Marcus Scholz

30. Juni 2019

Er war beim HSV schon mehrfach auf dem Wunschzettel - jetzt hat es geklappt. Tim Leibold ist beim HSV. Zuletzt hatte der ehemalige Sportchef Jens Todt vor zwei Jahren um die Dienste des ehemaligen Nürnbergers gekämpft - erfolglos. Diesmal reichte der Anruf von Trainer Dieter Hecking, um Leibold zu überzeugen. „Der Trainer hat sich gemeldet. Er hat mich persönlich über Handy angerufen und das war ausschlaggebend für mich. Das ist eine neue Chance, eine neue Herausforderung für mich, was ich machen will.“ Wie Hecking ihn überzeugt habe? „Es war kein langes Gespräch, sondern kurz und knackig, sehr ehrlich. Er war ehrlich zu mir und da habe ich gemerkt, das sollte ich machen. Und so ist es auch gekommen.“ Und zwar im Eiltempo. Leibold lächelt und bestätigt: „Ich hatte tatsächlich nicht viel Zeit, um mich zu entscheiden.“

Hecking brauchte ein Gespräch, um Leibold zu überzeugen

Gut zehn Tage liegen zwischen dem ersten Gespräch mit dem Trainer und der ersten Einheit unter eben diesem Trainer heute. Leibolds erstes Training  mit der Mannschaft stand auf dem Plan. Aufwärmen, Passübungen, ein taktisches Spielchen und Auslaufen sowie ein wenig Krafttraining im Stadioninneren.  Es war ein vermeintlich lockererer Auftakt für den neuen Linksverteidiger, der Douglas Santos ersetzen soll.

 

Ob er seinen Vorgänger, der in den Verhandlungen mit Zenit St. Petersburg sehr weit sein soll, noch kennengelernt hat? „Ja, ich habe Santos kennengelernt. Das ist ein superfeiner Kerl. menschlich und sportlich schade, dass er den Verein verlässt. Aber so ist das im Fußball“, sagte Leibold und verriet, was längst kein Geheimnis mehr ist: Seine Verpflichtung war auch eine direkte Reaktion auf den bevorstehenden, Geld bringenden Wechsel Santos’. Wobei Leibold schnell nachschob: „Es kann natürlich auch noch sein, dass er noch bleibt und wir uns da links duellieren.“ Das wiederum wäre für ihn kein Problem. Eher Motivation.  „Wenn ich ihn dann nach vorn peitsche, oder andersrum, dann ist das noch mal ein Schritt nach vorn. Einen Spieler seiner Qualität kann der HSV gut gebrauchen.“

Wobei Leibold genau das sein soll. Ein Eins-zu-Eins-Ersatz.  Auch der ehemalige Nürnberger sieht seine Qualitäten als Linksverteidiger weniger defensiv denn offensiv. „Ich sehe mich als dynamischer Linksverteidiger. Ich glaube, dass meine Qualitäten eher offensiv sind. Dadurch entstehen manchmal defensiv Lücken, daran muss ich noch arbeiten. Aber daran habe ich das letzte Jahr schon gearbeitet und das ist mir das letzte halbe Jahr auch ganz gut gelungen. Habe großen Offensivdrang. Gibt nichts schöneres, als Tore aufzulegen.“

Leibold hat noch nie im Volksparkstadion gespielt

Das gelang ihm in der abgelaufenen Saison dreimal in der Ersten Liga und dreimal im DFB-Pokal, wo er ausgerechnet im Spiel gegen den HSV fehlte. „Das war kein ruhmreicher Auftritt von uns“, erinnert sich Leibold, der seinerseits noch nie gegen den HSV und somit auch noch nie im Volksparkstadion gespielt hat. Den HSV an sich habe er nur aus der Ferne erlebt. Warum er trotzdem zum HSV gewechselt ist? „In den letzten Jahren war es schwierig, etwas positives mit dem HSV zu verbinden. Das ist klar“, so der 25-Jährige, „trotzdem habe ich seit dieser Saison auch unabhängig von meinem Wechsel das Gefühl, dass hier wirklich ein Umbruch stattfindet. Und davon wollte ich ein Teil sein. Deshalb habe ich ein gutes Gefühl.“

Ganz im Gegensatz zu seinen ehemaligen Teamkameraden in Nürnberg, die Leibolds Abgang sehr bedauern. Auf allen Kanälen hatten Spieler, Fans und Verantwortliche versucht, Leibold von seinem Wechsel zum HSV abzubringen - erfolglos. „Die letzten Tage in Nürnberg waren sehr emotional“, gibt Leibold zu und erklärt: „Ich war vier Jahre dort, habe viel erlebt. Wir sind in der Relegation gescheitert, sind aufgestiegen, sind abgestiegen. Ich habe über einen langen Zeitraum mit den gleichen Jungs zusammengespielt, die sind dann wirklich zu Freunden geworden. Das ist dann nicht so einfach, sich aus dem gemachten Nest herauszuwagen. Ich habe weiter eine sehr gute Verbindung mit den Jungs, es war alles ziemlich emotional. Aber das zeigt auch, dass ich meine Spuren hinterlassen habe - und das freut mich. Und die Jungs freuen sich auch für mich.“

In Nürnberg sind einige verärgert über Leibolds Abgang

Wobei: Auch nicht alle. Einige nehmen Leibold den Wechsel übel, da sich der Linksverteidiger zuletzt nach dem Abstieg noch sehr loyal gegenüber dem FCN äußerte und seinen Verbleib andeutete. „Ich habe damals im Podcast bei den Sitzplatz-Ultras gesagt, dass man nicht direkt die Flucht ergreift, wenn man absteigt, sondern dass man sich in Ruhe überlegt und zusammen mit seiner Familie und Berater entscheidet, was am Ende das Beste für den Verein und sich selbst ist. Aus dem Kontext wurde das Zitat genommen, dass man nach dem Abstieg nicht abhaut. Jetzt werde ich da einiges geheißen. Aber so ist das  normal. Da ist immer ein Stück weit Enttäuschung dabei.“

Für mich sind das fast ausnahmslos Indizien dafür, dass der HSV bei Leibold einen guten Deal gemacht hat. Sportlich stehen seine Qualitäten außer Frage. Und auch im Gespräch macht der Linksverteidiger einen sehr aufgeräumten Eindruck. „Keine Angst, Tim ist ein Teamplayer durch und durch“, hatte Ex-Mitspieler und Ex-HSV-Keeper Christian Mathenia zuletzt gelobt und betont, dass der Abgang Leibolds zum HSV den 1. FC Nürnberg empfindlich treffen würde.

Nürnbergs Mathenia schwärmt von Leibold und Ewerton

Übrigens ebenso wie den, der seit einer Woche eigentlich schon vollzogen sein sollte, es aber noch immer nicht ist: Innenverteidiger Ewerton. Bei dem Brasilianer zieht es sich weiter hin. „Er ist ein superfeiner Kerl, spricht nur nicht gut deutsch, obwohl er seit drei Jahren schon da ist. Aber ich glaube, das war das Erste, was man ihm hier aufgetragen hat, schnell Deutsch zu lernen. Er ist auch wegen der sprachlichen Probleme noch etwas schüchtern - aber auf dem Platz ein Fels in der Brandung. Wenn es dann über die Bühne geht, ist er ganz sicher ein guter Transfer für den HSV.“

Apropos Transfers,  auf diesem Gebiet würde beim HSV noch so einiges passieren, hatte ich im letzten Community-Talk schon gesagt. Und aktuell gibt es das Gerücht über eine interessante Rochade: Der FC Augsburg soll demnach an der Verpflichtung von HSV-Verteidiger Rick van Drongelen interessiert sein. Im Gegenzug könnte Marvin Friedrich aus Augsburg zum HSV kommen. Aus Augsburg deshalb, weil der FCA den Innenverteidiger per Rückkaufsrecht jüngst von Union Berlin zurückgeholt hatte. Und das, obwohl Friedrich Berichten zufolge nicht mehr für den FCA spielen will.  Laut „kicker“ soll neben dem HSV  und Union Berlin auch Fortuna Düsseldorf an Friedrich interessiert sein.

Geht van Drongelen im Tausch für Friedrich nach Augsburg?

Rochade: Geht van Drongelen im Tausch für Friedrich?

 

Egal wie, auch das spricht für den Umbruch, den der HSV aktuell unter Sportvorstand Jonas Boldt dieses Jahr offenbar forciert. Personell wird weiter fleißig ausgetauscht. Nur gut, dass bald das Trainingslager in Kitzbühel (08. Juli bis 14. Juli) ansteht.  Dort wird es neben dem taktischen Feinschliff vor allem auch darum gehen, dass sich die Mannschaft weiter aneinander gewöhnt. Das weiß auch Leibold, der (sehr vorläufig vermutlich) bislang letzte Zugang: „Das Trainingslager gibt uns die Plattform, noch mal enger zusammengeschweißt zu sein. Darum geht es jetzt auch, es sind ja doch ein paar Neue dabei.“

Und diese machen bislang sportlich einen ordentlichen Eindruck. Hier zu urteilen wäre nicht seriös, ganz klar. Aber in ihren Arten und Weisen präsentieren sich bislang alle Neuen positiv. Jetzt liegt es an Hecking, Boldt und Co., diese Puzzleteile zu einer funktionierenden Mannschaft zusammenzusetzen.

In diesem Sinne, bis morgen. Da ist übrigens trainingsfrei. Ich melde mich aber dennoch um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch und werde am Abend berichten, was sich über den Tag hinweg ergeben hat und noch ergeben könnte. Bis dahin Euch allen noch einen richtig schönen Sonntagabend und ein unterhaltsames, vor allem aber erfolgreiches U21-Finale heute Abend!

 

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