scholle

 

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