2. Dezember 2017
Ich weiß nicht, wie oft ich hier in den letzten zwei, drei Jahren geschrieben habe, dass es mir fast schon egal wäre, wie der HSV gewinnt bzw. zumindest punktet. Weil die Mannschaft einfach nicht die spielerische Qualität hatte, um Spiele anders zu gewinnen als durch Kampf. Und ehrlich gesagt sehe ich den HSV auch heute noch nicht stabil genug, um sich über spielerische Lösungen durchzusetzen. Deshalb habe ich mich gestern auch nicht den Vorwürfen Matthias Sammers in der Schärfe anschließen können. Nicht, weil ich das Spiel des HSV gut fand. So weit gehe ich schon länger nicht mehr. Aber der HSV hat gepunktet. Endlich mal wieder, nach fünf sieg- und punktlosen Auswärtsspielen. Von daher ist das Ergebnis an sich okay. Dreckig, hässlich, mit Anti-Fußball – alles wurde gesagt. Dabei ist diese Mannschaft schlichtweg nicht besser. Zumindest noch nicht.
Das Zustandekommen sei enttäuschend gewesen, sagt beispielsweise Matthias Sammer, der dem HSV unter anderem Fußballverweigerung attestierte. „Ich kann mit derlei populistischen Aussagen nichts anfangen“, konterte Markus Gisdol heute. Der Trainer hatte gestern zwar selbst „fußballerisch Defizite“ bei seinen Mannen gesehen, sprach allerdings auch davon, kämpferisch eine sehr intensive Partie gesehen zu haben, in der das Ergebnis im Vordergrund stand. „Für den Kopf war es wichtig, auswärts wieder zu punkten. Und wenn ich die Wahl hätte, zwischen Komplimenten wie auf Schalke und dafür keine Punkte und eben dem Punkt jetzt – ich würde ich für den Punkt jetzt entscheiden.“ Und dem stimme ich zu.
„Der Punkt ist wichtig, weil wir Freiburg so auf Distanz halten. Die sind immer noch hinter uns. Besser, wir spielen so und holen auswärts Punkte, als wenn wir schönen Fußball spielen und verlieren. Wir sind nicht Bayern München, fahren hierhin und gewinnen mal eben mit 3:0. Wir haben jetzt in den letzten vier Spielen sieben Punkte geholt und zweimal zu null gespielt. Das ist wichtig für uns und gibt ein gutes Gefühl.“ (Kyriakos Papadopoulos)
Allerdings liegt auch gerade darin die größte Kritik an diesem HSV, der im Sommer, dabei bleibe ich, viel zu sorglos geplant worden ist. Das habe ich hier schon x-fach geschrieben und diskutiert. Und an der Meinung ändert sich auch nichts mehr. Dass letztlich ein Jann Fiete Arp hier für einen kleinen Aufschwung sorgt, war nicht einzuplanen. Wurde es auch nicht. Vielmehr ist es bzw. er ein Glücksfall, da seine Bundesligaspiele vor allem aus der Harmlosigkeit seiner Konkurrenten Bobby Wood und Sven Schipplock resultierten. Ob er sonst so früh seine Chance bekommen hätte? Ich bezweifle es zumindest. Aber ehrlich gesagt, auch darüber zu sinnieren ist müßig, weil es für den Moment einfach rein gar nichts bringt.
Erst wenn wir diese Personal-Diskussion im Hinblick auf mögliche Transferperioden führen, macht es wieder Sinn. Dann muss das alles auf den Tisch. Dann muss der Anspruch eines Matthias Sammer gesetzt werden, hier einen Kader zusammenzustellen, der über große Strecken der Saison fußballerische Lösungen findet, um Spiel zu gewinnen. ABER DIE REALITÄT SIEHT JETZT ANDERS AUS. Soll heißen, die, die den Mist verzapft haben, gehen aktuell besser mit der Situation um, sind realistischer als die Anhänger. Und das ist das einzig Positive für mich.
Deshalb sehe ich den Punkt in Freiburg auch mehr als Gewinn, als dass ich mich über das Zustandekommen ärgere. Mein Ärger gilt der mal wieder verpatzten Transferphase. Der Rest ist Mängelverwaltung. Auch hier gilt: mal wieder. Und Besserung ist noch nicht einmal in Sicht. Denn von Arp und Ito, so erfrischend ihre Auftritte auch sind, dürfen wir das einfach noch nicht erwarten. Wie ich gestern schrieb: Bei diesen beiden Hoffnungsträgern gilt: Alles kann – nichts muss. Von daher steigen auch meine Erwartungen an den fußballerischen Part dieser Mannschaft nicht sofort, nur weil der HSV einmal ein fußballerisch gutes Spiel spielt und gewinnt.
Die Pressekonferenz nach dem Spiel Freiburg - HSV kompakt
Ich weiß, das klingt alles sehr negativ. Und ehrlich gesagt, ist es das auch. Dass ich mich lieber über drei Punkte nach einem rauschenden Fußballfest freuen möchte – logisch. Das ist bei mir nicht anders als bei Euch. Aber ich beschäftige mich eben auch mit der Realität. Und diese sieht Spiele wie gegen Hoffenheim eben leider noch als Ausnahme. Das sind noch kleine Ausbrüche nach oben. Leider. Und deshalb rechne und bewerte ich die Spiele zuallererst nach Punkten. Ergo: Ein Punkt in Freiburg ist okay. Auch, wenn er so „hässlich“, „dreckig“ oder was weiß ich wie zustande gekommen ist.
Zumal es andere Mannschaften nicht mal besser machen. Werder gewinnt zwar heute, spielt aber keinen Deut besser als der HSV. Köln? Merkt jeder selbst. Mainz? Verliert gegen Augsburg (mit einem Gregoritsch, der dem HSV in der Spitze sehr hätte helfen können). Nein, da unten bleibt es eng. Insofern: Lösen wir uns unter den aktuellen Umständen doch besser von (zu) hohen Ansprüchen und freuen wir uns, wenn diese Mannschaft nicht wieder bis zur letzten Sekunde in akuter Abstiegsgefahr befinden sollte. Und dafür sind Punkte wichtiger als schöner Fußball. So wenig das auch der Maßstab werden darf – aktuell ist er es. Mal wieder.
In diesem Sinne, bis morgen. Da ist übrigens ebenso wie am Montag trainingsfrei. Auf den Platz geht es erst am Dienstagmorgen um zehn Uhr wieder. Warum der Montag auch noch frei ist, weiß och nicht. Aber ich weiß ja inzwischen, dass ich das Spiel in Freiburg beispielsweise anders bewerte als ein absoluter Experte wie Matthias Sammer – und das meine ich nicht ironisch. Von daher verwundert es mich nicht, wenn ich es auch anders bewerte als Gisdol, denn ich hätte aus diesem Spiel alles ziehen können – aber keine „Belohnung“ in Form eines zweiten freien Tages. Ehrlich gesagt würde ich so lange nicht „extra frei“ geben, bis der Sammer’sche Anspruch an den HSV endlich wieder realistisch ist. Denn dessen Anspruch muss das Ziel sein.
Bis morgen.
Scholle