Marcus Scholz

22. Mai 2020

Das Wichtigste gleich vorweg, so sah es auch HSV-Trainer Dieter Hecking, der sich vor Beginn der heutigen Video-Pressekonferenz mit aufbauenden Worten an das mit einem Hüftbruch im Krankenhaus liegende HSV-Idol Uwe Seeler wendete. „Von der Mannschaft, vom Trainerstab, von der sportlichen Leistung die besten Genesungswünsche. Uwe, bleib aufrecht! Du schaffst das. Wir sind in Gedanken bei Dir“, sagte der 55 Jahre alte Coach und versprach, dass er zusammen mit der Mannschaft am Sonntag im Spitzenspiel gegen Arminia Bielefeld alles dafür tun werde, mit einem Sieg zur Genesung beizutragen. Wie schwer das wird brauchte er dabei gar nicht zu betonen. Dennoch sagte er: „Arminia hat eine wahnsinnig geschlossene Mannschaft und es ausgenutzt, dass man sie eine Weile lang nicht so auf den Schirm hatte. Darüber hinaus verfügen sie über individuelle Qualität“, so der HSV-Coach, der insbesondere vor Bielfelds Torjäger Klos warnte, die fußballerischen Fähigkeiten von Keeper Ortega hervorhob und zudem nette Worte für seinen Kollegen Uwe Neuhaus fand. Er würde es dem Bielefeld-Coach gönnen, in der kommenden Saison in der ersten Liga zu trainieren. Das habe er sich verdient, so Hecking über seinen Trainerkollegen, der auswärts in dieser Saison erst eine Niederlage hinnehmen musste.

Bis jetzt zumindest. Denn das soll sich am Sonntag ändern, wie Hecking uns wiederum heute in der Videokonferenz sagte. Aktuell hat Bielefeld sieben Punkte Vorsprung auf den HSV und den VfB Stuttgart. Mit einem Sieg im direkten Duell am Sonntag soll der Verfolger vorentscheidend distanziert werden. „Verliert Hamburg, müssten sie zehn Punkte auf uns aufholen, und werden wohl nicht mehr in unsere Richtung denken. Wenn wir eine Niederlage erleiden, haben wir noch vier Punkte Vorsprung und können es aus eigener Kraft schaffen“, sagte Arminia-Coach Uwe Neuhaus am Freitag selbstbewusst.

Und dieses Selbstvertrauen kommt nicht von ungefähr. „Wir haben bisher in den Auswärtsspielen vieles richtig gemacht. Mit jedem weiteren Erfolg ist das Selbstvertrauen immens gewachsen.“ Und wenn es nach Hecking geht, ist dieser Prozess alles andere als überraschend. Der Tabellenführer sei über die gesamte Saison gesehen stabiler als die Konkurrenz und stünde zurecht vor dem HSV und Stuttgart verriet Hecking heute. Ob die Arminia am Sonntag der Favorit sei? Hecking wollte das nicht abschließend beurteilen. Es ist auch ehrlich gesagt sch…egal.

 

Denn Fakt ist: Der HSV muss gewinnen, wenn es noch einmal spannend werden soll und wenn man den zweiten Tabellenplatz sicher behalten will. Die zwei verschenkten Punkte aus Fürth müssen jetzt in den direkten Duellen gegen die Aufstiegskonkurrenten wieder reingeholt werden. Der Druck lastet also ziemlich eindeutig auf dem HSV. Sage ich. Und auch Bielefelds Trainer Neuhaus sieht es so. Inwieweit das auch tatsächlich eine Belastung ist? Keine Ahnung. Ich habe in meiner Zeit als Amateurfußballer die Spiele über alles geliebt, in denen es schon durch die Konstellation des Spieltages brisant war. Das Adrenalin hat dazu geführt, dass die Beine auch dann noch liefen, als der Körper eigentlich schon dichtgemacht hatte. Wem Hecking diese erhöhte Belastung zutraut? „Gut möglich, dass wir wieder mit der Startelf aus dem Fürth-Spiel beginnen“, so Hecking. Und ich hoffe, dass es letztlich nicht so kommt.

Gegen Bielefeld sollte Kittel wieder beginnen

Denn mir fehlte in Fürth gerade in der ersten Halbzeit noch zu viel. Auch Hecking kritisierte heute noch einmal, dass die ersten 20 Minuten eine Art Freundschaftsspielcharakter gehabt hätten, ehe Fürth das Kommando in der ersten Hälfte übernommen hatte. Seine Mannschaft sei erst in der zweiten Halbzeit die bessere Elf gewesen - und das sehe ich genauso. Ich glaube sogar, dass mit dem Wechsel von Sonny Kittel für Jairo Samperio der entscheidende Impuls gesetzt worden war. Dessen fußballerische Qualität auf der eh starken linken Seite vor Tim Leibold gepaart mit der klaren Traineransage, den Gegner früher zu attackieren, das waren der Schlüssel zum besseren Spiel und der Führung bis in die Nachspielzeit.

Von daher: Bitte diesmal gleich von Beginn an so, Herr Hecking! Zumal Sonny Kittel gegen Bielefeld eine überragende Bilanz hat: 4 Duelle, vier Tore und dazu noch vier Assists. Man könnte behaupten, Bielefeld ist eine Art Lieblingsgegner von Kittel. Und der neue Rollrasen, auf dem die Mannschaft am Sonnabend das erste Mal trainieren soll, kommt einem Techniker wie ihm auch noch entgegen.

 

Auf der anderen Seite wäre es für den harten Saisonendspurt sicher zuträglich, wenn Hecking auch all die Spieler in Wettkampfform bringen kann, die zuletzt hintenan standen. Wie beispielsweise Jairo Samperio, der in Fürth zwar bemüht wirkte, für mich allerdings zu wild vorn umher lief. Dass er trotzdem da war, als die Früher einen Fehler machten - es spricht dafür, dass Samperio seine Fähigkeit zu Antizipieren nicht verloren hat. Er sei ein „Schlitzohr“, hatte Hecking zuvor gesagt. Aber Samperio ist einfach nicht so weit, als dass er besser als Kittel ist.

Anders sieht es bei Josha Vagnoman aus, der Ion seinem ersten Spiel nach mehr als sechs Monaten Verletzungspause gleich drin war und ein gutes Spiel machte. Er habe vor seiner Verletzung schon gezeigt, dass auch über rechts mit einem ähnlichen Offensivdruck zu rechnen sei, wenn er auf dem Platz steht. Josha hat vor seiner Verletzung gezeigt, dass da viel abgehen kann“, sagte Hecking heute, als er auf die besser funktionierende, ungleich effektivere linke Seite angesprochen worden war.

 

Und „besser“ ist dann auch mein Stichwort zum Schluss: Denn wir alle können erst einmal aufatmen: Uwe Seeler hat die OP im Albertinen-Krankenhaus in Schnelsen gut überstanden! Dem 83-Jährigen ginge es den Umständen entsprechend gut, heißt es. Und auch wenn ich mich hier binnen kürzester Zeit wiederhole - in diesem Fall mache ich das nur zu gern: Komm schnell wieder auf die Beine, Uns Uwe!

In diesem Sinne, auch Euch natürlich alles Gute und einen schönen Restfreitag mit dem zweiten Geisterspieltag. Bis morgen!

Scholle

 

Community-Talk vor dem Spiel gegen Bielefeld:

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