Marcus Scholz

28. Juni 2018

Katerstimmung. Und eine gewisse Leere, die ich möglichst schnell mit möglichst viel HSV auffüllen muss. Denn ja, ich gebe es zu: Das WM-Aus nagt nachhaltig an mir. Selbst das HSV-Training bei bestem Sommerwetter heute konnte davon nur sehr bedingt ablenken. Ausscheiden in der Vorrunde, vor allem so – das tut weh. Ebenso wie  zwei Wochen WM ohne Deutschland. Alles zusammen ist für mich extrem schwer zu verdauen. Zumal es weniger an der individuellen Qualität der Spieler an sich lag, sondern am Zusammenwirken auf dem Platz, das alarmierend war. „Selbstzufriedenheit“ habe er vor dem ersten Gruppenspiel erkannt, sagte Bundestrainer Joachim Löw gestern nach dem Ausscheiden. Und das unmittelbar bevor er offen ließ, ob er seinen gerade erst bis 2022 verlängerten Vertrag auch erfüllen werde.

Ehrliche Worte des Bundestrainers – sagen die einen. Dramatische Erkenntnisse ohne die richtigen Gegenmittel gefunden zu haben, sage ich. Denn wenn Löw eine derart zerstörerische Stimmung erkannt hat, hätte er gegensteuern und entsprechend reagieren müssen. In Form einer veränderten Kaderzusammenstellung, in den Aufstellungen selbst. Alles das blieb weitgehend aus. Löw setzte auf altbekannte Kräfte – und scheiterte.  Sollte er es noch auf anderen, uns unerkannten Wegen versucht haben, hat er es auch so nicht geschafft. Und dann wäre seine Reaktion, seine weitere Arbeit beim DFB offen zu lassen, für mich auch erklärbar. Denn dann sollte er tatsächlich drüber nachdenken, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden und Platz für neue Kräfte zu machen.

Aber das nur am Rande. Ich hatte es gestern geschrieben und will mich auch daran halten: Ab jetzt zählt nur der HSV. Dass die WM für mich vorbei ist, ist dabei alles andere als respektlos. Ich gönne es allen Teilnehmern und gratuliere allen Südkoreanern sowie den HSV-Spielern Albin Ekdal und Gotoku Sakai (spielte heute gegen Polen 90 Minuten durch) und allen sonstigen Spielern und Nationen, die bei dieser WM noch Erfolge feiern. Es sei ihnen gegönnt. Und ich werde mir sicher auch das eine oder andere Spiel aus Interesse ansehen. Aber wirklich mitfiebern werde ich kaum bis gar nicht. Und allein das meinte ich, was seit dem Ausscheiden bei mir vorbei ist.

Nur gut, dass es beim HSV morgen auch das erste Spiel zu sehen gibt. In Büdelsdorf treffen die Mannen von Trainer Christian Titz auf den Landesligaklub TSV Büdelsdorf (6. Liga). Anpfiff im Eiderstadion ist um 18.30 Uhr. Eine Art Trainingseinheit unter Wettkampfbedingungen mit dem klaren Auftrag, vorrangig die trainierten Themen umzusetzen. „Wir sehen das Spiel als Test dessen, was wir einstudieren wollen“, so Trainer Christian Titz, der heute lediglich auf den am Sprunggelenk verletzten Arianit Ferati verzichten musste. „Wir werden mit zwei verschiedenen Mannschaften spielen, um die Belastung zu dosieren.“ Die Spieler, die morgen nicht zum Einsatz kommen, sollen am Sonnabend im Test der U21 gegen Eintracht Braunschweigs U23 zum Einsatz kommen.

Wahrscheinlich nie wieder beim HSV spielen wird Alen Halilovic. Der einst als „Balkan-Messi“ mit vielen Vorschusslorbeeren gekommene Linksfuß absolvierte heute seinen Medizincheck beim AC Mailand und scheint in die SerieA zu wechseln, wie der italienische Kollege Gianluca di Marzio heute berichtete und mit einem Foto Halilovics in Mailand untermauerte. Die inzwischen aufgeworfene Frage, wie viel letztlich von einer Ablösesumme überhaupt beim HSV hängenbleiben würde und wie viel der Ablöse in die Rückführung gewährter Darlehen an Klaus Michael Kühne zu zahlen sind, ist individuell zu beantworten. Bei Walace beispielsweise sind die eingenommenen sechs Millionen Euro nicht sofort, sondern zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuführen, was den HSV nur bedingt weiterbringt. Denn diese Gelder jetzt auszugeben und auf weitere Einnahmen zu hoffen, die das zu einem späteren Zeitpunkt decken, das war die Politik der letzten Jahre. Und die Kollateralschäden sind massiv. Wobei sich die Frage der Rückzahlung bei Halilovic nicht stellt, denn der Kroate soll ablösefrei abgegeben werden. Dadurch spart der HSV rund vier Millionen Euro Gehalt für die verbliebenen zwei Vertragsjahre Halilovics, der in Mailand einen Dreijahresvertrag unterzeichnen soll.

Daher ist die Prämisse weiterhin, die teuren Spieler wie eben jenen Halilovic, den an Hannover verkauften Walace sowie Bobby Wood, Papadopoulos, Ekdal, Mavraj und letztlich bei einem Angebot auch noch Pierre Michel Lasogga abzugeben und durch junge, günstigere Spieler zu ersetzen, die in der Zweiten Liga dem HSV zum Aufstieg verhelfen können.  Wie Khaled Narey beispielsweise, der heute im Training seine Schnelligkeit eindrucksvoll einzusetzen vermochte. Der Wunschspieler von Sportvorstand Ralf Becker zeigte heute, dass er ein sehr guter Spieler für ein schnelles Umschaltspiel ist. Ebenso wie es sich Titz von Aaron Opoku erhofft. Denn der aus England umworbene Youngster soll in der kommenden Woche einen langfristigen Vertrag als Profi beim HSV unterzeichnen. Verein und Spieler seien sich weitgehend handelseinig.

Zum Einstand musste sich der 19 Jahre alte Offensivspieler heute im Training allerdings gleich mehrfach harte Kritik des Trainers gefallen lassen. So, wie auch viele seiner Kollegen, da Titz mit dem geübten Umschaltspiel in der Umsetzung unzufrieden war. Es ging ihm immer wieder zu langsam. Und wenn man eines nach en paar Wochen unter Titz sagen kann, dann, dass er einen Plan hat, den alle umsetzen müssen. Weicht einer auch nur ein kleines bisschen ab, wird unterbrochen und korrigiert. Auch ein Grund, weshalb die Trainingseinheiten inzwischen nicht selten zwei Stunden und länger sind.

Wie konsequent Titz ist, bekommt auch gerade der Schweizer U-Nationalspieler Vasilije Janjicic zu spüren, der erneut mit Übergewicht und Trainingsrückstand aus der Pause zurückkam. „Appelliert hatten wir an ihn schon vor der Pause, daher gibt es jetzt nichts mehr zu sagen“, sagte Titz heute, sichtbar enttäuscht von dem talentierten Sechser, der sich parallel zur Mannschaft auf dem oberen Trainingsplatz in Form bringt. Erst wenn er die entsprechenden körperlichen Werte vorweisen kann, darf er wieder mit der Mannschaft trainieren. Wie Titz damit umgeht? „Konsequent. Er arbeitet jetzt erst einmal alles das nach, was er in der Pause nicht gemacht hat. Dann schauen wir weiter.“

Egal wie, Janjicic startet erneut mit Rückstand – und das dürfte seiner noch jungen Karriere beim HSV nicht wirklich helfen. Es ist nach der alkoholisierten Autofahrt und dem sportlichen Abfall beim Leistungstest unter Bernd Hollerbach auch nicht das erste Mal, dass Janjicic negative Schlagzeilen macht. Dumme Schlagzeilen, weil sie mit der richtigen Portion Disziplin vermeidbar sind. Aber letztlich sind das alles Aktionen, die am Ende einem derart talentierten Fußballer die gesamte Karriere kosten können. Morgen in Büdelsdorf ist Janjicic auf jeden Fall nicht dabei.

In diesem Sinne, bis morgen. Dann auch mit dem Zweitligaspielplan, der um 12 Uhr veröffentlicht werden soll. Mich würde es freuen, gleich zu Beginn einen Hammer wie Sandhause, Heidenheim oder Aue im Volkspark begrüßen zu dürfen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist am ersten Spieltag zweifelsfrei am größten, dass die HSV-Fans weitgehend unabhängig vom Gegner ins Stadion strömen. Die erneut 22.800 Dauerkarten, die bis heute verkauft sind, deuten zumindest daraufhin, dass der Zuspruch noch erstligareif ist. Und ich bin mir sicher, dass in den nächsten Wochen auch im freien Dauerkartenverkauf noch Saisontickets abgesetzt werden. Und vielleicht steigt bis dahin bei mir auch die Vorfreude auf das neue Erlebnis dermaßen, dass ich diese WM doch schneller abgehakt bekomme, als ich es mir aktuell gerade vorstellen kann...

 

In diesem Sinne, bis morgen. Dann mit dem Spielplan und dem ersten Test.

Scholle

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