Christian Hoch

15. März 2020

Niemand kann heute sagen, was morgen noch gilt. Gefühlt gibt es im Sekundentakt neue Entwicklungen rund um das Coronavirus, die vor allem das öffentliche Leben von uns allen, aber natürlich auch den Fußball betreffen - und damit auch den HSV. Doch klar ist: Sowohl der gesamte Sport, Fußball und der HSV haben sich den Entscheidungen der Verantwortungsträger in der Politik unterzuordnen. Bereits am Samstag berichteten wir von den ersten Maßnahmen, die der HSV eingeleitet hat - diesbezüglich gibt es auch keinen neuen Stand. Wir informieren euch deswegen über die generelle Lage im Blog. Weil es unsere Pflicht ist und wir euch mit unseren gewissenhaft recherchierten Informationen versorgen wollen. 

„Macht doch einfach mal Pause.“ Diesen Satz gab es teilweise von euch als Reaktion auf den Blog von Samstag, in dem wir euch über die Maßnahmen nach dem Liga-Stopp durch das Coronavirus beim HSV informiert haben. Ehrlich gesagt: Wir haben intern genau darüber auch diskutiert. Wie viel Sinn ergibt es, in diesen Tagen Wasserstandsmeldungen abzugeben? Welche Informationen sind relevant, welche nicht? Doch auch als HSV-Informationsportal und vor allem als Journalisten ist es unsere Pflicht und auch unser Anspruch, euch über den aktuellen Stand mit unseren recherchierten Informationen zu versorgen. 

Andreas Rettig ist 56 Jahre alt. 30 seiner Lebensjahre hat er sich dem Fußball verschrieben - und das in diversen Funktionen. Er war Sport-Verantwortlicher beim SC Freiburg, dem FC Augsburg, dem FC St. Pauli. Von 2013 bis 2015 war Rettig zudem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und damit genau in derselben Position, die aktuell Christian Seifert - der Mann, der letztlich über das weitere Vorgehen in Bezug auf Bundesliga und Zweite Bundesliga entscheidet - bekleidet. Andreas Rettig hat sich vergangenes Jahr zu dem Schritt entschieden, aus Verantwortungspositionen im Profifußball zurückzutreten. Er wollte seiner Familie und vor allem auch seiner Frau etwas zurückgeben, die in der Vergangenheit oftmals zurückstecken mussten. Wir erreichen Rettig am Telefon bei einer privaten Veranstaltung. 

Rettig: EM-Austragung nicht möglich 

Für den ehemaligen Fußball-Funktionär ist eines definitiv klar: In den kommenden Wochen und Monaten wird es keine Spiele geben. Aktuell hat die DFL bekanntgegeben, bis zum 2. April den Spielbetrieb auszusetzen. Doch dieses Datum ist auch für Rettig nur ein Platzhalter für die aktuellen Entwicklungen. Klar ist: Virologen schätzen die Lage aktuell in der Form ein, dass Anfang April noch wesentlich mehr Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sein werden als aktuell. Die Prognosen insgesamt besagen, dass generell zwei Drittel der Gesamtbevölkerung in Deutschland mit dem Virus in Kontakt kommen werden - bei rund sechs Prozent, also einer Million Menschen, soll der Krankheitsverlauf zu einer Intensivbehandlung führen. Wie soll also der Profi-Fußball mit der aktuellen Situation umgehen? Rettig vertritt einen klaren Standort. 

„Eins vorweg: Die Gesundheit ist das höchste Gut und hat Priorität vor allem anderen. Allerdings ist der Fußball Teil der Gesellschaft und muss in besonderem Maße dieser Verantwortung gerecht werden. Oft genug wird der Begriff Solidarität im Fußball strapaziert, jetzt kann gezeigt werden, dass es nicht bloß Lippenbekenntnisse sind. Auch Eitelkeiten der Funktionäre – auf der einen Seite FIFA-Präsident Gianni Infantino als Verfechter der Club-WM, dort Aleksander Ceferin von der UEFA als EM-Ausrichter – müssen zurückgestellt werden und unter dem Blickwinkel des großen Ganzen betrachtet werden.“

EM wird wohl auf 2021 verschoben 

Nach Rautenperle-Recherchen diskutiert die UEFA intern schon gar nicht mehr über die Möglichkeit, die Europameisterschaft in diesem Jahr auszurichten. Auch beim für Dienstag geplanten Krisengipfel soll es vielmehr um die Ausgestaltung der EM-Verschiebung auf das Jahr 2021 gehen. Das Szenario, das derzeit das wahrscheinlichste ist. Doch auch in Bezug auf eine Verschiebung gibt es Hürden. 

Für die EM stehen wegen der Play-Off-Qualifikationsspiele noch gar nicht alle EM-Teilnehmer fest. Diese müssten erst einmal ermittelt werden - aktuell unmöglich. Im Juli 2021 steht zudem die Frauen-Europameisterschaft auf dem Plan. Sollte die Ausbreitung des Virus gestoppt werden können und die Männer-EM im Juni 2021 ausgetragen werden können, wäre die Austragung der Frauen-EM nicht gefährdet. Auch die neu geplante FIFA Klub-WM ist für 2021 angesetzt. Derzeit erscheint wahrscheinlich, dass diese zunächst einmal abgesagt wird. 

Rettig fordert: „Nationale Ligen müssen Priorität haben“

Die nationalen Ligaverbände sind sich ohnehin einig: Eine Verschiebung einer Europameisterschaft ist aktuell das geringste Problem. Die Fortsetzung der nationalen Ligen müsse Priorität haben - allein aus dem Grund, dass vielen Vereinen der wirtschaftliche Kollaps droht, wenn die Saison vorzeitig abgebrochen werden muss. Auch Rettig fordert: „Die Integrität des Wettbewerbes ist der wichtigste Punkt. Die nationalen Wettbewerbe haben sicher Vorrang vor den internationalen. Das „Brot und Butter“-Geschäft der nationalen Ligen, vor allem der fünf wichtigsten, bestimmt den weiteren Ablauf der internationalen Wettbewerbe der UEFA, und nicht umgekehrt. Oberstes Ziel ist die sportlich faire Beendigung des laufenden Wettbewerbes auch unter Berücksichtigung etwaiger Verschiebungen internationaler Wettbewerbe.“

 

Wie könnte dann jedoch ein erster konkreter Plan aussehen? Rettig: „Ein erster Ansatz wäre es, die Planung für den nationalen Spielbetrieb mindestens bis zum 30. Juni auszudehnen, So bewegen wir uns noch im Rahmen des von den Verbänden vorgegebenen Spieljahres, an dem sich auch die Dauer der Spielerverträge orientiert. Dadurch gewinnen wir bereits 44 Tage. Vielleicht braucht man auch weitere vier bis sechs Wochen mehr, um den Spielbetrieb zu beenden.“ Das würde die Möglichkeit geben, den Wettbewerb in einem sportlich fairen Rahmen zu beenden und auch das Problem der auslaufenden Verträge einiger Spieler beheben. Kommenden Montag trifft sich die DFL mit den Vereinsvertretern, um weitere Szenarien zu diskutieren. Konkrete Entscheidungen sind nicht zu erwarten. Denkbar ist, dass es um eine Ausgestaltung eines möglichen Stufenplans gehen wird. Bedeutet: Welche Szenarien und Maßnahmen sind für welchen Zeitpunkt denkbar. Ohnehin gilt weiterhin der Satz: Niemand kann heute sagen, was morgen noch gilt. 

HSV-Spieler hoffen und halten sich fit 

Wie geht es beim HSV weiter? Bis Dienstag haben die Mediziner und Verantwortlichen ihren Profis offiziell trainingsfrei gegeben. Doch inwieweit ein regelmäßiges Mannschaftstraining aktuell erstrebenswert und sinnig ist, ist eher fraglich. Die Profis halten sich nach unseren Informationen derzeit individuell fit und hoffen auf baldige Fortsetzung des Spielbetriebs. So wie wir alle hoffen, dass in den kommenden Wochen und Monaten wieder Normalität einkehren wird. Wann genau das jedoch sein wird, ist unklar. 

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