Marcus Scholz

12. März 2018

Es war wirklich nicht mehr überraschend. Im Gegenteil: Schon gestern sickerte durch, dass sich der HSV mit Christian Titz als neuen Cheftrainer mehr als nur am Rande beschäftigt. Eben so, wie der letzte verbliebene HSV-Vorstand, Frank Wettstein, heute bestätigte (siehe Video). Am frühe Morgen dann informierte der letzte verbliebene HSV-Vorstand den designierten Neuen Christian Titz über den Beschluss, ihn zum neuen Cheftrainer befördern zu wollen. Eben so, wie ich heute Morgen geschrieben habe. Dass man es zunächst noch nicht öffentlich machte, lag auch daran, dass man zunächst Trainer Bernd Hollerbach über dessen Demission informieren wollte.

Zudem stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, dass das Regionalliga-Spiel der U21 am Abend in Lübeck abgesagt würde. Und es wäre eher nachteilig gewesen, Titz dort auf die Bank zu setzen, nachdem man bereits öffentlich vermeldet hat, dass dieser am nächsten Tag die Profimannschaft übernimmt. Aller guten Dinge sind der - der dritte Trainer in dieser Saison soll es also richten...

Die Entscheidung aber stand längst fest, bevor es gegen Mittag offiziell verkündet wurde – und Ihr wusstet es. Sofern Ihr hier mitlest. Ein paar Stunden später, angeblich unmittelbar bevor es Bernd Hollerbach per Telefon von Frank Wettstein mitgeteilt bekommen hatte, machten Kollegen aus dieser nunmehr Stunden alten Meldung eine „Exklusivmeldung“ und monierten den miesen Umgang, es öffentlich werden zu lassen, bevor man es dem Trainer persönlich gesagt hatte.

Spielchen, die von verschiedenen Medien immer wieder gern gespielt werden, die ich aber nicht mitspielen will. Und deshalb schreibe ich es jetzt einmal auch für diejenigen, die es gut meinten und sich darüber beschwerten, dass es doch hier zuerst zu lesen war: Das alles ist tatsächlich scheißegal. Mir zumindest. Es interessiert maximal uns Journalisten, wer was exklusiv hat. In Zeiten von Social Media ist jede Exklusivmeldung eh binnen Sekunden auf allen Kanälen zu lesen. Und das ist oft auch gut so.

Vor allem aber geht es jetzt vorrangig um andere Dinge.

Okay, den Trainer acht Spieltage vor Ultimo noch einmal zu wechseln, das ist sicherlich diskutabel. Aber es war in diesem Fall alternativlos, nachdem man Hollerbach schon vor dem Bayern-Spiel nicht mehr die Rückendeckung geben konnte/wollte, die ein Trainer in dieser schwierigen Situation zwingend braucht. Dass Bernd Hollerbach trotz der mageren Bilanz von nur drei Punkten aus sieben Spielen nicht alleinschuldig ist – logisch. Die Fehlerkette begann – auf diese Saison beschränkt – schon bei der katastrophalen Kaderplanung im Sommer und wurde unvermindert im Winter fortgeführt.

Und hätte Bernd Hollerbach zum Zeitpunkt seiner Zusage gewusst, dass kein einziger neuer Spieler von seiner Liste verpflichtet würde, ich glaube, er hätte abgesagt. Obwohl ich ihm auch abnehme, dass der loyale Ex-HSV-Profi es aus Dankbarkeit dem HSV gegenüber trotzdem gemacht hätte. Ehrliche Arbeiter wie ihn gibt es tatsächlich nicht mehr viele. Nein, Hollerbach ist tatsächlich zu danken dafür, dass er sich diesen HSV angetan hat. Es war zudem auch eine Chance für ihn – aber der Einstiegszeitpunkt hätte schlechter nicht sein können.

Aber: Alles das ändert leider nichts daran, dass auch er an den Ergebnissen zu messen ist. Und die stimmten eben einfach nicht. Mit Pech in Bremen, oder auch gegen Mainz – aber eben auch mit einem blutleeren Kick gegen Bayern am Schluss, der diesen Trainerwechsel unausweichlich machte. Und es bleibt nur zu hoffen, dass der HSV mit Christian Titz, der die Profis zusammen mit seinem Cotrainer Soner Uysal sowie Torwarttrainer Nico Stremlau, der vor der Saison vom Drittligisten Hallescher FC als Torwartkoordinator für den Nachwuchs zum HSV wechselte. „Nico ist ein aufstrebender, interessanter junger Trainer, mit dem wir unbedingt zusammenarbeiten wollen“, sagte Bernhard Peters, Direktor Sport, damals.

Peters erklärte heute auch, weshalb man sich für Titz als neuen Hoffnungsträger entschieden habe. Nachvollziehbar, wie ich finde, da auch ich Titz für einen sehr guten Trainer halte. Für einen, der bei seinen Mannschaften zumindest auf seinen bisherigen Stationen immer eine klare Handschrift hinterließ. Allein die Tatsache, dass er diesmal keine Vorbereitungszeit dafür hat geschweige denn die Spieler dafür aussuchen kann bereitet mir die Sorge, dass hier der richtige Trainer zum falschen Zeitpunkt kommt und so verbrannt sein könnte, ehe er überhaupt eine ehrliche Chance und die Zeit dafür hatte, seine Ideen umzusetzen. Hollerbach weiß ein Lied davon zu singen.

Gut finde ich unterdessen, dass Bernd Hoffmannn seinen Wahlversprechen Taten folgen lässt und dabei keine Gefangenen macht. Er geht keine Kompromisslösungen auf entscheidenden Positionen ein. Einzige Ausnahme: Der Posten des Vorstands Sport. Wobei hier ein „noch“ hinzugefügt werden muss. Denn wie ich erfahren habe, ist der HSV mit seinem Wunschkandidaten Jonas Boldt deutlich weiter, als es das Interview mit dem Leverkusener vom Wochenende vermuten ließen. Rudi Völler soll intern sogar schon geäußert haben, dass er trotz des bis 2019 laufenden Vertrages wider seine Interviews den Abgang seines Managers Sport nicht mehr ausschließen kann. Abwarten.

Bis dahin kümmern sich beim HSV der Direktor Sport, Bernhard Peters, sowie insbesondere Thomas von Heesen um die sportlichen Angelegenheiten rund um den Ligabetrieb. Der ehemalige Europapokalsieger und HSV-Aufsichtsrat soll als Ansprechpartner für alle Mannschaftsmitglieder aber eben auch für externe Berater, die für die Kaderplanung wichtig sind. Interimsweise – aber sicher eine sehr kompetente Lösung. „Thomas wird dem Trainerteam als Sparringspartner dienen, er wird die Mannschaft tagtäglich begleiten, Gespräche mit Beratern haben und das Teammanagement führen", erklärt Interims-Vorstandschef Frank Wettstein die für von Heesen neu geschaffene Rolle. Der frühere HSV-Kapitän soll als Bindeglied zu Sportdirektor Bernhard Peters, der die operative Führung im Sport übernommen hat, und Wettstein dienen. „Wir vertrauen der Expertise von Thomas und seiner Erfahrung in der Führung von Mannschaften.“

Dennoch muss von Heesen in Hamburg zunächst mit Gegenwind rechnen. Ihm hängt hier noch immer die Geschichte nach, die der „Spiegel“ mit Bezug auf Football Leaks Ende 2016 enthüllte. Demnach soll von Heesen in 2015 mit dem damaligen HSV-Vorsitzenden Dietmar Beiersdorfer 2015 versucht haben, Spieleranteile an die Investmentgruppe „Doyen Sports“ zu verkaufen. Genau genommen soll von Heesen einem Doyen-Unterhändler Spieleranteile von sechs HSV-Spielern, für 12,2 Millionen Euro angeboten haben.

Von Heesen selbst bestreitet das bis heute und verweist darauf, dem Vorstandsvorsitzenden Beiersdorfer auf dessen Wunsch hin nur den Kontakt vermittelt zu haben. Und auch Frank Wettstein, der schon damals Finanzvorstand war, wiegelt heute ab: „Das ist für mich überhaupt kein Problem. Ich kann inhaltlich dazu nichts sagen, weil ich in die Gespräche nicht eingebunden war.“

Aber, völlig losgelöst von dem ganzen Scheiß, der beim HSV offenbar seit Jahren einfach dazugehört und der dem sportlichen Erfolg nachhaltig schadet, ist es an der Zeit, Christian Titz alles einzuräumen, was er braucht, um das kleine Wunder Klassenerhalt doch noch zu schaffen. Und dazu gehört auch Ruhe auf Führungsebene – aber vor allem die unbedingte Rückendeckung der Verantwortlichen. Und so schade es für den außergewöhnlich loyalen, gerade Typen Bernd Hollerbach auch ist, jetzt gilt alle Aufmerksamkeit Christian Titz. Insgesamt noch neun Wochen und die darin gespielten acht Spiele lang.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um zehn Uhr öffentlich trainiert. So, wie ich gehört habe, werden einige U21-Kicker dabei sein, von denen sich Titz viel verspricht. Ich bin gespannt.

 

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