Tobias Escher

30. September 2019

Keine zwei Gegner spielen denselben Fußball. Diese Weisheit erscheint plump. Sie erklärt jedoch, warum eine Mannschaft in einer Woche brillieren kann – und in der Woche darauf in exakt derselben Aufstellung massive Probleme hat. Nach dem starken 4:0-Erfolg über Aue brachte der HSV beim 2:2 in Regensburg nie die eigenen Stärken auf den Platz. Das lag vor allem am Gegner.

Jahn Regensburg hat sich in den vergangenen Jahren einem Fußball verschrieben, der an die Blaupause von Rasenballsport Leipzig erinnert. Schnell wollen sie spielen, aggressiv, dem Gegner keine Ruhepausen gönnen. Trainer Mersad Selimbegovic führt in dieser Hinsicht das Erbe seines Vorgängers Achim Beierlorzer fort.

Regensburg begann das Spiel in einem 4-2-2-2-System. Die Außenstürmer rückten dabei weit ins Zentrum ein. Ohnehin sind Federico Palacios und Jann George als Spielertypen eher Stürmer denn Außenstürmer: Palacios mit seiner Geschwindigkeit, die er tororientiert einsetzt, Jann hingegen als Sturmtank. Gegen den HSV halfen die Beiden dabei, die letzte Linie aufzustocken. Für Breite auf den Flügeln sorgten die Außenverteidiger, die ebenfalls weit vorschoben.

In dieser Anordnung fokussierten sie sich auf lange Bälle. Das Mittelfeld ließen sie verwaisen. Stattdessen spielten sie den Ball hoch und hofften, per Weiterleitung nach vorne zu gelangen. Auch im Spiel gegen den Ball agierten sie vorwärtsgerichtet. In einem 4-2-4 liefen sie Hamburgs Abwehr an. Der HSV sollte in Eins-gegen-Eins-Duelle verwickelt und die horizontale Ballzirkulation verhindert werden. Einfacher gesagt: Der HSV sollte nach vorne, aber nicht quer spielen.

Taktische Aufstellung SSV-HSV

 

HSV fehlt die Dominanz

Der HSV hatte in der Folge große Probleme, das Spiel zu gestalten. Rick van Drongelen hatte – anders als gegen Aue – keine Zeit, lange Bälle auf Martin Harnik vorzubereiten. Der hing über weite Strecken auf dem rechten Flügel in der Luft. Der HSV versuchte eher, über die linke Seite mit Kombinationen vorzustoßen. Aber auch hier fehlte das strukturierende Element. Jeremy Duziak und Aaron Hunt agierten jeweils fernab der Räume auf der halblinken Seite.

In den ersten Partien der Saison übernahm Adrian Fein den strukturierenden Part. Zuletzt nahmen immer mehr Gegenspieler den Sechser in Manndeckung. Auch Regensburg tat dies. In der Vergangenheit konnte Fein sich von diesen Manndeckungen clever befreien. Fein hat ein gutes Gespür für Räume, ist stark unter Druck, kann auch im Eins-gegen-Eins bestehen. Häufig wählt er seine Aktion erst, wenn er den Ball erhält. Er wartet ab, was der Gegner tut, und geht mit kurzen Dribblings an ihm vorbei.

Regensburg erlaubte ihm dies nicht. Ihre Spieler deckten Fein teilweise nicht ganz so eng wie die vergangenen Gegner. Sie warteten auf Feins erste Aktion – und unterbanden diese dann. Das mag nach einem winzigen Detail klingen. Wer wann die Initiative übernimmt und wer wie schnell reagiert, kann in einem Eins-gegen-Eins-Duell aber den Unterschied machen. Solche Details können in der Hektik des Gefechts allerdings auch nur Verteidiger ausnutzen, die Fein ganz genau kennen. Das taten Regenburgs Spieler, haben sie doch in der vergangenen Saison mehrmals die Woche mit ihm trainieren dürfen. Lange Rede, kurzer Sinn: Gegen seine Ex-Kollegen blieb Fein blass wie nie in dieser Saison, und das schadete dem HSV-Ballbesitzspiel.

Mehr Kontrolle ab der 30. Minute

Besser ins Spiel fand der HSV erst nach rund dreißig Minuten. Regensburg presste nun etwas später, der Ball konnte in der Hamburger Abwehrkette laufen. Der HSV spielte wie gewohnt hauptsächlich über die linke Seite, hier schufen sie Überzahlen. Sonny Kittel und Tim Leibold harmonierten erneut gut. Leibold zog in vielen Situationen ins Zentrum und öffnete damit Raum für Kittel.

Nach der Pause agierte der HSV stärker aus einem 4-2-3-1 statt aus einem 4-3-3 wie in der ersten Halbzeit. Der HSV bekam somit mehr Stabilität ins Spiel gegen den Ball. Auch die Einwechslung des körperlich robusten David Kinsombi half. Der HSV eroberte mehr zweite Bälle, das Spiel war weniger wild. Die Tore zur 2:1-Führung waren dennoch eher der individuellen Klasse des HSV geschuldet. Echte Dominanz hatte der HSV über die Partie nie. Regensburg strahlte immer wieder Gefahr aus, vor allem über den weit vorrückenden Rechtsverteidiger Benedikt Saller.

 

Lange Bälle schwach verteidigt

Was neben der fehlenden Dominanz das zweite große Problem der Hamburger war, zeigte sich beim Gegentreffer zum 2:2 (88.). Der HSV verteidigte die zahlreichen langen Bälle der Hausherren schlicht nicht gut. Normalerweise sollte bei einem Kopfballduell ein Verteidiger herausrücken, die Verteidiger neben ihm rücken ein und schließen den frei werdenden Raum. Dieses taktische Mittel nennt sich Abwehrdreieck.

Vor dem 2:2 befinden sich Joshua Vagnoman, der eingewechselte Timo Letschert und van Drongelen auf einer Linie. Nicht aber der mittig postierte Letschert, sondern der außen stehende van Drongelen rückte raus und ging ins Kopfballduell. Es kam, wie es kommen musste: Auf van Drongelens Position stand plötzlich Marco Gruttner frei, der konnte ohne Gegendruck Andreas Albers bedienen. Ein kleines Detail, das am Ende Spiele entscheiden kann.

Das Fazit nach der Partie fällt entsprechend zwiegespalten aus. Gegen Aue bewies der HSV, dass er einen kompakt agierenden Gegner zu knacken weiß. Gegen Regensburg wiederum taten sie sich enorm schwer mit dem Hauruck-Fußball des Gegners. Das ist indes keine neue Erkenntnis. Der Regensburger Fußball bereitete dem HSV bereits in der vergangenen Saison Probleme (Stichwort: 0:5). Es ist zugleich aber keine gute Nachricht vor dem Spiel gegen Greuther Fürth: Auch diese verfügen über ein aggressives Pressing. Vielleicht wird Hecking aber diesmal seine Startelf ändern.

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