Tobias Escher

4. Februar 2020

Meine Erwartungen an Hamburgs Auswärtsspiel beim VfL Bochum waren gering. Die Bochumer gehören zu den Zweitliga-Teams, die in dieser Saison weder spielerisch noch taktisch groß auffielen. Eine leichte Aufgabe für den HSV also? Mitnichten. Bochums Trainer Thomas Reis hatte sich ein interessantes System ausgedacht, um den HSV zu ärgern.

Nach dem erfolgreichen Start in die Rückrunde sah Trainer Dieter Hecking keine Veranlassung, seine Mannschaft zu verändern. Der HSV begann mit derselben Aufstellung wie beim 4:1-Sieg gegen Nürnberg. Louis Schaub begann erneut als Mischung aus Achter und Zehner, der HSV pendelte bei Ballbesitz wie gewohnt zwischen 4-3-3 und 4-2-3-1.

Gegen den Ball agierte der HSV in dieser Partie in einem ziemlich klaren 4-3-3. Sie wollten damit die Formation der Bochumer neutralisieren: Diese setzten im Spielaufbau auf eine 4-3-3-Variante. Hamburgs vordere Dreierreihe postierte sich eng, um sofort zum Pressing übergehen zu können. Dahinter agierte Hamburgs Dreiermittelfeld mannorientiert gegen Bochums Dreiermittelfeld. Das hohe Pressing der Hamburger funktionierte: In der ersten Halbzeit musste Bochum fast immer den langen Ball wählen, sie konnten sich praktisch nie hinten herauskombinieren.

Taktische Aufstellung Bochum - HSV
Taktische Aufstellung Bochum - HSV

 

Bochum mit interessantem Spielsystem

Der HSV war jedoch nicht die einzige Mannschaft an diesem Abend, die gut verteidigte. Bochums Trainer Reis hatte sich ein spezielles Spielsystem ausgedacht: Zunächst wirkte es so, als verteidige Bochum wie der HSV in einem 4-3-3. Die beiden Außenstürmer waren jedoch keine echten Außenstürmer. Simon Zoller und Tom Weilandt rückten immer wieder in die vorderste Linie, um die HSV-Verteidiger zu stellen.

Das war eine clevere Variante. Zoller und Weilandt belauerten zunächst den Passweg von Hamburgs Innen- auf die Außenverteidiger. In der Folge liefen sie Hamburgs Innenverteidiger von Außen an. Sie lenkten damit den Spielaufbau der Hamburger in Richtung Zentrum. Der HSV konnte das Spiel in der ersten Linie nicht in die Breite aufbauen.

Das Zentrum wiederum kontrollierte Bochum. Adrian Fein wurde – wie mittlerweile bei HSV-Gegnern üblich – in eine enge Manndeckung genommen. Allerdings nahm diese Manndeckung kein Mittelfeldspieler vor, sondern Stürmer Silvere Ganvoula. Er ließ sich leicht zurückfallen. Dabei deckte er Fein nicht von hinten, sondern verblieb vor ihm. Eine clevere Variante: Ganvoula verhinderte, dass überhaupt Pässe zu Fein gespielt werden konnte. Er richtete seinen Blick dabei immer wieder auf Fein, sodass dieser hinter seinem Rücken nicht entwischen konnte. Bochums Dreiermittelfeld konnte so eine Überzahl im Mittelfeld behalten gegen Jeremy Dudziak und Schaub. Für den HSV waren alle Zuspielwege nach vorne blockiert. Rick van Drongelen und Timo Letschert mussten häufig den langen Ball wählen – und dieser ging schnell verloren.

Beide Teams neutralisierten sich mit ihren Defensivplänen. Torchancen waren vor der Pause daher Mangelware. Bochum wurde nur gefährlich, wenn sie den Ball im Mittelfeld erobern und schnell umschalten konnte. Der HSV wiederum versprühte zumindest etwas Gefahr über die linke Seite. Wenn Tim Leibold, Sonny Kittel und Dudziak hier kombinieren konnten, gelangten sie fast immer in Strafraumnähe. Nur verhinderte Bochum meistens, dass der Ball überhaupt auf diese Seite gespielt werden konnte. Zur Pause stand es 0:0.

 

Bochum geht ins Risiko

Interessanterweise waren es die Bochumer, die nach der Pause ins Risiko gingen. Ganvoula rückte nach vorne und deckte fortan nicht mehr Fein. Diese Aufgabe übernahm Achter Vitaly Janelt. Bochum presste nun aktiver in einem 4-2-3-1. Ein Rhythmuswechsel, welcher dem HSV nicht guttat: Sie verloren jetzt die Bälle früher im Aufbau, Fehler reihte sich an Fehler.

Auch Bochums Offensive profitierte von dieser taktischen Änderung. Ganvoula konnte sich stärker auf das Konterspiel fokussieren, jetzt da er von Defensivaufgaben befreit war. Bochum drängte jetzt auf das Tor – und ging auch in Führung (65.). Mit einem Geniestreich konnte Leibold jedoch sofort wieder ausgleichen (68.).

Dieser schnelle Ausgleichtreffer war das große Glück der Hamburger, würgte er doch das Momentum der Bochumer ab. Diese zogen sich nun zunächst etwas weiter zurück. Hecking indes wechselte doppelt: Mit Joel Pohjanpalo (71., für Lukas Hinterseer) kam ein neuer Stürmer, mit Gideon Jung (71., für Dudziak) ein neuer Mittefeld-Mann. Jung interpretierte seine Position etwas defensiver und reihte sich im Spielaufbau neben Fein ein. Das brachte Bochums abgestimmte Ordnung durcheinander und verschaffte dem HSV ein Übergewicht im Mittelfeld. Bochum wusste schlicht nicht, welcher Spieler auf Jung herausrücken soll.

Dass der HSV das Spiel drehen konnte, lag letzten Endes an Fehlern Bochums. Vor dem 1:2 (74.) rückte zunächst Innenverteidiger Saulo Decarli viel zu aktiv heraus, ehe Maxim Leitsch den Zweikampf gegen Pohjanpalo verlor. Nach dem Rückstand löste Bochum die Viererkette auf und rückte weiter und weiter nach vorne. Konterräume waren die Folge, welche der HSV zu nutzen wusste.

 

Fazit

Zumindest eins muss man dem HSV lassen: Er war stets zur Stelle, wenn sich die Bochumer eine kleine Schwäche leisteten. Zudem zeigte der HSV gerade in der ersten Halbzeit eine engagierte wie taktisch disziplinierte Defensivleistung. Doch sowohl in der ersten als auch in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit gelang es dem Abstiegskandidaten aus dem Ruhrgebiet, die Hamburger Offensive lahmzulegen. Aus taktischer Sicht gewannen die Hausherren das Duell. Die Punkte gehen jedoch nach Hamburg – und liefern eine gute Ausgangsbasis für das weitere Aufstiegsrennen. Mal schauen, ob sich der Karlsruher SC nach der Entlassung von Trainer Alois Schwartz am kommenden Samstag auch eine interessante Variante einfallen lassen wird.

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