Marcus Scholz

23. August 2020

Ich habe mir das Spiel noch mal angeguckt. Und ich habe mich geärgert. Vor allem darüber, dass ich statt der 90 Minuten auch das vom HSV zur Verfügung gestellte Highlight-Video hätte gucken können. Diese 84 Sekunden Minuten zusammen mit dem klaren Statement von Trainer Daniel Thioune nach dem Spiel - es hätte gereicht, um zu manifestieren, dass der HSV in der aktuellen Konstellation keine Ansprüche auf die oberen Tabellenplätze stellen darf. „Ergebnisse tun immer gut, wenn man gewinnt. Das ist gut für die Seele und gut für den Kopf“, sagte  Thioune, nachdem seine Jungs über dreimal 30 Minuten angesetzten Test gegen das alles andere als starke dänische Team von Randers FC mit 1:2 verloren hatte. „Das hat nicht Not getan. Das zweite Tor haben wir dem Gegner geschenkt“, ärgerte sich Thioune. „Wir hatten zu viele Ballverluste und zu wenig Tempo. Das ist etwas, woran wir in den nächsten Tagen arbeiten werden. Wir werden in den nächsten Spielen auch noch mal einige Dinge ausprobieren und verändern.“ Muss er auch.

Denn der Kader ist natürlich noch lange nicht der, der es sein soll. Es fehlen weiterhin zwei gestandene Innenverteidiger, weshalb der HSV-Trainer in den Testspielen viel probieren und improvisieren musste. Gestern versuchte er es sogar mit der für mich fast schon unvorstellbaren Lösung Aaron Opokus als Rechtsverteidiger, während Amadou Onana und Klaus Gjasula in der Innenverteidigung aushelfen mussten. Dadurch rückte Aaron Hunt noch auf die Sechs – viel mehr Risiko kann man aufstellungstechnisch defensiv wohl nicht eingehen. „Wer sieht, wo die Spieler aktuell zum Einsatz kommen - im Moment brauchen wir eine gewisse Dynamik. Da wird es sicherlich noch einige Veränderungen geben.“ Zudem würde man mit Kittel, Gyamerah und Terodde auch noch Qualität auf den Platz bekommen, wenn diese Spieler einsatzfit sind, so Thioune nach dem Testspiel gegen Randers.

Randers offenbart Lücken, die zu schleißen sind

Nachdem man im Test gegen Midtjylland noch darüber sprechen konnte, immerhin gegen einen Champions-League-Teilnehmer schlichtweg unterlegen gewesen zu sein, muss man festhalten, dass die Niederlage gegen Randers eine andere Qualität hatte. Noch nicht für die anstehende Saison – sehr wohl aber für die Kaderplanung des HSV. Hier besteht weiter dringend Handlungsbedarf. „Ich habe allen Spielern ausreichend Platzzeit gegeben. Da haben sich einig gut gezeigt, einige weniger. Darüber kann man reden“, so Thioune, wobei ich ergänzen würde: Darüber muss man reden. Am besten zeitnah im Trainingslager, wo Mannschaft und Trainer sieben Tage lang eng beisammen sind.

Im österreichischen Bad Häring soll von Montag bis Sonntag intensiver an den Grundlagen defensiv sowie dem eigenen Offensivspiel gearbeitet werden. „Da werden wir uns dann um das Spiel mit dem Ball kümmern“, so Thioune. Dann auch erstmals mit Neuzugang Simon Terodde, der gestern zwar am Rand saß, aber noch nicht zum Einsatz kam. Ein Einsatz gegen die Dänen wäre nach zuvor vier trainingsfreien Tagen mit einem zu hohen Risiko behaftet gewesen. „Er wird in den Testspielen im Trainingslager aber seine Platzzeit bekommen“, kündigte Thioune an. Im Trainingslager in Österreich testet der HSV im Rahmen des „Helden Cups“ gegen den VfB Stuttgart (26. August) und Feyenoord Rotterdam (28. August).

 

Nahezu ausgeschlossen ist, dass der Kader bis dahin schon qualitativ entscheidend aufgewertet werden kann. Das muss er aber – aus vielerlei Gründen. Denn zum einen ist das Spielniveau, das gegen Rostock, Midtjylland und vor allem Randers gezeigt wurde, lange nicht zufriedenstellend. Im Gegenteil. Zum anderen aber verhindert fehlende Qualität auch das nötige Trainingsniveau, an dem sich junge Spieler orientieren und wachsen können. Josha Vagnoman, Amadou Onana und Jonas David könnten im Optimalfall zu einer Soforthilfe werden, während Opoku noch weit hinterherhängt. Manuel Wintzheimer ist als dritter Stürmer allemal ausreichend, Spieler wie Jonah Fabisch,  Bryan Hein und Lukas Pinckert sind bislang nicht mehr als Trainingskaderauffüller. So aber verliert der HSV gerade viel Zeit. Finanziell erzwungen – okay.  Aber wer sich das Interview mit Thioune nach dem Spiel angehört hat, der wird herausgehört haben, dass auch er weiß, dass sich dieser Zustand schnell verbessern muss, wenn man auf dem Weg zum ersten Pflichtspiel im Pokal bei Dresden entscheidend vorankommen will.

Thioune stößt beim Kader schon an Grenzen

Der HSV hat noch viel Arbeit vor sich. Sehr viel. „Wir lassen uns nicht treiben“, hatte zuletzt Sportdirektor Michael Mutzel gesagt und betont, dass man erst dann etwas machen werde, wenn man zu 100 Prozent überzeigt ist – was auch gut ist. Was nicht gesagt wurde, obgleich es bekannt ist: Dem HSV fehlen offensichtlich die Kandidaten, die man auch bezahlen kann. Soll heißen: Entweder man findet entsprechend kostengünstige Spieler oder der HSV generiert zeitnah neue Einnahmen (wie über Spielerverkäufe, Spielerabgaben zum Gehalteinsparen, einen neuen Hauptsponsor, Stadionnamen verkaufen etc.). Denn bei aller Hoffnung auf die Kreativität Thiounes scheint auch der neue HSV-Coach aktuell mit dem vorhandenen Spielermaterial Grenzen zu stoßen. Noch ist ausreichend Zeit bis zum Saisonauftakt – aber das darf eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass man auch noch mehr als genügend Baustellen offen hat.

 

Ein Thema, über das im Übrigen morgen auch ein junger Kollege seinen Gastbeitrag verfassen wird. Ein sehr interessanter Ansatz wie ich finde, den Ihr morgen Abend an dieser Stelle parallel zu allen Neuigkeiten beim HSV geliefert bekommt, der morgen seinen Reisetag ins Trainingslager hat. Vorher bin ich natürlich auch wieder pünktlich um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch.

Bis dahin!

Scholle

 

Aogo beendet Karriere

Der ehemalige HSV-Profi und Nationalspieler Dennis Aogo beendet seine aktive Karriere. Das gab der 33-Jährige am Sonntag bekannt. «Ich habe mich entschieden, meine Laufbahn als Spieler zu beenden», schrieb Aogo bei Instagram und postete ein Video mit Erinnerungen aus seinen 16 Jahren als Profi-Fußballer. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagte der ehemalige Defensiv-Allrounder. Aber „die Zeit für einen Schnitt und dann auch einen nächsten Schritt ist gekommen“. Er wolle „dem Fußball DANKE sagen für so viele Erlebnisse, so viele lehrreiche Momente, so viele Augenblicke und Freundschaften, die für immer bleiben werden. Meine Mannschaft in der Zukunft ist meine Familie, unser zweiter Neuzugang ist unterwegs“, schrieb Aogo, der mit seiner Frau Ina in Berlin lebt und mit ihr das zweite gemeinsame Kind erwartet: „Wir können unsere Vorfreude kaum beschreiben.“ 

Der gebürtige Karlsruher hatte im Oktober 2004 beim SC Freiburg sein Profi-Debüt gegeben. Später spielte er für den Hamburger SV, den FC Schalke 04 sowie den VfB Stuttgart in der ersten und zuletzt noch ein knappes halbes Jahr für Hannover 96 in der 2. Liga. Ende Januar einigte er sich mit den Niedersachsen auf eine vorzeitige Vertragsauflösung, seitdem war er vereinslos. Insgesamt kommt Aogo in seiner Karriere auf 257 Bundesliga-, zwölf Champions-League- und 22 Europa-League-Einsätze. Mit der deutschen Nationalmannschaft nahm er an der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika teil.

Wie es nun für ihn weitergeht, ließ Aogo zunächst offen. „Aber wer mich kennt, weiß, dass ich auch beruflich meine Herausforderungen brauche. Dazu dann demnächst mehr“, schrieb er: „DANKE, dass ihr mit mir diesen Weg gegangen seid, er war unglaublich. Und er geht weiter.“

Daher auch noch mal von dieser Stelle: Alles Gute, Dennis!!

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.