Marcus Scholz

25. Februar 2019

 

Das Spiel in Regensburg hat Nachwirkungen. Ganz klar. Personeller Natur durch die beiden Platzverweise für Orel Mangala und Vasilije Janjicic ohnehin. Während Mangala durch seine gelbrote Karte automatisch für ein Spiel ausfällt, wurde Janjicic heute vom Sportgericht ebenfalls für ein Spiel gesperrt. Minimalstrafe für ein Foul, das niemals Rot hätte sein dürfen, behaupte ich. Aber gut. Oder besser gesagt: nicht gut. Denn der HSV hat in Regensburg so sogar noch mehr als drei Punkte verspielt. Ob Katerstimmung vorherrsche, wurde Wolf heute gefragt. „Ja“, so der Trainer, ehe er nachschob: „Natürlich habe ich mich geärgert über den Verlauf und den Ausgang. Es ist noch nicht komplett verarbeitet. Wir müssen es am kommenden Montag besser machen.“

Auch er selbst. In Regensburg hatte Wolf die Zeichen vom Platz zu spät vernommen. Er habe mit Orel Mangala in der Halbzeit gesprochen, sagte er gestern. Aber allein das half nichts. Unmittelbar nach Wiederanpfiff foulte der schon seit der 23. Minute gelbvorbelastete Belgier erneut gelbwürdig – und konnte von Glück sprechen, von Zwayer nicht hier schon die zweite Gelbe zu kassieren. Zumal Zwayer seine fehlende Autorität gestern immer wieder mit Gelben Karten zu kompensieren versuchte. Ergo: Es war mehr als deutlich, dass es für Mangala spätestens nach diesem frühen Foul in der zweiten Halbzeit sehr eng würde.

Mich hat es fast schon überrascht, dass er bis zur 69. Minute durchgehalten hat. Noch mehr aber hat mich Wolfs zögerliches verhalten verwundert, weil der Spielstand und der Spielverlauf diese Auswechslung sogar hergab. Denn Regensburg versuchte mehr, der HSV konterte. Angesichts der beiden zentralen Mittelfeldspieler Holtby und Özcan hätte meiner Meinung nach ein deutlich defensiver ausgerichteter Stabilisator wie Janjicic gereicht, um den Konterfußball zu spielen, den man mit einer Führung im Rücken durchaus spielen darf.

 

 

Allein Wolf wollte es nicht. Sagte er heute. „Wir wollten nicht nur verwalten, sondern weiter voll draufgehen, Regensburg unter Druck setzen. Wir haben immer offensive Themen und bearbeiten das. Es ist ein Prozess.“ Die Antwort auf die Frage, ob sich Wolf einen Teil der Schuld für die Niederlage in Regensburg gibt, klang heute allerdings schon deutlich defensiver als gestern noch. „Nee. Im Nachhinein vielleicht. Aber im Umkehrschluss musst du ja jeden Spieler bei der Gelben Karte auswechseln. Wo gibt es das? Natürlich hätte ich es im Nachhinein gern zwei Minuten früher gemacht. Aber das Ding auf meine Kappe zu nehmen – das wäre zu viel.“

Viele Anhänger sehen das anders. Sie werfen Wolf vor, das Spiel vercoacht zu haben. Und sie liegen damit meiner Meinung nach daneben – um das schon mal vorwegzunehmen. Dennoch wurden heute erste Vergleiche gezogen. Immer wieder bekam ich dieselbe Whattsapp, in der die Tabelle nach sechs Spielen unter Titz mit den aktuellen sechs in der Rückrunde unter Wolf verglichen wurden. Message: „Noch zwei Remis bis zum nächsten Trainerwechsel...“

Und ja, in der Hinrunde wurde so gehandelt. Allerdings nur, weil man von Titz von Beginn an nicht überzeugt war, zog man die Notbremse. Damals schrieb ich, dass ich es als falsch erachte. Dass der HSV damit die Chance verpasst, sich selbst ein neues Gesicht zu geben. Denn das hatte Titz dem HSV bis hierhin verliehen. Seine Taktik mit dem hochstehenden Torhüter wurde dabei meiner Meinung nach überhöht diskutiert. Letztlich ging es viel weniger um die offiziell diskutierten,  vorgegebenen Gründe beim Trainerwechsel als darum, dass der Vorstand einfach nicht mit Titz sondern mit Hannes Wolf arbeiten wollte. Und der rechtfertigte dieses Vertrauen auch von der ersten Minute an.

Jetzt also diese Durststrecke. Vier Auswärtsspiele und nur ein Punkt. Sieben Punkte aus sechs Spielen – das ist zu wenig, wenn man aufsteigen will. Grund genug, um die Ziele gefährdet zu sehen?

Blödsinn.

Eine Mischung aus Titz und Wolf wäre es. Denn während Titz oft komisch begann, dann aber im Spielverlauf mit Wechseln für Verbesserung sorgt, lässt Wolf oft gut beginnen und wechselt sich die Probleme ein bzw. nimmt dem Spiel oft Struktur. Dennoch ist Wolf ein guter Trainer. Einer, der dem HSV sehr gut getan hat und tun wird. Und dieser HSV muss endlich anfangen, auf entscheidenden Positionen Konstanz zu entwickeln. Aber das wird er niemals schaffen, wenn er weiterhin keinen Weg länger als bis zur ersten Krise geht.

Fakt ist auch, dass diese Krise nicht unerwartet kommt. Im Gegenteil: Damit musste man immer rechnen. Wolf selbst hatte immer wieder davor gewarnt, wie knapp Freud und Leid auseinander liegen würden. Zumal, nachdem man die meisten Spiele mit gerade mal einem Tor Unterschied nur sehr knapp gewonnen und teilweise sogar glücklich(erweise) nicht verloren hatte.  Wolf zur Krise: „Diese Phasen haben wir nicht exklusiv. Da musst du bei Dir bleiben, bei deiner Überzeugung bleiben. Das bin ich zu 100 Prozent.“ Ebenso der Vorstand, der aber offen ausspricht, was alle wissen: Der Druck nimmt zu.

Noch hatte man das Glück, ein kleines Polster über einen längeren Zeitraum auch ob der Schwächen der Konkurrenz halten zu können. Sollte Köln am Mittwoch aber in Aue erwartungsgemäß gewinnen, wäre man nur noch Zweiter – drei Punkte vor dem Relegationsplatz, den Union Berlin mit einem deutlich besseren Torverhältnis innehat. Wolf selbst nimmt die mahnenden Worte von Sportvorstand Ralf Becker als Anschub. „So eine Grundunruhe ist ja völlig normal und richtig so. Das gehört auch so, das ist Hochleistungssport. Diese Grundunruhe braucht man dann auch.“ Ebenso wie die Rückkehr Aaron Hunts, der gegen Fürth am Montag wieder spielen soll. Wolf: „Wir freuen uns riesig auf Aaron. Er hat uns riesig geholfen in der Hinrunde. In der Hinrunde war er bärenstark.“

Auch heute konnte der Kapitän wieder voll mittrainieren, ging dabei sogar intensivste Strecken ohne Probleme „Aaron ist im Training. Heute haben wir zehnmal drei gegen drei gespielt – das ist schon ordentlich. Und da war er dabei.“ Gideon Jung noch nicht. Der Defensivallrounder ist noch nicht wieder voll belastbar – soll das aber in Kürze wieder sein.

Wolf: „Bei Gideon so, dass er Mitte der Woche einsteigt. Er wäre dann auch fit für Montag, wenn alles normal läuft.“ Ob Jung eine Alternative auf der Position der Sechser ist, die gesperrt fehlen? „Er auch. Aber wir haben da einige Optionen“, so der Trainer, der auch Gotoku Sakai als Option für das defensive Mittelfeld sieht. In dem Fall könnte wie zuletzt Jung hinten rechts beginnen oder auch Khaled Narey, den ich gegen Regensburg gar nicht erst rausgenommen hätte. Zumindest aber hätte ich ihn in der Halbzeit für Hwang oder Jatta gebracht. Weshalb Wolf sich hier ein völlig unnötiges Thema  eröffnet, verstehe ich nicht.

Ebenso wenig, warum der Trainer so stoisch an Hwang festhält. Natürlich hat er ein Tor vorbereitet und einen zweiten Hundertprozentigen aufgelegt. Hätte das geklappt und der HSV am Ende in Regensburg gewonnen, ich hätte es trotzdem geschrieben. Obwohl es hier einige anders sehen, bleibe ich dabei, dass der Südkoreaner zwar teilweise außergewöhnliche  Qualitäten hat. Aber seine Spielweise passt so noch nicht ins HSV-Spiel. Zu oft hält er zu lange den Ball, dribbelt wild und teilweise unkontrolliert drauflos und verpasst den Moment für das richtige Abspiel oder den Abschluss. Er verliert einen Großteil seiner Zweikämpfe, weil er seine zweifelsfrei vorhandenen Sprintqualitäten überschätzt. Seine Spielweise ist nicht auf den HSV eingestellt – und der HSV nicht auf seine Spielweise. Kurzum: Hwang ist ein Fremdkörper im HSV-Spiel. Und das in bislang allen 16 Einsätzen für den HSV. Dafür ohne medizinische Notwendigkeit einen weitgehend konstant guten Narey herauszunehmen sehe ich weiterhin als sehr diskutabel an.

Aber okay, bislang hatte der Trainer immer schlüssige Erklärungen – die verpasste Auswechslung Mangalas mal ausgenommen. Wolf sieht auch die Probleme, die der HSV hat und nennt sie beim Namen. „Wir müssen es auch fußballerisch besser lösen. Das brauchen wir. Und das steckt in dieser Mannschaft drin“, schickt Wolf warme Worte vorweg, ehe er auf das Kernproblem eingeht: „Uns fehlen Tore. Wir haben ein Thema in der Offensive, und das schon die ganze Saison. Daran arbeiten wir – aber es ist ein Prozess.“ Einer, der nicht mehr lange dauern darf, bis er positiv abgeschlossen wird.

Denn es sind nur noch elf Spiele, also 33 Punkte zu vergeben. Und davon muss der HSV beim Stadtrivalen FC St. Pauli, bei Union Berlin, in Paderborn, Bochum und Köln antreten. Ob sich der HSB gegen vermeintlich große Namen eventuell leichter tun könnte? „Sehe ich gar nicht so“, widerspricht Wolf, „du musst immer an deinem Limit sein, Fürth wird genau so. Wir gehen hier Schritt für Schritt, Tag für Tag. Jeder sieht, dass das kein Selbstläufer ist und noch lange nichts klar ist.“ Umso wichtiger, nein: unabdingbar sind Heimsiege. „Wir haben zuhause eine schöne Serie, die schon länger anhält. Und daran wollen wir am Montag wieder ansetzen.“

Einen Tag Pause gibt der Trainer den Spielern morgen, ehe es am Mittwoch mit zwei Einheiten weitergeht. Ihr werdet hier morgen gegen Mittag die Taktikanalyse von Tobias Escher lesen können, ehe wir uns am Abend mit einem sehr interessanten Mitglied des Trainerteams bei Euch im Rautenperlen-Talk melden: Alexander Hahn. Der ehemalige Analyst ist heute ein unverzichtbarer Baustein im Team von Hannes Wolf. Seine Aufgaben, seine Eindrücke – alles morgen. Ich freu mich drauf!

In diesem Sinne, Euch allen einen schönen Abend! Bis morgen früh dann, wo ich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall (Zum Reinhören klickt hier) bei Euch bin.

Bis dahin!

Scholle

 

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