Marcus Scholz

1. Februar 2018

Es war schwer, mich heute zu motivieren. In den letzten Wochen schwang im Gegensatz zum Tag 1 nach dem Ende der Transferperiode noch jedesmal latent die Möglichkeit mit, dass ich mich doch getäuscht haben könnte und hier einfach nur extrem diskret gearbeitet wird und die Namen der Kandidaten einfach nur unter Verschluss gehalten werden, bis einer oder sogar zwei, drei von ihnen verpflichtet sind. Aber wie wir alle wissen, kam es anders. Der HSV blieb tatenlos. Zwar wird erzählt, wie sehr man in den aktuellen Kader vertraut und dass man sich ja keinen Sorgen machen müsse, weil man absolut überzeugt davon ist, den Klassenerhalt auch so zu schaffen. Die Handlungsunfähigkeit wird quasi als Strategie dargestellt. Doch passenderweise konterkariert man sich binnen Sekunden selbst. Immerhin macht man keinen Hehl daraus, dass man sehr wohl versucht hatte, sich insbesondere in der Offensive zu verstärken. Allein die Finanzen reichten nicht aus...

Bei Bobby Wood, der hier seit Monaten außer Form ist, wird das nicht für neues Selbstvertrauen sorgen. Und das finde ich nicht schlimm, ehrlich gesagt. Überhaupt nicht. Denn wenn ein Profi auf der einen Seite der Meinung ist, sich nach ein paar guten Spielen eine Gehaltsverdoppelung verdient zu haben, dann muss er auch im entgegengesetzten Fall derartige Seitenhiebe ertragen können. Allein der introvertierte, manchmal auf dem Platz sogar schon desinteressiert wirkende US-Nationalspieler scheint derzeit durch nichts und niemanden motiviert werden zu können. Teamintern stößt diese desinteressierte, destruktiv wahrgenommene Haltung schon seit längerer Zeit auf viel Unverständnis. Ihn auszutauschen, ihn zu ersetzen - oder aber mindestens durch einen weiteren Offensivmann zu ergänzen, es wäre trotz (oder gerade wegen) eines Toptalentes wie Fiete Arp dringend notwendig gewesen. Und alle wussten das.

Entsprechend groß sind die Hoffnungen und Erwartungen in Neu-Trainer Bernd Hollerbach, der an alle Spieler unvoreingenommen herangetreten ist. Auch an Bobby Wood, den er in Leipzig von Beginn an aufbot und der eine sehr durchwachsene Partie bot. Heute im Training übte Hollerbach wieder die Basics: Kompakte Defensive, gutes Verschieben (als Trockenübung ohne Ball) und den Torabschluss. Insgesamt ist tatsächlich Hollerbach schon derjenige, an dem sich hier alle orientieren sollten, wenn nicht gar müssen. Und das spricht nicht für die Verantwortlichen. Ganz im Gegenteil: Denn Hollerbach macht nichts anderes, als das allernormalste: Er kümmert sich um das Miteinander, indem er dem Teamgedanken vorlebt. Er hat schon alle Mitarbeiter in ihren Abteilungen besucht, was nicht viele Trainer vor ihm für nötig erachtet haben. Er grüßt jeden Mitarbeiter gleich nett und demonstriert Respekt. Kurzum: Hollerbach ist ganz normal. Und damit fällt er hier schon auf.

So traurig das auch ist - auch ich finde es traurig –, so sehr freue ich mich aber zugleich darüber, dass sich dieser Zustand offenbar ändert. Weg von vermeintlich soziopathisch veranlagten Trainertypen, hin zu dem unaufgeregten, realistischen und geerdeten Trainertypen, der die Probleme so beim Namen nennt, wie er sie sieht. Und sei es noch so simpel. Denn das hat Vorgänger Markus Gisdol zuletzt immer zu umgehen versucht. Vielleicht auch, weil er befürchtete, die einfachsten Mankos könnten auf sein Training zurückgeführt werden.

Egal sowie, ich habe gestern lange überlegt, was mir Hoffnung machen kann, dass es besser wird, ohne dass personell etwas verändert wurde. Weder oben noch in der Mannschaft. Und tatsächlich ist es die Art von Hollerbach, die hier doch noch die Punkte herauskitzeln kann, die dem SV bislang fehlen. Gekommen bin ich darauf allerdings nur, weil ich mich mit verschiedenen Mitarbeitern des HSV unterhalten habe – insbesondere mit dem Trainerteam der U21. Soner Uysal und Christian Titz haben mir tatsächlich die Hoffnungslosigkeit ausgeredet. Unabsichtlich wohlgemerkt – was bei mir doppelt wirkt. Denn die beiden, die zu Hollerbachs Vorgänger seit Monaten keinen Kontakt mehr hatten, betonten, welche grundweg positive Stimmung sie wahrnehmen würden. Auch, weil Hollerbach einfach sich einfach für alles und alle interessiert.

Grund für meine Hoffnung in Hollerbachs Art ist nicht, dass mir ja eigentlich gar nichts anderes übrigbleibt. Obgleich auch das wahr ist. Aber fragt man mal in die Mannschaft hinein, hört man zuerst lautes Stöhnen und „das ist schon hart“, womit die Spieler auf Hollerbachs Trainingspensum ansprechen. Das waren die HSV-Profis so einfach nicht mehr gewohnt. Liegt einer am Boden, wird nicht mehr lange gesprochen, sondern kurz gefragt, ob’s weitergehen kann oder nicht. „Bein dran oder Bein ab“ – mehr Unterschiede braucht Hollerbach nicht bei der Skalierung von Verletzungen. „Belastungssteuerung“ heißt bei ihm wieder ehrlich „schonen“. Aber wer nicht trainieren kann, der spielt auch nicht. Eben: Alles ganz einfach.

Und vielleicht ist es tatsächlich genau das, was man hier mal wieder braucht. Zumindest hoffe ich das. Einfach nur punkten, nicht über irgendwelche spielerischen Elemente philosophieren. Und einfach mal weniger sabbeln – dafür mehr arbeiten, mehr machen. Wie gesagt, auch wenn ich das Wort Hoffnung in seinen verschiedensten Formen hier im Blog nahezu inflationär verwende, viel mehr bleibt mir nicht. Den Glauben an das Gute, das Produktive in diesem Klub haben die Verantwortlichen in den letzten Monaten verspielt.

Apropos: Im Training heute fehlte Fiete Arp (Schule) ebenso wie die geschonten Mavraj und Hunt sowie der am Rücken verletzte Gideon Jung. Dafür wirkte Albin Ekdal auch heute wieder mit. Und das so, als könne er für Sonntag schon eine gute Alternative sein. Auch Holtby durfte heute (wie allerdings auch in der Vorwoche schon) im vermeintlichen A-Team mitwirken. Mehr gab und gibt es für heute nicht.

Ich melde mich morgen wieder um 13 Uhr live von der Pressekonferenz auf unserer Facebookseite live und anschließend natürlich hier per Blog wieder.

 

Bis m0rgen!

Scholle

 

***ERGÄNZT*** Meine Kollegen von der BILD berichten gerade darüber, dass es einen "Putsch-Versuch" gegen Bruchhagen und Todt gegeben haben soll. Angeblich hat Aufsichtsrat Felix Goedhart versucht, andere Aufsichtsräte davon zu überzeugen, die beiden abzusägen, um eine von Kühne unterstützte Machtübernahme einzuleiten. Harter Tobak, den Ratschef Andreas Peters dementierte. Allerdings - wer länger dabei ist, wird es gelesen haben - auch ich hier habe vor einer guten Woche darüber berichtet, dass Jens Todt schwer angeschlagen ist und intern bereits über seine Demission diskutiert wird. Insofern können wir davon ausgehen, dass es derartige Tendenzen gibt. Dass allerdings ausgerechnet jetzt Aufsichtsrats-Emails öffentlich werden, wo der neue Aufsichtsrat (eben auch mit Mail-Absender Goedhart) bestimmt werden soll - das ist schon ein außergewöhnlicher Zufall...

P.P.S.: Maria Wallenborn (43) ist die neue Teammanagerin des HSV. Wallenborn kennt Hollerbachs schon aus Würzburger Zeiten und kümmert sich ab sofort vor allem um die Belange des Trainers aber auch der Mannschaft. Herzlich Willkommen in Hamburg, Frau Wallenborn!

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