Christian Hoch

5. März 2020

Pressekonferenzen vor Pflichtspielen sind Alltag im Fußball-Business. Mancher Kollege würde sogar sagen: lästiger Alltag. In vielen Momenten mag diese Ansicht sogar zustimmen: Fragen nach dem Personal, dem kommenden Gegner, der persönlichen Befindlichkeit. Trainer und Funktionäre verstecken sich auf dem Podium oftmals hinter leeren Worthülsen. Doch Pressekonferenzen sind auch die alltägliche Möglichkeit, den Verantwortlichen eines Vereins die entscheidenden Fragen zu stellen, die die Fans bewegen. Und auch wenn das vielleicht manchmal - aus den unterschiedlichsten Gründen - zu kurz kommt, war das Mediengespräch mit HSV-Trainer Dieter Hecking vor dem richtungsweisenden Heimspiel gegen den SSV Jahn Regensburg in vielerlei Hinsicht anders.

„Dann ist etwas passiert.“ Es ist dieser eine Satz von Dieter Hecking, aus dem essenzielle Rückschlüsse auf die aktuelle Situation beim HSV gezogen werden können. Hecking schildert zum ersten Mal wirklich ausführlich, wie sich für ihn der Moment angefühlt hat, als Matt Penney in der 29. Minute per Distanzschuss zum 2:0 für St. Pauli im Derby beim HSV getroffen hatte: „Da ist etwas passiert. Das hat man auf dem Platz gemerkt, das hat man im Stadion gespürt. Ich habe gemerkt: Oh, wir müssen vielleicht mehr Gespräche führen als sonst nach Niederlagen.“ Zuvor habe seine Mannschaft bis zum Rückstand die wohl beste Anfangsphase in einem Heimspiel absolviert seit Amtsantritt.

Natürlich könnte man jetzt argumentieren: Hecking gibt nach der anschließenden 0:3-Blamage beim FC Erzgebirge Aue doch nur Offensichtliches zu. Doch das ist nicht der Fall. Mit diesen Erläuterungen hat Hecking einen Spalt zum momentanen Innenleben der Mannschaft geöffnet. Der 55-Jährige hat preisgegeben, dass diese 0:2-Derbyniederlage gegen den FC St. Pauli innerhalb des HSV-Gefüges mehr kaputt gemacht hat als man zunächst erahnen konnte - und vielleicht auch wollte. Gilt das auch für das interne Zusammenleben der Verantwortlichen? Auch darauf gab diese Pressekonferenz zumindest eine kleine Antwort.

Hecking widerspricht Hoffmann

Am vergangenen Sonntag war - so wie es beim HSV nach Spielen üblich ist - eine Medienrunde mit Trainer Dieter Hecking angesetzt. Doch anstelle Heckings sprach mit Bernd Hoffmann der Vorstandsvorsitzende. Das - bis dahin - letzte Mal, als er in den Katakomben des Volksparkstadions öffentlich sprach war nach dem 1:4 gegen Paderborn. Damals war der Nicht-Aufstieg besiegelt und Hoffmann stellte den Sport-Verantwortlichen ein vernichtendes Zeugnis aus: „Das gesamte Sport-System ist kollabiert.“ Mit diesen Worten leitete Hoffmann den nächsten Radikal-Umbruch ein. Trainer Hannes Wolf und Sportvorstand Ralf Becker wurden entlassen, Dieter Hecking und Jonas Boldt übernahmen.

Nach dem 0:3 beim FC Erzgebirge Aue war und ist für den HSV in Sachen Aufstieg noch nichts verloren. Und auch Hoffmann äußerte sich anders. Er beschwor auf der einen Seite die Einheit zu Hecking und Boldt, auf der anderen Seite nahm er alle Beteiligten - inklusive Mannschaft - stark in die Pflicht. „Das ist jetzt unsere Krise; Honeymoon ist vorbei“, waren zwei prägnante Formulierungen Hoffmanns, die unmissverständlich klarmachen sollten, dass das auserkorene Ziel Aufstieg alternativlos ist. Vor dem Regensburg-Spiel hat sich nun auch Hecking zu den Hoffmann-Aussagen geäußert. Und das in der Form, wie man es von Hecking in seiner HSV-Zeit gewohnt ist: geradlinig, direkt, ehrlich - für den einen oder anderen also auch unbequem.

„Das war seine Wortwahl“, leitete Hecking in Bezug auf die „Krise“-Aussage von Hoffmann ein: „Für mich sind zwei Niederlagen nach wie vor keine Krise. Aber wenn Bernd meint, dass das eine Krise ist, dann kennt er Hamburg besser als ich. Er ist schon länger in der Stadt, deswegen gestehe ich ihm absolut zu, dieses Wort zu gebrauchen. Das macht aber nichts mit mir und sollte auch mit der Mannschaft nichts machen.“ Bezogen auf die „Honeymoon“-Äußerung erklärte der Trainer weiter: „Ich musste mich erst einmal schlau machen, was genau das heißt. Aber es ist doch ganz normal: Wenn du zwei Spiele beim HSV in der Art und Weise verlierst wie wir es gemacht haben, dann kommt Kritik auf und dann fallen auch mal deutliche Worte von Bernd als Vorstandsvorsitzender. Für mich sind das normale Dinge, die einfach dazugehören. Diesen Dingen muss man sich stellen, wir haben Samstag die Chance, es wieder in die andere Richtung zu drehen.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Hecking auch öffentlich gegen die HSV-Bosse stellt. Zu Beginn der Winterpause sprach Max-Arnold Köttgen, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, öffentlich davon, dass Geld für Neuverpflichtungen zur Verfügung stehen würde. Problem für Hecking: Köttgen benannte auch für welche Positionen dieses Geld vorgesehen sei. Eine Grenzüberschreitung der Rollenverteilungen für Hecking - die er auch öffentlich kundtat. Nun der Widerspruch gegen Hoffmann. Hecking bleibt sich auch in dieser komplizierten Situation treu - und das ist gut so.

HSV gegen Regensburg wohl mit anderer Taktik  

Die Sache mit der Treue könnte jedoch in Bezug auf die Taktik anders aussehen. Bisher agierte der HSV in jeder Partie in einer 4-3-3-Formation - der Erfolg gab die Legitimierung, an dieser Grundausrichtung nichts zu verändern. Doch sowohl beim Spiel in Hannover als auch bei den beiden Niederlagen gegen Pauli und in Aue hatten die Gegner die HSV-Taktik entschlüsselt - die Hecking-Elf spielte sich dadurch zum Beispiel nur wenige Torgelegenheiten heraus und wurden zu vielen individuellen Fehlern im Spielaufbau und Defensivverhalten gezwungen. Deswegen wird es gegen Regensburg wohl Änderungen im System geben.

Das deutete der Trainer mehr als an: „Wir haben im Training in einem anderen System agiert. Es ging darum, einen anderen Impuls an die Mannschaft zu setzen. Das 4-3-3- war ein gutes System, jetzt haben wir darin zweimal nicht gut ausgesehen.“ Wie konkret die Änderungen sein werden und ob es überhaupt Anpassungen im System geben wird, ließ Hecking öffentlich naturgemäß noch offen. Doch die Indizien sprechen auch nach unseren Informationen mehr als dafür.

 

Fein und Moritz als Startelf-Kandidaten

Personell könnte das vor allem Rotationen im Mittelfeld bedeuten. Nach seiner Gesichtsverletzung steht „Maskenmann“ Adrian Fein vor dem Startelfcomeback. Hecking: „Ich traue es ihm zu. Positiv ist, dass Adrian auf jeden Fall spielen möchte. Wir sind trotzdem noch in Abstimmung mit den Ärzten, ich gehe aber schon im Moment davon aus, dass Adrian spielen wird.“ Und auch Christoph Moritz, der in den vergangenen Wochen sportlich kaum mehr eine Rolle gespielt hat, wird sehr wahrscheinlich in die Anfangsformation rutschen.

Klar ist: Hecking ergreift - ob der drei Spiele in Folge ohne Sieg - Maßnahmen, um den Erfolg zurück zum HSV zu holen. Gegen Aue verpufften diese im Ansatz. Gegen Regensburg müssen die Maßnahmen fruchten - das weiß auch Hecking: „Wir müssen unsere Spiele gewinnen, sonst brauchen wir über keine anderen Dinge sprechen.“ Das 0:2 gegen Pauli war ein negativer Wendepunkt innerhalb der Mannschaft. Gegen Regensburg braucht es das positive Momentum, um im Aufstiegskampf nicht erneut das Nachsehen zu haben und den zweiten Super-GAU hintereinander zu erleben.

Falls ihr euch gewundert haben solltet, dass heute wieder ich, Christian Hoch, den Blog geschrieben hat. Ab sofort übernehme ich für Scholle mal wieder die Vertretung, da sich der Blog-Papa in seinen wohlverdienten Urlaub verabschiedet. Bis zum Auswärtsspiel gegen Greuther Fürth werdet ihr also mit mir Vorlieb nehmen müssen. Ich freue mich drauf - auf euch und euer Feedback.

Bis morgen früh - in alter Frische -  zum Morning-Call

Christian

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