Marcus Scholz

22. März 2020

Die Zahlen beunruhigen. In Hamburg steigen die Zahlen der Neuinfizierten weiter und schnell an. Und damit sind wir weder in Deutschland noch europaweit allein. Schon deshalb gibt es aktuell eine Milliarde Dinge und Themen, die wichtiger sind als der HSV. Und darum kümmere ich mich auch. ich versuche mich wie so viele positiv einzubringen und dort zu helfen, wo Hilfe benötigt wird. In meiner Familie ebenso wie bei meinen Nachbarinnen und Nachbarn. Heute etwas mehr als sonst. Und trotzdem bleibt mir wie vielen von Euch noch etwas Zeit, ein Stück weit Normalität beizubehalten - solange man beim HSV von „normal“ sprechen kann. Und nachdem die letzten Tage durch Vorstandstheater, Machtkämpfe und Aufsichtsrat viel Frust und Verdruss produziert haben, wollte ich heute (und morgen noch etwas intensiver) die aufkommende Diskussion in Sachen 50+1-Regelung aufgreifen, die Euch hier intensiv beschäftigt.

 

 

Denn fernab von der Verschwörungstheorie, dass das Vorstandstheater aus der Schweiz von Multimilliardär Klaus Michael Kühne gesteuert wird, um die eigenen Anteile auch über die bisherige Höchstgrenze von 24,9 Prozent hochzuschrauben, wird das Thema Finanzen in den nächsten Monaten das beherrschenden Thema sein. Logischerweise. Denn die Corona-Krise wird den Fußball massiv beeinflussen und verändern. Nein: Sie hat den Fußball schon verändert.

Corona-Krise wird Fußball-Deutschland verändern 

„Im Moment fehlen uns Ticketing-Einnahmen, es fehlen uns unter Umständen die Fernsehgelder und teilweise auch die Einnahmen aus den Sponsorenverträgen. Das ist natürlich wirtschaftlich der Tod“, urteilte Hannover-96-Boss Martin Kind heute bim „Doppelpass“. Und damit sprach er für die allermeisten unter den 36 Profiklubs in Deutschland. Seiner Meinung nach hätten alle Bundesliga-Vereine „alle Fehler gemacht, die man machen kann“, unterstrich Kind. Die Klubs hätten in all den Jahren „von der Hand in den Mund gelebt“. Und damit ist auch der HSV gemeint - obgleich man auf Vorstandsebene versichert, dass man diese Saison auch ohne Fortsetzung der Saison überleben könne. Fakt aber ist, dass Klubs vor Insolvenzen stehen, über die aktuell nicht in diesem Zusammenhang berichtet wird.

Die DFL und der DFB hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, allen Klubs die maximale Hilfe zukommen zu lassen. Dazu gehört auch ein vereinfachtes Lizenzierungsverfahren, das die Verluste der Corona-Krise bei den Klubs berücksichtigen soll. Dennoch ist es im Fußball nicht anders als sonst in der freien Marktwirtschaft, wo schon jetzt solvente Unternehmen darauf schielen, Corona-kriselnde Firmen kostengünstig zu schlucken. „Unfair und asozial“ sagen die einen, „der Markt schrumpft sich gesund“ behaupten die, die davon profitieren. Und letztlich ist es beides. Denn auch Fußball ist auf Höchster Ebene nichts anderes als brutaler Kapitalismus, womit ich hier sicher niemandem was neues erzähle.

Martin Kind fordert Einführung von „Salary Cap“

Neu ist lediglich die Zwangslage, in der deutsche Fußballklubs plötzlich beginnen, den Fehler im System zu erkennen.  Hannovers Boss Martin Kind hat sich inzwischen für eine Gehaltsobergrenze im Profi-Fußball ausgesprochen. Ein sogenannter „Salary Cap“, wie er in den Profiligen in den USA bereits gängige Praxis sei, wäre für ihn vorstellbar. Vereine dürfen dort nur eine bestimmte Summe an Geld für die Gehälter der Spieler ausgeben. „Ich bin für einen Salary Cap“, sagte Kind, „es gibt keine Denkverbote. Da gehört so ein Modell dazu.“ Stimmt. Aber es ist eben auch nur eines von vielen. Denn das größere Problem stellen immer die dar, denen es besser geht und die diesen Zustand beinhalten wollen. Oder glaubt irgendeiner von Euch, dass sich Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig dafür aussprechen würden?

Niemals. RB Leipzig schafft es sogar, in der aktuellen Phase in Gruppen zu trainieren, in der die Bundeskanzlerin von allen Bundesbürgerinnen und -bürgern zurecht die Solidarität einfordert, zuhause zu bleiben. Vorbildfunktion und Profifußball - das hat leider noch nie gepasst. Egal, wie oft man davon gesprochen hat. Hier machen die Ausnahmen die Regel - womit ich die Aktionen der Gladbach-Profis und die ins Leben gerufene Charity-Aktion „We kick Corona“ von den Bayern-Profis Leon Goretzka und Josua Kimmich auch hier gern noch einmal ausdrücklich loben möchte.

Schere zwischen Arm und Reich wird größer

Der Fußball hat tatsächlich die einmalige Chance, sich für einen Moment aus dem Kreislauf der Gier zu befreien und  neu aufzustellen. Die Marktpreise für Spieler könnten wieder auf ein verträglicheres Niveau gesenkt werden. Kinds Vorschlag ist zwar wenig realistisch, aber eine Option. Aber es steht zu befürchten, dass die Schere zwischen arm und reich durch Corona noch deutlich weiter auseinandergeht. Im Fußball wie auch sonst überall auf der Welt, wo die Freie Marktwirtschaft greift, werden auch hier die reichen (Klubs) die ärmeren schlucken, indem sie ihre Not nutzen.

 

Beim HSV wird hierbei natürlich schnell der Name Klaus Michael Kühne ins Spiel gebracht. Der Investor hatte zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, seine Anteile gern auch über die Grenze von 25 Prozent hinaus aufzustocken. Klubboss Bernd Hoffmann hatte das bislang konsequent ausgeschlossen. Und Stand heute bleibt es auch dabei. Warum das Sinn macht und warum der HSV bei einem Wegfall der 50+1-Regelung der große Verlierer sein würde - dazu morgen mehr, wenn ich sowohl Klubboss Bernd Hoffmann als sich mit Finanzvorstand Frank Wettstein habe sprechen können. Zudem melde ich mich natürlich auch morgen früh um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch. 

Bis dahin Euch allen erst einmal einen schönen Restsonntag, kümmert Euch um Eure Liebsten, und vor allem: Bleibt gesund!

Scholle

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