Marcus Scholz

11. Juli 2019

Der Ruf nach Veränderungen beim HSV ist in den letzten Jahren von Saison zu Saison lauter geworden. Alles, was anders ist, zählt beim HSV als potenziell besser. Auf dem Platz führte das zu den irrwitzigsten Profipremieren in den letzten Jahren. Spieler kamen und gingen. Aus „Toptalenten“ wurden schnell Rohrkrepierer. Und  teure Soforthilfen gingen nicht selten vor Vertragende mit Abfindung. Ebenso Trainer. Der HSV verfeuerte die geliehenen Millionen von Klaus Michael Kühne, als stünde im Keller des Volksparkstadions eine Gelddruckmaschine. Und plötzlich war nichts mehr da. Die Führungen sind gegangen, das Geld ist weg - und der HSV ist zweitklassig. Leichtes Spiel für diejenigen, die sich an die Macht hieven wollen, hieß es. Und so kam es dann ja auch. Bernd Hoffmann katapultierte sich im Eiltempo an die Klubspitze. Aber: „Leicht“ war nur der Weg an die Spitze. Denn auch Hoffmann steht inzwischen unter dem Zwang, erkennbare Veränderungen herbeizuführen - und vor allem, damit auch Erfolg zu haben.

Neun neue Spieler sind gekommen, 14 Spieler sind schon gegangen. Und es sollen weitere folgen - auf beiden Seiten. Der Umbruch, den der HSV in den letzten zehn Jahren ebenso inflationär propagierte wie nicht umsetzte, wird angegangen. Auch im Umfeld setzen die Verantwortlichen darauf, nichts beizubehalten, was den HSV in den letzten Jahren im Misserfolg in irgendeiner Form begleitet hat. Deshalb wurde unter anderem das Trainingslager aus Rothenburg nach Kitzbühel verlegt. Und deshalb verabschiedete man heute auf Lotto King Karls Hymne „Hamburg, meine Perle“. Ein Schritt, den ich nicht für nötig halte. Aber ich weiß auch, dass es in dieser Diskussion für beide Seiten eine Menge Argumente gibt.

Hoffmann erklärt Lottos Absetzung mit dem Wunsch nach Veränderung

Per Pressemitteilung auf der Homepage erklärte der HSV das Ende des Stadionsongs, der seit 14 Jahren vor jedem Heimspiel gespielt wurde. Zumeist live von Lotto und Carsten Pape selbst. „Wir haben diese Entscheidung sehr intensiv durchdacht und besprochen. Wir sind zum Schluss gekommen, dass das Lied, das uns viele Jahre begleitet hat, in der aktuellen Situation überhaupt nicht mehr zum HSV und zu unserer Haltung passt. Wir wissen um Lotto King Karls außerordentliche Verdienste für den HSV, und ich bedanke mich herzlich für Lottos Auftritte bei unseren Heimspielen - das gilt natürlich auch für Carsten Pape. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir inhaltlich und personell eine Veränderung möchten.“

 

Lottos Hymne abzuschaffen  wird vielen Fans schmerzen. Das war im Vorfeld anhand verschiedenster Diskussionen deutlich geworden.  Ebenso versuchen die Verantwortlichen nach dem personellen Umbruch auf Führungseben, in der Mannschaft sowie mit der Abschaffung der Bundesligauhr und eben dieser Entscheidung noch einmal zu verdeutlichen, wie nachhaltig ihr Streben nach Veränderungen ist. Lottos Hymne wird geopfert, um nach außen zu verdeutlichen, dass auch Dinge gehen müssen, die man lieb gewonnen hat - wenn sie denn den schleichenden Abstieg in den letzten Jahren in irgendeiner Form begleitet haben. Und dabei ist fast nebensächlich, ob sie direkten Einfluss hatten oder nicht. Das „Haus HSV“ bekommt nicht nur einen neuen Anstrich - es wird abgerissen, alles weggeworfen und neu aufgebaut.

Der HSV muss personell noch nachbessern, um ganz oben anzugreifen

„Am Ende entscheidet der Erfolg auf dem Platz“, sagt Sportvorstand Jonas Boldt immer wieder. Versuche, seine bisherige Arbeit einzuordnen, unterstützt der 37-Jährige nicht. Es sei unseriös, vor dem ersten Spiel Bewertungen abzugeben. Zudem ist klar, dass der HSV in Sachen Kaderplanungen noch einige wichtige offene Baustellen hat. Und damit meine ich nicht die Personalien von Kaderplaner Johannes Spors, mit dem sich der Hsv auf eine Auflösung seines Vertragsverhältnisses einigen will und wohl auch wird. Vielmehr geht es um die Mannschaft, die bislang einen guten Eindruck macht - die aber so noch nicht fertig ist. Um wirklich ganz oben mitzuspielen, brauche der HSV Spieler, die konstant hohes Niveau abliefern, hatte Michael Mutzel gestern völlig richtig gesagt. Und gerade in diesem Segment ist der HSV meiner Meinung nach noch zu wackelig. Soll heißen: Es sind genug Spieler mit diesem spielerischen Potenzial da - aber zu wenige, auf die man bedenkenlos 34 Spieltage lang setzen kann.

Josha Vagnoman (l.) und David Jonas (r.) mit Fan

 

 

„Ich freue mich für Papa“, hatte Trainer Dieter Hecking nach dem 1:1 gegen Olympiakos Piräus den wieder genesenen Griechen für dessen starke Trainings- und gute Spielleistung gelobt. Aber er hatte auch zeitgleich gemahnt: „Wir wissen bei dieser Art der Verletzung auch, dass sich alles ganz schnell drehen kann. Deshalb sind wir vorsichtig positiv gestimmt.“ Man müsse den Blick auch über den Moment hinaus wahren. Und dabei wird klar: Mit Papadopoulos, Jung, Kittel (allesamt mit schweren Vorschlägen in den  Knien) sowie den chronisch verletzungsanfälligen David Kinsombi und Aaron Hunt gibt es schlichtweg zu viele Unwägbarkeiten.

Die Ausgangslage für den Kader ist gut - aber es reicht noch nicht

Dennoch bleibe ich dabei: Der HSV hat sich seinen Mitteln entsprechend eine gute Ausgangslage verschafft. Würden alle Spieler gesund bleiben - was nie passiert - könnte man auch so in die Saison starten. Aber da das mehr als unwahrscheinlich ist und die Verantwortlichen das wissen, wird weiter geplant bzw. gesucht. Zum einen Vereine für die Spieler, die man noch loswerden will (Sakai, Pollersbeck), zum anderen weitere Neue für zentrale Positionen. Die von den Kollegen immer wieder gehandelten zwei Neuen rechen hierfür meiner Meinung nach nicht aus, um den HSV von einem potenziell Fünften  mit Chancen auf mehr wieder zu einem klaren Aufstiegsanwärter zu machen. Und wenn ich die Stimmen richtig deute, sehen es die HSV-Verantwortlichen um Boldt ebenso. Zum Glück.

Heute war am Vormittag nur lockeres Training angesagt. Nach einem kurzen Ständchen von allen für Geburtstagskind Jairo Samperio (26 Jahre) liefen die Spieler, die gestern 60 Minuten auf dem Patzt standen, nur aus, während die anderen lockere Technikübungen (immer wieder in Wettkampfform) machten. Gideon Jung (Adduktoren) und Julian Pollersbeck (Oberschenkelprobleme) pausierten. Am Nachmittag hatten dann alle Profis frei. Zumindest bis zum Abendbrot. Denn im Anschluss daran ging es für die Spieler wieder zum Trainingsplatz - allerdings in offizieller Funktion zum traditionellen Fanfest, das durch den Regen zwar eine eng erschwert wurde.

 

Allerdings hatten sich die Veranstalter vor Ort viel Mühe gegeben und Zelte aufgebaut, unter denen es dann eben ein wenig buckeliger wurde. Spieler und Fans saßen hier eng auf eng. Dabei wurde Rick van Drongelen auch mehrfach auf die kurz zivpr getätigten Äußerungen angesprochen, dass er unbedingt beim HSV bleiben wolle. Und das wiederum fanden die Fans sichtlich gut - ganz im Gegensatz zu der verkündeten Entscheidung, Lottos Hymne nicht mehr zu spielen. Wir haben uns bei den anwesenden Fans umgehört (und teilweise auch im Video befragt), nur einer von ca. 20 Fans war der Meinung, dass die Entscheidung richtig sei. Ein klares Votum vor Ort.

Parallel dazu hat sich auch Lotto King Karl selbst geäußert:

So viel für heute. Ich melde mich morgen früh wieder mot dem MorningCall um 7.30 Uhr bei Euch.

Bis dahin,

Scholle

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