Marcus Scholz

16. Januar 2019

 

Ablenkungen lässt Hannes Wolf im Trainingslager nicht zu. Aktuell vielleicht sogar noch weniger als sonst, denn die Mannschaft ist noch nicht im Soll. Im Gegenteil, die letzten Tage und insbesondere der Test gegen den FC St. Gallen waren so, dass Wolf noch eine klare Steigerung seiner Spieler einfordert. Lautstark. Aber, wie der Trainer selbst betont, nicht in dem Maße, in dem ich es gestern angesetzt hatte. „Ich habe mitbekommen, dass sie das meinen“, konterte der Trainer heute, „aber ich bin immer so. Ich bin nicht unzufrieden. Ich finde, dass die Jungs Gas geben. In der Ermüdung, im Spiel waren Abläufe nicht so gut. Das war so.“ Dass er im Training aber deshalb lauter geworden sei als sonst, sei nicht so. Wolf: „Ich bin immer dafür da, den Anspruch zu definieren, zu formulieren und auch durchzusetzen. Und das geht nicht, wenn du da immer stehst und sagst, alles sei gut. Da muss man halt weiter fordern. Das war gar nicht anders als sonst., wenn ich ehrlich bin. Vielleicht habt ihr es einfach mehr gehört. Aber so bin ich eigentlich immer.“

 

Dennoch, zufrieden ist er noch nicht. Das könne man eh erst in ein paar Wochen sagen. Ganz genau sogar erst im Mai. Bis dahin darf die Spieler auch der in die finalen Phase gehende Wahlkampf ums Präsidentenamt natürlich nicht ablenken. Okay, ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten gar nicht mitbekommen (wollen), was sich da in Hamburg abspielt. Ich persönlich würde auf diese Vereinspolitik á la HSV auch gern verzichten.

Aber das ist leider nicht möglich. Sie ist Teil des Ganzen. Auch ich muss mich damit auseinandersetzen. Leider, muss man sagen. Denn die letzten Jahre waren nicht gerade geprägt von Einheitlichkeit, Zusammenhalt und schon gar nicht von erfolgreichen Entscheidungen auf Ebene der Vereinsführung(en). Und aktuell scheint es, als würde sich der bis heute eher zurückhaltende Wahlkampf doch noch in eine Richtung entwickeln, die normalerweise immer auch viele Verlierer mit sich bringt. Zumindest gab es die zuletzt fast immer, wenn es beim HSV um Besetzungen von Führungspositionen ging.

Hier könnt ihr sehen, wie die Mannschaft und wir in La Manga wohnen

Heute beispielsweise hat Marcell Jansen offen gesagt, wie er sich vorstellt, das Präsidentenamt auszuüben. Zudem hat der Kampf um den Beirat dazu geführt, dass heute vermeintlich brisante Interna offengelegt wurden. Es geht dabei vor allem um die Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schäfer. Die beiden, die nach der Beförderung Bernd Hoffmanns zum Vorstandsvorsitzenden nur noch zu zweit im Präsidium sind, sollen erst nach der Genehmigung des Gesamtetats des e.V. der Leichtathletikabteilung Ausfalldarlehen genehmigt haben, die satzungsgemäß vorher vom Beirat hätten genehmigt werden müssen. Ebenso geht es um die Finanzierung eines 800.000 Euro teuren Kunstrasenplatzes auf der Anlage der Paul-Hauenschild-Plätze. Vorwürfe, die Schäfer und Schulz bestreiten. Ebenso übrigens wie Amateurvorstand  Ronny Bolzendahl den Vorwurf als „Blödsinn“ bezeichnet, verschiedenen Amateurabteilungen seien Versprechungen gemacht worden, wenn diese einen bestimmten Kandidaten wählen.

Dennoch, man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu wissen, dass natürlich massiv Wahlkampf betrieben wird. Von dem einen mehr als von dem anderen - aber es gibt zweifellos Versprechungen und Pläne, die potenziellen Wählern nahegebracht wurden, um sie ködern. Ich werde hier zwar nicht auf Gerüchte eingehen, die ich selbst nicht beweisen kann bzw. die nicht anderweitig bewiesen sind. Aber ich hangele mich weiterhin an dem längs, was ich persönlich als wesentlich erachte bei einem neuen Präsidenten. Und da kann ich noch immer nicht behaupten, den optimalen Kandidaten gefunden zu haben. Eine Mischung aus Dr. Ralph Hartmann und Marcell Jansen mit dem Mut und der Motivation zur Kontrolle von Jürgen Hunke - das wärs. Aber das gibt es leider nicht.

Stattdessen hat Marcell Jansen heute in der SportBild noch mal einen aktiven Vorstoß unternommen, sich zu präsentieren. Und das außergewöhnlich offen. Der Ex-Profi gilt zweifellos weiterhin als eindeutiger Favorit auf den Posten. Das Interview heute werden wir allerdings noch ein paarmal zitiert bekommen, würde ich behaupten. Zu offen macht Jansen hier, dass er schon seit längerem ein sehr enges Verhältnis zum Vorstand pflegt und sich stark im operativen Geschäft sieht. Also dort, wo er als Präsident ebenso wenig hingehört wie als Aufsichtsrat. Eigentlich.

Dass Jansen weiterhin sehr ehrlich ist,  ist grundsätzlich gut so. So kann zumindest im Falle seiner Wahl niemand im Anschluss verwundert sein oder sich darüber beschweren, wie Jansen seinen Präsidentenjob interpretiert. Fakt ist aber auch, dass Jansen als Aufsichtsratsmitglied (und das bliebe er auch als Präsident) der Satzung nach den Vorstand hinterfragen und kontrollieren soll. Da kann persönliche Nähe den Blick durchaus vernebeln. Vor allem dann, wenn man in die vom AR zu genehmigenden Vorgänge selbst involviert ist.  

Und das möchte er sein, sollte er gewählt werden. Er war es auch schon, wie er der SportBild sagte. Er sei neben der Entlassung von Christian Titz auch an der Akquise von Sportvorstand Ralf Becker beteiligt, führte die Gespräche mit den Kandidaten. Als Aufsichtsrat. Es sei der erste Step des „Hoffmann-Jansen-Plans“ gewesen, heißt es da. Und ja, ich finde Jansens hier zitierten Ansatz, das Scouting-System verbessern zu müssen, absolut korrekt und sogar wichtig. Problem dabei: Es ist weder Jansens Aufgabe als Aufsichtsrat, noch die eines Marcell Jansen als Präsident.

Der Präsident des e.V. hat sich meiner Meinung nach um die Vertretung des e.V.  als Hauptanteilseigner zu kümmern, die AG-Verantwortlichen zu kontrollieren und darauf zu achten, dass der HSV finanziell auch in der AG wieder auf die Beine kommt. Es geht hier um die wirtschaftliche Abgrenzung bzw. Sicherung des e.V. und die Entwicklung des selbigen. Den sportlichen Bereich der AG zu entwickeln, bei Transfers mitzureden, die sportliche Perspektive der HSV AG zu planen - das traue ich Jansen alles absolut zu. Aber es gehört nicht in den Wirkungsbereich des Präsidenten des e.V. - vielmehr wäre Jansen mit diesen Themen als Sportchef oder zumindest als Berater des Sportchefs (sehr) gut aufgehoben. Jansen sieht das anders und sagt es. Aber wie gesagt im Voraus, womit sich zumindest niemand im Anschluss wundern darf.

Nun weiß ich natürlich auch, dass die Wahl am Sonnabend auch eine Wahl pro oder contra Bernd Hoffmann wird. Das wissen alle. Der Vorstandsboss polarisiert. Dass es auch viel um seine Person gehen würde, war von vornherein klar. Den Umstand, dass Jansen seine Nähe zum Vorstandsboss heute noch mal so betont hat, werden seine Kritiker am Sonnabend auf der Mitgliederversammlung daher als Gegenargument nutzen. Wie ich dazu stehe? Ich wurde zuletzt wieder gefragt, weshalb ich Jansen trotz meiner oben aufgeführten Kritikpunkte dennoch für wählbar halte - und ich fühle mich bei dieser Frage immer wieder an 2014 erinnert.

Damals ging es darum, ob die Ausgliederung mit HSVplus inklusive seiner geplanten Anteilsverkäufe die beste Alternative ist. Ich war damals gegen Anteilsverkäufe, aber letztlich nicht gegen HSVplus. Für mich war es sogar alternativlos, da niemand ein besseres Konzept vorzubringen hatte. Die Kritiken der HSVplus-Gegner sind damals komplett abgeprallt, weil mir auch die Dauerkritiker kein besseres Konstrukt aufzuzeigen wussten. Und Nichtstun verbietet die Kritik am Ergebnis. Finde ich.

Insofern kann ich auch all diejenigen nicht ernst nehmen, die meine Kollegen und mich tagtäglich davor warnen wollen, dass Bernd Hoffmann über Marcell Jansen nur sein Machtkonstrukt ausbauen will und das Wohl des HSV gefährdet. Zumal sie das alles selbstverständlich hinter vorgehaltener Hand äußern. Und ich weiß jetzt schon, wie es nach der Wahl weitergehen wird. Dann kommen sie auch wieder alle an und erzählen, was für schlimme Dinge passieren werden, wenn nicht darüber berichtet wird. Und nein, solange niemand einen besseren Weg aufzeigt oder wenigstens den Mut aufbringt, sich öffentlich für seine Vorstellung starkzumachen und so etwas aktiv verändert (was mal wieder nicht passiert), ist dieser Weg alternativlos. So einfach kann das sein. Zumindest beim HSV.

In diesem Sinne, morgen wird wieder zweimal trainiert - und danach melde ich mich natürlich auch wieder mit dem Tagebuch. Das Tagebuch von heute beinhaltet natürlich auch die Auflösung der Wette von Tom Mickel und mir. Und ohne zu viel zu verraten - Fiete hat getroffen! Aber es bleibt spannend! Diesmal seid Ihr sogar am Zug und dürft entscheiden, wie es morgen weitergeht. Ich werde dafür den ersten Kommentar mit den drei Auswahlmöglichkeiten einstellen - und ihr entscheidet mit Euren Antworten. Wir werden alle Kommentare bis 12 Uhr morgen Mittag mit in die Wertung nehmen! Also, Tagebuch anschauen, Eure Wahl treffen - ab geht’s…!

 

Euch allen jetzt erst einmal einen richtig schönen Abend, einen schönen Start in den Donnerstag (natürlich wie gehabt mit dem MorningCall um 7.30 Uhr) und bis morgen! Scholle

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