Marcus Scholz

11. Mai 2018

Relegation zu spielen ist hart. Zwei Spiele, in denen alles passieren kann. So, wie die HSV-Fans gegen Fürth und noch mehr gegen Karlsruhe durchleiden mussten. Jeweils mit einem glücklichen Ausgang, okay. Aber der Weg dahin war schon so, dass alle gesagt haben: „Darauf können wir sehr gut verzichten.“ Und trotzdem ist man aktuell wieder in der Situation, dass man sich das wünschen muss, was man eigentlich nie wieder haben wollte: die Relegation. Ein Sieg gegen Gladbach, parallel dazu muss Köln in Wolfsburg gewinnen - es gab zweifelsfrei schon wahrscheinlichere Szenarien. Aber es ist eben auch nichts auszuschließen. Gerade nicht am letzten Spieltag.

Und irgendwie beim VfL sogar noch weniger als beim HSV... Denn tatsächlich ist meine größte Hoffnung für das Wochenende die Lethargie in Wolfsburg. Wer schon mal da war, der weiß - bei allem Respekt vor der sportlichen Leistung der Niedersachsen in den letzten Jahren -, dass der VfL nicht über das stimmungsvollste Umfeld verfügt. Passend dazu ist das Finale gegen Köln noch nicht einmal ausverkauft... Mannschaftsintern ist es schwer, einen hohen Grad an Identifikation zu schaffen, den man braucht. Für die Verantwortlichen, ist es fast auszuschließen, Spieler zu finden, die sich mit Stadt, den Fans und dem Klub identifizieren, sofern es nicht gerade einmal ein Toptalent aus den eigenen Reihen schafft. Nicht selten müssen dafür hohe Gehälter herhalten, damit man seine Wunschspieler bekommt. Irgendwie kommt es dort eben alles immer ein wenig zusammengekauft rüber. Es wirkt auf mich irgendwie wie eine Neubausiedlung mit schönen Häusern – die alle gleich aussehen und trotz individueller Schönheit in Summe einfach eine Tristesse auslösen, die einige wenige vielleicht erfreuen kann, die aber die meisten irgendwann frustriert. Langweilig eben.

„Bei uns ist die Stimmung in der Stadt so wie immer. Da ist es egal, ob Du gerade die Champions League gewinnst oder in die Amateurklassen absteigst“, hat mir ein ehemaliger Spieler des VfL erzählt. Er lobte den Verein und die Verantwortlichen, die einen guten Job machen würden, aber im Ergebnis kommt das einfach nicht bei den Fans an. Das mit dem Zusammenkaufen kann man zweifelsfrei auch auf den HSV umlegen. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier die Fans das einzig konstant Erstklassige sind. 2000 Fans kamen zum Training am Vatertag und sangen ihre Jungs nach vorn, denen ein neuer Trainer das Leben eingehaucht hat, was man hier seit Jahren vermisst hat. Der HSV spielt sogar wieder Fußball. „Hätte der HSV ihn früher geholt, wäre der HSV niemals in der Situation von heute“, hat Matthias Sammer zuletzt gelobt und sich damit dem Tenor angeschlossen. Eine derartige Geschlossenheit hinter dem Trainer gab es ewig nicht mehr. Und ich hoffe, dass der HSV das nutzt – vor allem aber, dass Titz seinen eingeschlagenen Weg weitergeht, ohne sich davon abbringen zu lassen.

Dass man mit ihm den Vertrag verlängert hat, macht vielen HSV-Anhängern Hoffnung. Auch mir. Es lässt hoffen, dass die Verantwortlichen endlich mehr auf Inhaltliches und nicht auf Äußerliches setzen. Qualität und Kreativität anstelle teurer Einkäufe, die in den letzten Jahren in aller Regel floppen. Das kann der Weg sein. Und ehrlich gesagt MUSS das der Weg sein, wenn der HSV irgendwann mal wieder auf eigenen Beinen stehen will.

Titz verwaltet nicht, er gestaltet. Er ist wie ein gewiefter Handwerker, der erst alles aus den vorhandenen Materialien herauszuholen versucht, ehe er teuer im Baumarkt einkaufen geht. Und allein diese Art reicht schon, um sich von seinen Vorgängern insoweit abzuheben, als dass die Massen mitgehen. Mit einem neuen, in der Bundesliga noch unverbrauchten Trainer neue Wege gehen – das schafft eine Verbindung, die auch schwierige Phasen durchstehen lassen kann. Und das wäre der Abstieg allemal.

Was ich damit sagen will: Neben der weiterhin bestehenden Hoffnung auf die Relegation hat der HSV auch für den Fall der Fälle vorgearbeitet. Titz darf bleiben, was lange nicht sicher war. Und Titz steht für einen Neuanfang – unabhängig von der Liga. Und so schlimm der GAU auch wäre, er würde so zumindest ein wenig erträglicher, ohne wirklich genau zu wissen, was da auf uns zukommt. Zweite Liga – das kennen wir hier ja alle noch nicht. Im Gegenteil. Aber selbst wenn es doch den GAU gibt, hoffe ich darauf, dass der Neuanfang auch endlich mal ein echter Neuanfang wird. Gefordert wird es seit Jahren – gemacht wurde er nie. Leider. Denn hier gibt es seit Jahrzehnten zu viele festgefahrene Strukturen, die aufgebrochen gehören. Titz ist da ein erster Schritt. Ein sehr guter weil wichtiger erster Schritt, der hoffen lässt - ligaunabhängig...

Um die Erste Liga zu halten, will Titz morgen auch gegen starke Gladbacher auf sein ballorientiertes, offensives Spiel setzen. Vielleicht sogar mit Nicolai Müller von Beginn an. Und obgleich ich als Trainer für das morgige Spiel ausschließlich auf hundertprozentig gesunde Spieler setzen würde, habe ich in meinem Aufstellungstipp bei facebook Müller in der Startelf. Weil es einfach passen würde. Denn schon letztes Wochenende konnte ich nicht glauben, dass der gerade wieder genesene Angreifer in den Kader rutscht, geschweige denn, dass er sogar zum Einsatz kommt. Beides ist passiert – deshalb wäre die Startelf die fast logische Fortführung. Zumindest dann, wenn Titz ihn für fit genug hält. Und das scheint der Fall zu sein.

Im Kader steht Müller jedenfalls. Zusammen mit Mickel, Pollersbeck, Douglas, Ekdal, Holtby, Hunt, Ito, Jatta, Jung, Kostic, Papadopoulos, Sakai, Salihovic, Steinmann, van Drongelen, Waldschmidt und Wood. Christian Mathenia und Dennis Diekmeier, sind also nicht dabei. Für beide ein trauriger Abschied, sofern es morgen das letzte Saisonspiel wird. Zumindest gilt es als sicher, dass beide Akteure den Verein im Sommer verlassen – auch ligaunabhängig.

Ich gehe aktuell von folgender Startelf aus: Pollersbeck – Sakai, Jung, Papadopoulos, Santos – Steinmann – Müller, Hunt, Holtby, Ito – Wood. Geht man nach dem Training, ist ein Luca Waldschmidt nicht weit weg von der Startelf. Für viele überraschend auch, dass Kostic plötzlich so raus zu sein scheint. Allerdings hat sich der Linksaußen nach seiner Einwechslung in Frankfurt auch nicht für mehr empfehlen können. Anders als Tom Mickel. Bei dem bislang dritten Keeper soll sich Titz tatsächlich wegen Trainingsleistungen dazu entschieden haben, ihm den Vorzug vor Mathenia zu geben. Wobei Mathenias anhaltender Wechselwunsch sicher auch eine Rolle spielt und Mickel seine Nominierung auch als Fingerzeig für die kommende Saison werten darf.

Und auch wenn das einige hier nicht hören wollen: Für Dennis Diekmeier ist es ein ganz bitterer Abschied. Nach acht Jahren muss er dienstälteste HSV-Profi von der Tribüne aus zusehen, wie seine Mannschaft den letzten Strohhalm zu ergreifen versucht. Verabschiedet wird er ebenfalls noch nicht, weil die HSV-Verantwortlichen (wie alle anderen auch) nicht wissen, ob es tatsächlich schon das letzte Heimspiel der Saison ist, oder ob mit der Relegation gegen Holstein Kiel noch ein Spiel dazukommt. Drücken wir die Daumen, dass es noch eine Möglichkeit für eine ordentliche Verabschiedung gibt – denn das würde bedeuten, der HSV schafft das Wunder. Als Einstimmung ein Song von unseren Freunden "Elvis und Pape":

Bis morgen,

Scholle

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