Marcus Scholz

29. Mai 2019

Um kurz nach Zwölf wurde bekannt, was schon seit Tagen erwartet wurde: Dieter Hecking wurde als neuer HSV-Trainer verkündet. Keine zwei Stunden später saß der 54-jährige schon auf dem Podium. Just auf dem Platz, den sein Vorgänger Hannes Wolf bei Pressekonferenzen immer besetzt hatte. Ob er es sich gut überlegt habe, wo er hier anfangen würde, so eine der ersten Fragen. Und Hecking konterte souverän. Wie übrigens die gesamten  22 Minuten der heutigen Pressekonferenz. Hecking wirkte sehr aufgeräumt, sehr souverän. Er beantwortete jede Frage und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich sowohl des Umfanges als auch der Aufgabe beim HSV bewusst ist. Mehr noch: Hecking machte sogar deutlich, dass es „trotzdem“ oder wie er sagte: „Gerade deshalb“ sein ausdrücklicher Wunsch war, zum HSV zu gehen. Auch in die Zweite Liga. Er habe den HSV schon als kleiner Junge immer aufmerksam verfolgt und sei Fan von Kevin Keegan gewesen. „Es hat mich immer schon ein wenig zum HSV gezogen“, so Hecking.

Einen ganz wichtigen Satz sagte Hecking bei der heutigen Pressekonferenz für mich übrigens gleich zu Beginn: „Ich glaube, ein bisschen Demut tut uns gut.“ Dabei sprach er unter anderem von den Saisonzielen und dem, was man derzeit intern anschiebt. Man baue keine Luftschlösser, so Hecking zu den Gesprächen mit dem HSV, die für ihn mit Ralf Becker begonnen hatte und dann in Jonas Boldt übergingen.

Ehrlich gesagt gab es lange keinen neuen HSV-Trainer mehr, der bei seiner Präsentation gewinnender rüberkam als Hecking. Tatenfreudig waren alle, alle haben Zuversicht versprüht und von der tollen Herausforderung beim HSV gesprochen. Auch Hecking. Aber anders als viele seiner Vorgänger wirkte Hecking heute authentisch und geerdet. Er habe eine natürliche Autorität, habe ich von ehemaligen Spielern Heckings gehört. Zuletzt auch von Richard Golz, der Hecking sehr lobte. Das Gute daran: Diese Autorität hat sich Hecking über Jahre erarbeitet. Nicht er muss sie immer wieder betonen, sondern seine Mitstreiter sagen sie ihm nach. Und auch das macht sie so nachhaltig, dass sie Hecking die Ruhe verleiht, souverän auch unangenehme Themen zu verarbeiten. Frei nach dem Motto „Mich erschüttert nichts mehr, ich habe schon alles erlebt“ übernimmt Hecking von der ersten Sekunde an die Obhut der (noch nicht zusammengestellten) Mannschaft und stellt sich vor sie. „Das ist auch irgendwie das Arbeitsprofil, dass Jonas mir mitgegeben hat“, so Hecking. Aber seht und hört selbst:

 

Hecking unterschreibt für ein Jahr - das gab es zuletzt bei Christian Titz und davor lange nicht mehr. Armin Veh war meiner Meinung nach der Letzte, der das so mitgemacht hat. „Ich bin gern selbst Herr der Dinge. Vor allem, was meine Zukunft betrifft“, hatte Veh damals gesagt, wissend, dass er in Sachen Reputation keine und nun Sachen Finanzen sowieso keine Probleme mähr haben würde. Neri Hecking verlängert sich der Vertrag automatisch um ein Jahr, wenn der neue HSV-Coach mit der Mannschaft aufsteigt. Und das ist sinnvoll. Für ihn wie für den HSV. Ergo: Eine sehr gute, vernünftige Lösung, der man auch andichten kann, dass sie den Lehren der Vergangenheit beim HSV geschuldet ist. Stichwort Millionenabfindungen.

Zu dem sehr ehrlichen Auftritt heute gehörte auch bein kurzer Rückblick Hecking. Angesprochen auf seine mit dem Erreichen der Europa League erfolgreichen Zeit bei Borussia Mönchengladbach machte ver auch keinen hehl daraus, dass ihn der unfreiwillige Abschied schmerzte. Er hätte gern weitergeführt, was er aufgebaut hatte. Womit ich zu dem einzigen Punkt komme, der auch häufiger im Zusammenhang mit Hecking fällt: Dem ehemaligen Hannover-Profi wird nachgesagt, dass er seine Mannschaften sehr einseitig entwickeln würde, was bis zu einem gewissen, oft erfolgreichen Punkt gut ginge. Dann aber würden ihm die  inhaltlichen Mittel ausgehen, die nächsten schritte zu gehen und die Mannschaften flexibler zu machen.

 

Kurzum: Hecking gilt als Mann der alten Schule - er ist in der Darstellung vieler Wegbegleiter sowas wie der Antityp des neuartigen Laptoptrainers. Auch Max Eberl, Gladbachs Sportchef, äußerte sich jetzt so, als er gefragt wurde, weshalb man die erfolgreiche Zeit mit Hecking jetzt beendet hätte: „Die Idee war, dass wir eine Veränderung unseres Fußballs wollten. Und darum wollten wir einen Trainer mit einem neuen Ansatz, einer neuen Grundidee“, erklärte Eberl am heutigen Mittwoch im Rahmen der Präsentation des Hecking-Nachfolgers bei Borussia Mönchengladbach. Deshalb habe man sich für Marcos Rose entschieden. Zum Glück für den HSV, der diese Einfachheit im positiven Sinne bestens gebrauchen kann. Denn wenn ein Verein wie der HSV ins Wackeln kommt, bedarf es einem neuen, stabilen Halt: Und den verkörpert Hecking.

Insofern kann man den heutigen Tag als guten Anfang auf dem Weg zurück bewerten. Hecking ist für den Moment ganz offenbar eine sehr funktionale, sehr gute Lösung. Er bringt mit, was dem HSV zuletzt fehlte.

In diesem Sinne, bis morgen! Da dann ohne MorningCall, da es morgen keine Zeitungen gibt. Am Freitag geht es dann unverändert weiter.

Scholle

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