Marcus Scholz

2. Januar 2018

Das neue Trainingsjahr begann, wie das alte Trainingsjahr aufgehört hatte. Also, zumindest in dem Part nach den Warmmachübungen beim Abschlussspiel der Vormittagseinheit. Auf verengtem Spielfeld wurde das schnelle Umschaltspiel geübt. Allerdings noch immer nicht so, dass Trainer Markus Gisdol zufrieden war. Immer wieder unterbrach er, korrigierte und forderte auf, schneller zu spielen, schärfer zu passen und generell einfach konzentrierter zu agieren. Zudem lobte er bei guten Aktionen. Wie beispielsweise bei denen von Luca Waldschmidt, der im Abschlussspiel zwei Tore erzielen konnte und wie so oft im Training positiv auffiel. Zudem trafen noch Sven Schipplock, Lewis Holtby und Sejad Salihovic. Ohne Treffer blieb – mal wieder – Bobby Wood.

Okay, ist ja alles nur Training. Kann man so sagen. Andererseits ist es die einzige Einheit, in der man alles das ausprobieren kann, was einen auf dem Platz am Ende zum Erfolg bringen kann. Und der fehlte zuletzt sowohl dem HSV - und vor allem dem US-Amerikaner. „Das sieht schon ganz gut aus, er hat sich gut bewegt. Er macht einen körperlich guten Eindruck, ist fit“, lobte Trainer Gisdol anschließend wie sonst auch immer, wenn es um Wood ging. Einziger Unterschied diesmal war, dass Gisdol anschließend kritisch nachschob: „Aber er weiß, dass ich mehr von ihm erwarte. Ich erwarte eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber der Hinrunde. Wobei, das erwarte ich nicht nur, das fordere ich von ihm.“

Auch, damit Jann- Fiete Arp neben ihm wachsen kann – und nicht vorangehen muss. Denn bei allen Diskussionen auch hier im Blog dürfen wir nicht vergessen, dass Arp zweifelsfrei ein Riesentalent ist, dass aber auch er wie alle anderen großen Fußballer auch geschützt werden muss, wenn die Erwartungshaltung zu groß wird. Und dem scheint so. Zwar aus der (im Sommer bei der Kaderplanung selbst verschuldeten) Not heraus, aktuell keinen besseren Angreifer zu haben – aber das macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Arp nicht die Bürde des Retters im Angriff aufzuladen, das ist kein Mangel an Zutrauen in sein Leistungsvermögen meinerseits. Ich bin beeindruckt ob seiner Spielweise, seiner Effizienz und vor allem von ihm an sich, wie er sich präsentiert. Er wirkte von Beginn an nie wie ein junger Spieler, der sich möglichst geräuschlos integrieren will, sondern wie einer, der sofort helfen will und der vor allem weiß, dass er das auch kann.

In den Trainingseinheiten zuletzt – heute verpasste er die erste wegen einer Erkältung, bei der zweiten lief er Runden - macht er genau das, was ich eingangs von Wood verlangt hatte: Er probiert alles das aus, was er glaubt, dass es ihm auf dem Platz am Ende hilft. Und wenn es nicht funktioniert, dreht er sich um und fängt von vorn an. Immer wieder. Bis es klappt. Und dann nimmt er diese Lehre mit auf den Platz – und setzt es um. Kurzum: Arp ist noch komplett unbedarft, unverbraucht. Er macht einfach. Und er wird dabei euphorisiert von den jüngsten Erfolgserlebnissen. Sein großes Ziel jetzt ist, diese Euphorie zu konservieren – was in aller Regel nicht zu schaffen ist. Zumindest nicht in dem Maße, wie es in den ersten drei, vier Spielen war. Und das ist auch völlig normal. In diesem Moment muss man Arp auch die Möglichkeit geben, mitzumachen anstatt voranzugehen. Genau dann braucht er einen guten Mann um sich herum, der ihm mitzieht. Allein, Wood ist das sicher nicht im Moment. Und Aaron Hunt trauen die Verantwortlichen diesen Part auch nicht zu, wie die bestätigte Suche nach einem neuen Zehner beweist.

Auch deshalb wirkt Gisdol schon zu Beginn des Jahres leicht genervt. Wie im Sommer scheinen sich auch diesmal seine Personalwünsche nicht umzusetzen. Gisdol nutzte auch heute die Gelegenheit, noch einmal auf den an sich zu schwachen Kader hinzuweisen. Nicht in derart deutlicher Form – aber nicht minder schwer so zu verstehen. Ob der Kader von 27 Mann stark genug sei, wollte mein Kollege Florian Rebien wissen. Gisdol überlegte kurz, wie er antworten sollte, und sagte dann: „Wir haben auch vier Torhüter dabei, das darf man nicht vergessen. Wir sind von der Anzahl her fürs Trainingslager gut aufgestellt. Dass wir dabei trotzdem auf der einen oder anderen Position noch Bedarf haben, ist kein Geheimnis.“

Dass Gisdol in der vergangenen Saison schon einmal eine derart schwierige Situation gemeistert hat, lässt er nicht gelten. Im Gegenteil: Gisdol warnt davor. „Die Situation stellt sich diesmal doch ganz anders da. Die Liga ist gefühlt näher beieinander. Viele Mannschaften dabei, die man da nicht erwartet hatte. Es wird eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Für uns gefährlich auch, weil wir fußballerische viele Spiele gemacht haben, wo uns vermittelt wurde, dass es eigentlich okay ist, wie die Mannschaft gespielt wir gut gespielt haben, nur zu wenige Punkte gemacht haben. An dieses Thema müssen wir dringend ran. Wir müssen uns nicht in der Schönheit des Spiels verbessern, sondern in der Effektivität.“

Endlich. Endlich! Endlich sagt Gisdol das, was meiner Meinung nach die größte Verkennung dargestellt hat. Denn gute Spiele verliert man nicht immer wieder – oder sie sind einfach keine guten Spiele, sondern nicht gut genug. Dieses Verdecken von Mängeln unter dem Mantel der „wir haben spielerisch Fortschritte gemacht“ ist ein Katalysator – aber leider nur für den direkten Abstieg. Und deshalb mahnt Gisdol Tempo an. Auch am Nachmittag wurde der Trainer immer wieder laut. Für seine Verhältnisse überaus deutlich monierte er, dass mehr Tempo und mehr Härte ins Spiel kommen müsse. Seine Gangart ist deutlich erkennbar. „Auf Krawall gebürstet“ hieß es am Rand. Und ich hoffe, dass es einfach nur die bedingungslose Art ist, die diese Mannschaft dazu bringt, auf nichts anderes Wert zu legen, als auf Punkte. Scheiß auf Schönheit – die Klasse halten.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren in dieser kurzen Pause. Wir können nicht beim Kleinen anfangen, sondern müssen weitermachen. Und unser Thema war in der Hinrunde das schnelle Umschaltspiel. Da hatten wir am meisten Luft. Und daran werden wir intensiv arbeiten.“ Zumeist in Spielform. Heute zweimal, am Donnerstag und Sonntag in den Testspielen. Übrigens: Beide Spiele werden vom vereinseigenen TV-Kanal HSV-TV live übertragen. Offen ist nur noch, ob das erste Testspiel am Donnerstag gegen Malaga (Anpfiff 17.30 Uhr) frei zu sehen ist, da auch Sky sich die Rechte an dem Spiel hat und live überträgt. Aber keine Angst: Bei Sky läuft es im frei empfangbaren Sky Sportnews HD.

Und bevor ich diesen Blog abschließe, noch ein Wort zu Walace. Der soll angeblich keinen Flug bekommen haben, da alle ausgebucht waren. Statt morgen zu kommen soll er nun am Donnerstag hier in Jerez aufschlagen. Allein, wer’s glaubt. Und damit verabschiede ich mich in schriftlicher Form von Euch für heute. Aber nicht, ohne Euch den Tagebucheintrag1 von Dennis Diekmeier hier reinzustellen. Teil eins an Tag zwei. Mal sehen, wie die Mannschaft den Trouble wahrnimmt...: 

Bis später,

Scholle

Mein großer Dank geht an meinen Kollegen Kai Behrmann von „Die Welt“, nachdem er heute zweimal für die Presseschau zur Verfügung stand. Hintergrund: Beim Live-Video Nummer eins war das Mikrofon leider ausgefallen. Das zweite Video habe ich Euch noch al mit reingestellt. Daher, auch von hier nochmal: DANKE, Kai!

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