Marcus Scholz

2. Juli 2019

Einfach hier bleiben ist nicht. Zumindest nicht für diese beiden. Gemeint sind David Kinsombi, der mit Muskelfaserriss zwei bis drei Wochen  och ausfallen wird. Und natürlich Neuzugang Ewerton, der seit gestern seinen Vertrag beim HSV bis 2021 (zzgl. ein Jahr auf Option) unterschrieben hat und aktuell noch mit Leistenproblemen ausfällt. Unmittelbar vor dem Trainingslager zweifellos ein sehr ungünstiger Moment. Ob die beide dennoch mitreisen sollen?  „Das ist noch offen“, sagt Trainer Dieter Hecking, schiebt aber hinterher: „Wir müssen sehen, was sie wirklich in Kitzbühel machen können, wie dort die Bedingungen für ihr Training sind. Auf der anderen Seite bin ich auch ein Freund davon, dass gerade so Spieler wie Ewerton und Kinsombi, die auch eine gewisse Wichtigkeit haben sollen in der Saison, natürlich gerade in einer Phase wie dem Trainingslager, wo man eng beisammen ist, dabei sind.“

Dem vorausgegangen war die Antwort Heckings auf die Frage nach seinem Wunschverteidiger. Er hätte ja immer gesagt, dass man hinten noch etwas machen musste, so Hecking. Und das habe man jetzt. „Ich denke, Ewerton ist ein interessanter Spieler für uns. Gerade in der Innenverteidigung wollten wir etwas machen. Schade, dass er jetzt noch verletzungsbedingt ausfällt. Zunächst einmal geht es darum, die Verletzung auszukurieren. Ich hoffe, dass wir das schnell in den Griff bekommen. alles andere keinen Sinn macht.“ Ob sie hinten etwas machen „wollten“ oder doch noch etwas machen wollen? Hecking: „Dazu sage ich nichts. Spekuliert wird eh schon genug.“

Ewerton ist der neunte Neue - aber noch nicht der letzte

Stimmt. Und das zurecht. Denn Fakt ist, dass Sportvorstand Jonas Boldt weiter bemüht ist, abwanderungswillige wie abzugebenden Spieler auch gewinnbringend zu verkaufen. Douglas Santos beispielsweise, wobei der Brasilianer heute noch in Hamburg weilte. Er trainierte zwar nicht mit, arbeitete dafür aber individuell. Eben so, dass er fit bleibt, aber sich nicht mehr verletzt. Zenit St. Petersburg steht weiter als potenter Abnehmer im Raum. Ebenso wie der FC Augsburg bei Rick van Drongelen. Wobei der Niederländer im Gegensatz zu Santos im Training wie gewohnt mitmischte, sich auch in den Zweikämpfen nicht schonte.

Wer genau hinschaut und hinhört, der bekommt mit, dass sich der HSV weiterhin möglichst komplett neu aufzustellen versucht. Mit neuen Klamotten (siehe Foto vom neuen Heimtrikot), aber vor allem mit neuen Spielern. Ewerton ist hierbei der jüngste Zugang - chronologisch betrachtet. Altersmäßig ist er mit 30 Jahren der älteste Neue. Und er soll auch - wie eingangs von Hecking erwähnt - eine führende Rolle auf dem Platz übernehmen. „Ich bin ein ruhiger Typ. Das versuche ich auch auf dem Platz auszustrahlen und auf meine Mitspieler zu übertragen.“ Er sei ein „Fels in der Brandung“ hatte Tim Leibold über Ewerton gesagt.

Die beiden Zugänge des HSV hatten in der vergangenen Saison noch zusammen für Nürnberg gespielt. Für Ewerton, der sich selbst als introvertiert und ruhig bezeichnet, ein klarer Vorteil: „Ich bin glücklich, dass Tim auch hier ist. Wir haben uns schon in Nürnberg sehr gut verstanden.“ Hinzu kämen die beiden Kollegen aus seiner Lauterer Zeit, Julian Pollersbeck und Christoph Moritz. Ewerton: „Noch einen Kumpel mehr hier in Hamburg zu haben, das wird mir helfen.“ Wobei die beiden Letztgenannten in die Kategorie „dürfen für Ablöse X gehen“ fallen.

Und bei Moritz stehen die Zeichen weiterhin klar auf Abschied. „Mach jetzt keinen Scheiß und hau bitte nicht ab“, forderte ihn ein Fan nach dem Vormittagstraining auf - und Moritz nahm sich die Zeit für den Plausch am Zaun. „Tja, was soll ich dazu sagen?“, so der Mittelfeldspieler, der gesagt bekommen hatte, dass er gehen darf, wenn ein passendes Angebot hereinkommt. Moritz selbst glaubt nicht an seinen Verbleib. „Und, bleibst Du denn?“, wollte der Zaungast wissen und Moritz antwortete leise: „Es sieht nicht so aus“, so Moritz mit einem Achselzucken, das deutlich machen sollte, dass es nicht an ihm läge.

Moritz soll gehen - könnte aber helfen, wenn er bleiben will

Die grundsätzliche Frage, die sich bei Moritz stellt, ist wohl die, ob er sich mit der Rolle des Backups zufriedengeben kann. Unter Hannes Wolf hatte er zu wenig Spielzeit für sich befürchtet und war auf Leihbasis nach Darmstadt gewechselt. Ich persönlich glaube, dass ein gesunder Moritz mit seiner Routine, seiner Technik und seiner unaufgeregten Art in der Rückrunde für den HSV sehr wichtig gewesen wäre - und auch in der kommenden Saison sehr wichtig sein könnte. Allerdings nur, wenn er die Rolle als „Edeljoker“ akzeptieren würde zumindest. Denn auch unter Dieter Hecking scheint Moritz keine Hauptrolle zugedacht zu sein. Im Training wird der Mittelfeldspieler selten im Mittelfeld, dafür als Innenverteidiger eingesetzt. Ein Zeichen an ihn, dass er in Heckings Planungen keine entscheidende Rolle spielt. Denn dort sind ebenso wie im Mittelfeldes andere Spieler eingeplant.

Unter anderen auch: Ewerton. „Ich bin sehr glücklich, jetzt hier zu sein. Ich bin bei einem großen Klub mit viel Tradition“, ließ der heute wissen und beschrieb uns ein wenig die letzten Tage, in denen man täglich mit dem Vollzug rechnete, aber am Ende doch lange warten musste: „Nein, ich war nicht genervt, dass es so lange gedauert hat. Ich bin ruhig geblieben. Solche Dinge passieren im Fußball. Ich war geduldig. Die Zeit des Wartens konnte ich nutzen“, so Ewerton, der in Hamburg im Kraftraum an seinen Leistenbeschwerden arbeitete. Wie schlimm die Verletzung ist? „Es ist nichts Gravierendes. Ich denke, es wird nicht allzu lange dauern. Ich hoffe, dass ich schnellstmöglich voll mit meinen neuen Kollegen auf dem Platz trainieren kann. Genau kann ich es noch nicht sagen, wann ich wieder trainieren kann.“

Ewerton strebt in Hamburg nach seinem ganz persönlichen Rekord

Dafür wusste Ewerton relativ schnell, warum er letztlich nach Hamburg gewechselt ist. „Ich habe in den Gesprächen großes Vertrauen gespürt – anders als in Nürnberg, wo das nach dem Trainerwechsel nicht der Fall war. Man hat mir beim HSV aufgezeigt, was man in dieser Saison plant und dass man dabei auf mich setzt.“ Wobei man dazusagen muss, dass der Innenverteidiger nicht unbedingt durch Vereinstreue aufgefallen ist. Sieben verschiedene Vereine hatte er in den letzten zehn Jahren. Jetzt also der HSV. Für zwei Jahre hat er unterschrieben, ein weiteres Jahr könnte per Option dazukommen. „Der HSV ist ein großer Klub, der darum kämpfen wird, in die Bundesliga aufzusteigen. Die Chance ist groß, mit dem HSV aufzusteigen“, so Ewerton, der einen persönlichen Rekord aufstellen würde, wenn er tatsächlich drei Jahre in Hamburg spielen würde. Bislang waren 2,5 Jahre in Russland bei Anzhi Makhachkala (liegt im Nordkaukasus) sein Rekord.

„Ich bin alleine nach Russland gewechselt. Das war sehr schwer, eine große Umstellung. Eine neue Sprache, es war sehr kalt“, erinnert sich der heute 30-Jährige. Interessant daran: In Hamburg ist das Klima dem im Nordkaukasus sehr ähnlich. Und die Sprache beherrscht Ewerton nach drei Jahren in Deutschland auch noch nicht. Aber wenigstens das will Ewerton - oder besser: soll Ewerton jetzt ändern. „Deutsch ist eine sehr komplizierte Sprache. In Nürnberg hatte ich keinen Lehrer. Hier spüre ich aber den Druck, meine Deutschkenntnisse zu verbessern“, so Ewerton lächelnd.

Er weiß, dass der HSV großen Wert darauf legt, dass er Deutsch lernt. Und so richtig geheuer ist ihm das noch nicht, wie er mit einem leicht verlegenen Lächeln sagt: „Ich vermute, es wird schon bald mit dem Unterricht losgehen.“ Und auch wenn er die Sprache mit dem anderen Brasilianer im HSV-Team, Douglas Santos, nicht lernen wird, so nimmt sich Ewern den Linksverteidiger als Vorbild: „Douglas hat die Sprache sehr schnell gelernt. An ihm kann ich mir ein Beispiel nehmen.“ Übrigens auch in Sachen Vereinstreue: Santos ist seit nunmehr drei Jahren beim HSV. Also länger als es Ewerton bislang bei einem Verein ausgehalten hat.

DFL hat die ersten Spieltage terminiert - der HSV spielt wieder montags

Wobei das Wichtigste derzeit sicher seine Rehaphase sein dürfte. Während die Zeit für  Kinsombi nach dessen Muskelfaserriss eng wird, hofft Hecking bei Ewerton darauf, dass er schneller einsteigen kann. Zumindest aber soll der Brasilianer bis zum ersten Spiel am 28. Juli gegen Darmstadt fit sein. Am zweiten Spieltag, so verkündete es die DFL heute, reisen Hecking und Co. nach Nürnberg. Die Partie bei Ewertons Exklub ist das erste von wahrscheinlich wieder vielen Montagsspielen für den HSV und wird am 5. August um 20.30 Uhr angepfiffen.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird wieder um 10 und um 15.30 Uhr trainiert. dann wohl auch wieder mit David Bates, der heute schon einige Teile des Mannschaftstrainings mitmachen konnte, nachdem er sich am 33. Spieltag der abgelaufenen Saison eine Teilruptur des Innenbandes im linken Sprunggelenk zugezogen hatte. Ich persönlich melde mich dann wie gewohnt am Morgen um 7.30 Uhr mit dem MorningCall wieder bei Euch.

Bis dahin!

Scholle

 

P.S.: Heute Nacht um 02.30 Uhr steigt übrigens bei der Copa America ein absolutes Topspiel: Brasilien trifft auf Argentinien. Ob Er sich das Spiel ansehen werde, wollten wir von Ewerton wissen. Der lächelte ein wenig verlegten. Ich habe morgen natürlich meine Verpflichtungen, aber möchte auch nicht lügen: Es kann schon gut sein, dass ich mir das Spiel angucken werde. Am Ende gibt es mir positive Energie, mit Brasilien zu fiebern. Ich bin mir sicher, dass sie gewinnen werden“, so der 30-Jährige.   

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