Christian Hoch

6. März 2020

Drei Spiele in Folge ohne Sieg, darunter zwei Pleiten, nur ein geschossenes Tor: Zu einem ungünstigen Zeitpunkt in der Saison steckt der HSV in einer sportlichen Talsohle. Aufgrund der aufkeimenden Unruhe im Umfeld sah sich sogar Vorstandsboss Bernd Hoffmann zu einem öffentlichen Statement befohlen. Hoffmann stärkte der sportlichen Leitung um Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Dieter Hecking den Rücken, sprach allerdings auch unverblümt von einer „Krise“, in der sich der HSV befinden würde. Der Zusatz: „Honeymoon is over“ verleitete seinen Worten weiteren Zündstoff. An Trainer-Routinier Hecking, mehr als 20 Jahre dabei, perlten diese Sätze öffentlich ab - er widersprach. Es knirscht im Gebälk, doch noch ist das HSV-System nicht lahmgelegt, sondern voll funktionsfähig. Gegen „Angstgegner“ Regensburg (drei Duelle, kein Sieg) will der HSV die Wende schaffen, um beim Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga nicht ein zweites Mal krachend zu scheitern. Wie genau das gelingen soll und was in Bezug auf den kommenden Gegner zu beachten ist, erfahrt ihr wie gewohnt in unserem Teamvergleich. 

Die Ausgangslage: 

HSV: Das 0:2 im Derby gegen den FC St. Pauli hat Spuren hinterlassen, die noch nicht wieder beseitigt werden konnten. Im Gegenteil: Vergangene Woche setzte es für den HSV eine blamable 0:3-Klatsche beim FC Erzgebirge Aue. Ideenlos, fahrig, hilflos - so präsentierte sich die Hecking-Elf bei den Veilchen und ging verdient unter. Zeit für drastischere Maßnahmen. Hecking wird mit seinem Team sehr wahrscheinlich die Taktik umstellen und gegen den Jahn mit einem 4-4-2-System agieren. Die größten Gewinner: Christoph Moritz und Sonny Kittel, die wohl in die Anfangself rutschen werden und Aaron Hunt sowie Khaled Narey ersetzen werden. Auch der Kader für die Begegnung bietet Überraschungspotenzial: Für Ewerton (Knieverletzung), Gideon Jung (Sperre) und Jairo (sportliche Gründe) rutschen mit Xavier Amaechi, Stephan Ambrosius und Bobby Wood drei Kandidaten ins Aufgebot, mit denen niemand wirklich gerechnet hatte. Klar ist auch: Der HSV muss sich aus der derzeitigen Negativspirale schnellstmöglich befreien, wenn er den Anschluss an Tabellenführer Arminia Bielefeld (neun Punkte Rückstand) und den VfB Stuttgart (drei Zähler Rückstand) nicht verlieren will. Aktuell rangieren die Rothosen auf Relegationsrang drei. Grund zur Panik? Nein. Grund zur Sorge? Ja. 

Regensburg: Mit dem Jahn kommt eine Mannschaft ins Volksparkstadion, die tatsächlich in einer handfesten Krise steckt. Regensburg verlor von insgesamt sechs Rückrundenspielen satte fünf Stück, darunter eine 0:6-Demontage bei Arminia Bielefeld und zuletzt das ernüchternde 1:2 zuhause gegen Schlusslicht Dynamo Dresden. Die Mannschaft von Mersad Selimbegovic befindet sich mit 32 Zählern auf Rang neun zwar im gesicherten Mittelfeld, doch sollte der Sinkflug nicht gestoppt werden, könnte auch der Jahn noch einmal ernsthaft in Abstiegsangst geraten. Noch beträgt der Vorsprung auf Relegationsrang 16 acht Punkte, doch die aktuelle Entwicklung gibt mehr als berechtigten Ansatz zur Sorge. Für Optimismus sorgen in Bayern die Erinnerungen an die bisherigen Spiele gegen den HSV. Vor allem das - bis dato - letzte Aufeinandertreffen im Volkspark dürfte den Jahn-Anhängern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Mit 5:0 hatte Regensburg den damaligen Tabellenführer HSV in der vergangenen Saison vermöbelt und damit die Entlassung von Ex-Trainer Christian Titz eingeleitet. Es war ein historisches Debakel für die Hamburger und vor allem für die HSV-Fans eine Schmach. Für Selimbegovic, der damals noch kein Trainer der Profimannschaft gewesen ist, spielt dieses Ergebnis aber „keine Rolle“ mehr: „Damals haben wir einen guten Tag erwischt, bei uns hat fast alles geklappt. Aber am Samstag geht es wieder bei null los.“ In der Hinrunde erwischte er mit seinen Jungs jedoch ebenfalls einen guten Tag und stellte den Hamburgern mit dem späten 2:2 erneut ein Bein. In drei Partien gegen die Rothosen hat Regensburg zweimal gewonnen und einmal Unentschieden gespielt - eine makellose Bilanz. 

Das größte Problem: 

HSV: Die Derby-Pleite gegen Pauli hat der Mannschaft zum ersten Mal einen echten Wirkungstreffer verpasst. Auch wenn es laut Hecking im Anschluss der Partie in der Trainingswoche keinerlei Anzeichen für eine derartige Kapitulation in Aue gegeben hatte, war im Erzgebirge deutlich zu erkennen, dass das Selbstvertrauen und vor allem das Selbstverständnis, mit dem der HSV zu Beginn der Rückrunde aufgetreten war, erst einmal verschwunden sind. Das Hauptproblem liegt also - wie so oft - nicht in der generellen Qualitätsfrage der Mannschaft begründet, sondern vielmehr in den Köpfen der einzelnen Spieler. Im Einzelgespräch habe Jordan Beyer zu Hecking gesagt, er wäre von der ersten Sekunde in Aue nicht so ins Spiel gekommen, wie er es für seine Leistung braucht. Dieses Phänomen, das im Fußball so schwierig zu erklären und greifen ist, erlebten seine Teamkollegen an diesem Tag auch - eine verhängnisvolle Rezeptur. Denn sie ist der Ausgangspunkt für alles weitere: lasche Zweikampfführung, Stellungsfehler, Ideenlosigkeit, Fehlpässe, mangelnde Körpersprache - eine Kettenreaktion, die automatisch in Ergebnissen wie in Aue mündet. Die HSV-Spieler brauchen ihre individuellen Knotenlöser: Gelingen die ersten Aktionen, sind die Zuschauer automatisch aktiv und das Selbstverständnis kommt von alleine zurück - das braucht es aus HSV-Sicht zwingend gegen Regensburg. 

Regensburg: Anders als beim HSV liegen die Probleme beim Jahn bereits tiefer - zu lange hat die negative Entwicklung Einzug bei Regensburg. Vor dem Spiel in Hamburg kommen personelle Probleme dazu: Aaron Seydel (kleiner Muskelfaserriss) und Markus Palionis (Kniebeschwerden) fallen aus. Unverkennbar groß sind die Probleme in der Jahn-Offensive. Lediglich drei mickrige Tore erzielte die Selimbegovic-Elf im Kalenderjahr 2020 - ein Wert eines Absteigers. Marco Grüttner und Andreas Albers, eigentlich eingeplant als Torgaranten, schwächeln in diesem Jahr schwer und haben beide noch nicht einmal getroffen. 

Der Hoffnungsträger: 

Regensburg: Hoffnung macht das bevorstehende Comeback von Sebastian Stolze, der lange mit einer Gesichtsverletzung ausgefallen war. Stolze ist mit sieben Assists und vier eigenen Treffern der absolute Top-Scorer der Regensburger und dürfte gegen den HSV tatsächlich wieder mitwirken. Wenn nicht von Beginn an, dann zumindest als Einwechselspieler, um die Flaute zu durchbrechen. Vor dem vergangenen Spiel gegen Dresden wirkte Stolze bereits voll im Training mit, auch die zurückliegende Trainingswoche konnte der Hoffnungsträger mitmischen und seinen Rückstand weiter aufholen. Alles deutet also - trotz der langen Verletzung - auf ein Startelf-Comeback hin. 

HSV: Adrian Fein. Der Maskenmann verletzte sich beim - bis dato - letzten HSV-Sieg (2:0 gegen Karlsruhe) schwer am Jochbein und fiel für zwei Partien in Folge aus. In Aue musste er mit einer Spezialmaske eingewechselt werden. Dass dieser Einsatz für ihn zu früh kam - sowohl in Sachen Rhythmus als auch Vertrauen in das eigene Spiel - war klar ersichtlich. Doch sowohl er als auch Hecking machten vor dem Spiel gegen Feins ehemaligen Arbeitgeber klar, dass einem Einsatz höchstwahrscheinlich nichts im Wege steht. Fein selbst brennt darauf, wieder in der Startelf zu stehen: „Ich fühle mich durch die Maske nicht beeinträchtigt.“ Der Taktgeber aus der Hinrunde wurde im HSV-Spiel in den vergangenen Wochen schmerzlich vermisst - zu wenige Impulse gab es aus dem defensiven Mittelfeld, zu wenig Struktur hatte das gesamte HSV-Spiel ohne Fein. Die Ärzte haben das finale „Go“ für eine Kadernominierung gegeben, also deutet auch hier alles auf einen Einsatz von Beginn an hin. Für den HSV wäre dies extrem wichtig. 

Taktik: 

HSV: Heuer Fernandes, Beyer, Letschert, van Drongelen, Leibold - Fein, Moritz - Jatta, Kittel, Schaub - Hinterseer 

Regensburg: Meyer - Saller, Correia, Nachreiner, Okoroji - Stolze, Besuschkow, Geipl, George - Gruttner, Palacios

Ausblick: 

HSV: Es ist ein Muss-Spiel für den HSV - ohne Wenn und Aber. Diese Begegnung muss die Hecking-Elf gewinnen, wenn sie dem erneuten Super-GAU am Ende der Saison entfliehen will und der aufkommenden Unruhe entgegenwirken will. Eine Pleite für die Zweifel verstärken und die Stimmung weiter und härter umschwenken lassen. 

Regensburg: Die Situation der Regensburger ist kompliziert. Eigentlich stehen sie wegen ihrer furiosen Hinrunde, die sie tatsächlich zeitweise nahe an die Aufstiegsränge spülte, noch komfortabel da. Doch fünf Pleiten aus den vergangenen sechs Spielen sprechen eine ganz andere Sprache. Eine Niederlage in Hamburg würde den Negativ-Sog weiter vergrößern.

Wie würde Scholle jetzt schreiben: In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Beginn des Wochenendes. Janik und meine Wenigkeit melden uns morgen ab 11:30 Uhr vom Volksparkstadion bei euch und versorgen euch via Instagram und Facebook mit den frischen Eindrücken vor Ort. Nach dem Spiel gegen Regensburg gehen dann wie gewohnt Blog und Blitzfazit für euch online.

Viel Spaß damit und bis morgen

Christian 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.