Marcus Scholz

8. November 2017

Es ist nicht falsch, dem Thema Klaus Michael Kühne viel Beachtung zu schenken. Dafür ist er als Person schon lange zu wichtig für den HSV. Es ist selbst dann nicht falsch, wenn sich hier Geschichte einfach nur wiederholt. Schließlich ist der HSV-Investor, -Gesellschafter und -Mäzen eine entscheidende Figur in und um den HSV herum. Seine Millionen wurden vom HSV gebraucht, genommen, genutzt – und haben den Klub so am Leben erhalten. Und ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Phase mit Kühne, als er seinen Einfluss das erste Mal extern geltend machte und die HSV-Verantwortlichen uns gegenüber empört reagierten, während sie öffentlich weichspülten. Wie konnte der reiche HSV-Fan nur öffentlich die Neubesetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates fordern und dann noch einen HSV-Manager in einem Interview öffentlich so abqualifizieren? Im August 2013 war das übrigens. Und der angesprochene Oliver Kreuzer war nicht mal ein Jahr später ebenso Vergangenheit wie der Vorstand und der Aufsichtsrat, nachdem HSVPlus durchgewinkt worden war.

Heute nun, vier Jahre und ein paar Monate später, spricht Kühne davon, seine finanziellen Hilfen einzustellen. Wenn nicht wieder einiges neu besetzt wird. Und zwar auch diesmal nach seinem Gusto. Frei nach dem Motto „Wer das Geld gibt, bestimmt auch die Musik“ werden die Aufsichtsräte, die der Hauptanteilseigner der AG, der HSV e.V., vorschlagen wird, von Kühne schon vorher ausdrücklich abgelehnt. Parallel dazu hat der vorschlagende e.V.-Präsident Jens Meier deutlich gemacht, dass der bisherige Kühne-Abgesandte Karl Gernandt nicht mehr vorgeschlagen wird und somit nicht in den neuen Aufsichtsrat einziehen wird.

Und zack, da stehen sie sich gegenüber. Beide Seiten fest in ihren Forderungen – und unfähig, einen Kompromiss zu erzielen. Dabei gab es dafür mehr als genug Zeit. Klar, wenn auch nur eine der beiden Seiten partout keine Abstriche machen will, ist eine Einigung nicht möglich. Aber dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, wie der neue Kontrollrat zu besetzen ist, ist seit Monaten klar. Und bis zuletzt stand bzw. steht man in einem freundschaftlichen Austausch, ließ HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen gestern verlauten. Allein, wer das glaubt, wird selig.

Nein, der Machtkampf ist schon längst entfacht gewesen. Vermittlungsversuche seitens des Beirates, der die Vorschläge des e.V-Präsidiums abnicken muss, sind bei Kühne gescheitert. Schon vor Monaten war klar, dass Gernandt von Vereinsseite nicht vorgeschlagen würde. Als Kühne davon erfuhr, hatte er seinem Ärger intern Luft gemacht. Der Beirat hatte daraufhin versucht, diesen Streit zu schlichten, indem man nach einem anderen Vertrauten fragte. Ohne Erfolg. Und da sich dieses Szenario bis heute nicht geändert hat, wundert es mich, dass sich Vorstand, Beirat und e.V.-Präsidium tatsächlich wundern, dass Kühne einen derart öffentlichkeitswirksamen Schritt geht. Zumal es das alles schon vor Jahren einmal gab...

Weniger verwunderlich ist indes der Trieb der breiten Öffentlichkeit, nach dem einen Schuldigen zu suchen. Die einen empören sich so über Kühnes „Erpressungsversuch“, die anderen darüber, dass der Verein seinen Retter und die einzige Hoffnung auf bessere Zeiten zu verprellen scheint. Und wie immer, liegt die Wahrheit irgendwo in der hässlichen Mitte. Bei ganz vielen Verantwortungsträgern, die heute schon nicht mehr im Amt sind und (teilweise extrem gut abgefunden) vom Hof gejagt worden sind. Sie haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass der HSV trotz der weit mehr als 100 Millionen Euro von Kühne sportlich keinen Erfolg hatte, ganz klar. Sie haben parallel dafür gesorgt, dass der HSV so immer tiefer in die Abhängigkeit eines externen Geldgebers gerutscht ist, der von der Vergangenheit traumatisiert nur noch seinem eigenen Urteil vertraut. Aber, wie schon gesagt: Die dafür Verantwortlichen sind fast alle nicht mehr da.

Deshalb geht die Jagd in der Öffentlichkeit weiter. Es MUSS ja einen Bösen geben. Nur, wer ist das? Ist es Kühne, der offenbar abgekühlt wirtschaftlich denkt und aus seinen Möglichkeiten den größtmöglichen Einfluss zu ziehen versucht, indem er Forderungen stellt und Maßnahmen ankündigt? Oder ist es vielleicht sogar genau das, was der HSV jetzt braucht, nachdem er wiederholt Neuanfänge verbockt hat? Braucht der HSV den Rat von Kühne, um endlich einen kompetenten Aufsichtsrat und einen kompetenten Vorstand samt Sportchef zu berufen? Wirklich abschließend beantworten kann man das nicht. Die Tatsache, dass der von Kühne ausdrücklich geforderte und eingesetzte Gernandt als Vorsitzender des Aufsichtsrates in den letzten Jahren die wesentlichen Entscheidungen höchstselbst als Chefkontrolleur getroffen hat – von der Besetzung des Vorstandes bis hin zu Spielereinkäufen – spricht dagegen. Aber, dass jetzt Verantwortliche aus dem e.V.-Bereich den Kontrollrat mit vorzüglich ihresgleichen besetzen wollen – wäre allerdings auch fragwürdig.

Es gibt hier meiner Meinung nach einfach keine klare Lösung, weil man alles nicht mehr trennen kann. Der vom HSV aus freien Stücken beschrittene Weg ist bereits viel zu weit in die falsche Richtung beschritten worden, als dass man sich heute völlig frei entscheiden kann. Das Missmanagement hat den Geschäftsbetrieb der HSV AG in eine Abhängigkeit zu Kühne gebracht, die nicht zu leugnen ist. Und die nicht zu lösen ist, ohne akut Gefahr zu laufen, finanziell zu kollabieren. Allerdings ist es eine Abhängigkeit, die Klaus Michael Kühne nicht so nutzen darf, dass er dem Verein über seine satzungsmäßigen Rechte hinaus versucht, Vorschriften zu machen – was aktuell wohl der Fall ist. Denn bei allem Verständnis für den Wunsch nach mehr Kompetenz im AR, der ja auch seine Millionen betreut und verwaltet – die von Kühne gewählte Vorgehensweise „Friss oder stirb“ ist für Meier und Co. natürlich nicht hinnehmbar. Sie müssen die Interessen des HSV wahrend. Vor allem die Eigenständigkeit. Kernfrage hier ist und bleibt: Ist diese Eigenständigkeit überhaupt noch realisierbar?

Klar, wir können uns ewig darüber auslassen wer auf diesem Weg bis heute was alles falsch gemacht hat – und alle Namen würden auftauchen. Jarchow, Beiersdorfer, die Sportchefs, die Räte - ganz sicher auch die Namen von Jens Meier und Klaus Michael Kühne, der seine Äußerungen heute via hsv.de ein wenig erklärte. Ich werde nach jeder Aussage ein kleines Statement anbei stellen, um es so von meiner Seite ein wenig einzuordnen. Aber lest selbst:

 

„Mir geht es um einen bestmöglich aufgestellten Aufsichtsrat“

Die gestrigen öffentlichen Statements von HSV-Gesellschafter Klaus-Michael Kühne zur anstehenden Aufsichtsratswahl sorgten mal wieder für Schlagzeilen. HSV.de sprach mit Kühne, um mehrere offene Fragen zu klären.

hsv.de: Herr Kühne, warum haben Sie sich mit Ihrer Rückzugsankündigung an die Hamburger Medien gewendet, wenn es Ihnen um das Wohl des HSV geht?

Klaus-Michael Kühne: Das habe ich getan, weil mich der Prozess rund um die Auswahl des neuen Aufsichtsrats extrem ärgert und ich gleichfalls nicht verstehen kann, wie zu Beginn dieser Woche sämtliche Kandidatennamen, die eigentlich nur einer erlesenen Anzahl von Vereinsverantwortlichen bekannt sein sollte, an die Öffentlichkeit gelangten. Ungeachtet dieser Namen frage ich mich, ob es hier wirklich um das Wohl der HSV Fußball AG geht. Ich sehe die Grundausrichtung der HSV Fußball AG stark gefährdet. Und das werde ich als Gesellschafter und auch als Fan doch wohl sagen dürfen.

Dass die Kandidatennamen bekanntgeworden sind, ist tatsächlich schlecht. Zumal sie von allen Beteiligten bislang wie ein Staatsgeheimnis gehütet wurden, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Deshalb wage ich auch zu bezweifeln, dass die Namen vom e.V.-Präsidium oder dem Beirat kommen. Das Interesse, sie bekanntzumachen, um es anschließend als Kritikpunkt zu nehmen und darauf sogar ganze Argumentationen aufzubauen, hat hier eher Herr Kühne – ohne, dass ich ihm damit unterstellen will, es selbst lanciert zu haben. Dafür gab es dann doch zu viele Mitwisser. Und: Dass Herr Kühne Bedenken hat bei der Ausrichtung, ist sein gutes Recht und das darf er sagen. Es darf nur nie so rüberkommen, als schriebe er vor, wer in den Aufsichtsrat darf und wer nicht.

Ihre Kritik und Ankündigung werden von vielen Beobachtern als weiterer Beleg gewertet, dass womöglich Sie das Kernproblem des HSV seien.

Ich habe das schon häufiger gehört und gelesen, aber es erschließt sich mir nicht. Ich habe mich vor einiger Zeit dazu entschlossen, dem offensichtlich in finanzieller Schräglage befindlichen Club meines Herzens zu helfen. Ich greife dabei nicht ins operative Geschäft ein, was auch rechtlich gar nicht möglich ist. Natürlich hätte ich mir manchmal gewünscht, dass die Verantwortlichen bei der einen oder anderen Entscheidung meinem Wunsch entsprochen hätten. Aber das haben sie nicht, und das ist in jedem Vertrag schriftlich fixiert. Meine finanzielle Unterstützung hat dem HSV keine zusätzlichen Probleme beschert, sondern einige davon beseitigt, andere gelindert. Und nach wie vor ist es so, dass ich mich nicht für neue Investments aufdränge. Mir wäre es am liebsten, wenn es mehrere Geldgeber neben mir gäbe, die in den Club investierten, damit er auf Sicht wieder etwas mehr Größe und Glanz ausstrahlen könnte als in den letzten Jahren und aktuell.

Wann ein geäußerter Wunsch zur Forderung und/oder sogar zum Eingriff ins operative Geschäft wird, ist Ermessenssache. Aber dieser Grat ist so schmal, dass er beim HSV in der Vergangenheit schon mehrfach verlassen wurde. Zudem liest sich gerade dieses Statement hier für mich wie vom HSV gewünscht, um nach dem gestrigen Statement von Herrn Kühne Problemen mit der DFL (50+1-Regel) vorzubeugen. Mehr nicht.

Dennoch wird Ihr Engagement für den HSV immer wieder extrem kritisch bewertet, weil Ihre Einflussnahme auf den Kernbereich Fußball-Bundesliga befürchtet wird. Dazu trägt auch die aktuelle Kritik am Vorstand und am Sportdirektor bei.

Auch diese Wahrnehmung verwundert mich sehr. Ich pflege mit dem aktuellen Vorstand und dem sportlichen Bereich des HSV einen professionellen, inhaltlichen und sehr vertraulichen Austausch, bei dem es weder um Einflussnahme noch um grundsätzliche Manöverkritik der Verantwortlichen geht. Und diese ist auch nicht mit meiner gestrigen Erklärung gemeint. Mir geht es vielmehr um einen bestmöglich aufgestellten Aufsichtsrat, in dem maximale Managementqualität und -erfahrung vertreten sein sollten. Und auch wenn ich keinen Einfluss auf die operativen Geschicke des HSV nehmen kann und möchte, so werde ich sicherlich eigenständig entscheiden, unter welcher personellen Konstellation in der Führung ich mir weitere Investitionen vorstellen kann. Mir leuchtet in Anbetracht des vergangenen Jahres seit Heribert Bruchhagens Übernahme des Vorstandspostens nicht ein, warum die Besetzung des wichtigsten Clubgremiums komplett neu gestaltet werden müsste. Und Sie können sicher sein, dass ich mich durch Herrn Gernandt zwar ausgezeichnet vertreten gesehen habe, es mir aber in erster Linie auf die Gesamtbesetzung des Aufsichtsrats ankommt. Wenn es adäquate, neutrale Alternativen gäbe, die einen sofortigen Fortschritt für die HSV Fußball AG bedeuteten, dann würde ich mich sehr darüber freuen. Ich sehe diese aber nicht. Warum setzt der Club jetzt nicht mal auf Kontinuität?!

Dass er selbst entscheidet, unter welcher Führung er investiert, ist sein uneingeschränkt gutes Recht. Dem ganzen Absatz ist nicht zu widersprechen, ohne schwer belegbare Vermutungen aufzustellen – mit einer wesentlichen Ausnahme: Fakt ist, dass Herr Kühne lange Zeit abgelehnt hat, einen neuen Vertrauten für den Aufsichtsrat zu benennen, der Gernandt ersetzt. Und gerade dieser war – wenn man bei Herrn Kühnes Argumentation bleibt - als einer der maßgeblich Handelnden der letzten Jahre ein Misserfolg und gehört somit ersetzt.

Ist Ihre Unterstützung für den HSV damit nun endgültig beendet?

Ich kann es Ihnen noch nicht sagen. Ich werde mir die weitere Entwicklung sehr genau ansehen. Ich traue starken Leuten an der Spitze und entscheidungsfreudigen sportlich Verantwortlichen sowie Trainer Markus Gisdol zu, dass sie in dieser Saison einen weiteren wichtigen Schritt aus dem Tabellenkeller machen werden. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Auswahlprozesse für die Aufsichtsratswahl schnell professioneller werden und das Kontrollgremium der HSV Fußball AG bestmöglich zusammengestellt wird.

Herr Kühne macht hier noch mal deutlich, dass die Wahl des e.V-Präsidiums um Jens Meiers herum nicht professionell genug ist, was diese(r) nicht gern hören werden und was die Fronten verhärten lässt. Ob das zulässig ist, das zu machen: Klar! Ob es clever ist, es so öffentlich zu machen? Eher nicht. Zumindest weiß auch Herr Kühne, dass er damit die Fronten zum e.V. und dem Beirat weiter verhärtet.

 

Haben Sie noch einen besonderen Wunsch an den HSV?

Punkte, Punkte, Punkte, und dass sich Aufsichtsrat, Vorstand und Sportdirektor handlungs- und entscheidungsfreudig zeigen, was die Vertragssituation von Nicolai Müller und Fiete Arp angeht.

Das hoffen wir wahrscheinlich alle. Und diese alle wissen auch, dass das (noch?) nicht ohne Kühnes Hilfe geht. Womit sich der Kreis mal schließt und Herr Kühne an dem ersten Tag mächtig auf den Tisch gehauen hat, um alles am nächsten Tag ein wenig zu relativieren.

 

 

Wirklich für alle zufriedenstellend abschließen kann man dieses Szenario wie oben schon geschrieben schlichtweg nicht. Der/dem einen nimmt Kühne zu viel Einfluss, den anderen ist die Kritik an Herrn Kühne zuwider, weil er dem HSV mit seinen Millionen hilft. Das wird immer so bleiben. Solange der Verein mit Kühne zusammenarbeitet und seine Hilfe nicht nur braucht, sondern sie auch immer wieder mit einem Lächeln gern annimmt, darf er sich nicht wundern, wenn die Gegenseite Erwartungen hat – und diese äußert. Zumal alle Herrn Kühne kennen - seine Vorzüge wie seine Nachteile.

Und genau deshalb stelle ich mich wie nach dem letzten Mal auch diesmal wieder darauf ein, wir uns in absehbarer Zeit wahrscheinlich wieder mit dieser Thematik auseinandersetzen und so tun, als wäre das alles ganz neu, überraschend, ganz schlimm und totalgefährlich, was eindeutig falsch ist. Denn es ist zumindest nicht neu. Und auch nicht überraschend.

Positiv überrascht hat zuletzt Douglas Santos, dessen Interview ich Euch morgen Vormittag hier einstellen werde, um endlich mal wieder etwas sportlicher zu werden. Das Video vom heutigen Training zeige ich aber (im gewohnt amateurhaften Scholle-Style ;-)) schon jetzt und hier:

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

 

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