Tobias Escher

16. Dezember 2018

 

MSV Duisburg zeigt, wie man gegen den Hamburger SV auftreten muss. Dass der HSV nie in Gefahr geriet, lag allerdings nicht nur an der individuellen Schwäche des Gegners. Die Mannschaft konterte die Duisburger Taktik mit Spielwitz und Konzentration. Tobias Escher analysiert die Partie exklusiv für Rautenperle.

Es ist so eine Sache mit der Taktik im Fußball. Einerseits ist ein Trainer bestrebt, eine möglichst eingespielte Elf auf das Feld zu schicken. Je länger eine Startelf miteinander kickt, umso besser kennen sie ihre Laufwege sowie die taktischen Abläufe, die der Trainer fordert. Andererseits macht eine feste Startelf ein Team auch berechenbar. Wenn immer dieselben elf Spieler im selben System auflaufen, kann der Gegner sich explizit darauf vorbereiten.

Genau das tat MSV Duisburgs Trainer Thorsten Lieberknecht vor dem Aufeinandertreffen mit dem Hamburger SV. Er hatte eine Taktik vorbereitet, die auf dem Papier sehr gut passte zum System der Hamburger. Dass der HSV in der Praxis dennoch die Oberhand behielt, zeigt, wie weit sich das Team in den vergangenen Wochen entwickelt hat.

Raute gegen einrückende Außenverteidiger

Hannes Wolf hielt an jener Elf fest, die vor Wochenfrist Paderborn mit 1:0 besiegte. Auch die Formation blieb in groben Zügen gleich: Offensiv agierte der HSV in einer 4-3-3-Formation. Aaron Hunt und Lewis Holtby agierten vor Sechser Orel Mangala. Bei gegnerischem Ballbesitz rückte Hunt auf eine Höhe mit Stürmer Hwang Hee-Chan, sodass ein 4-4-2 entstand. Wie unter Wolf üblich führten die Außenverteidiger eine unorthodoxe Rolle aus: Douglas Santos und Gotoku Sakai rückten ins Zentrum ein. Sie sollten für Präsenz im Spielaufbau sorgen und zugleich die Zentrale gegen Konter absichern.

Genau auf diesen Kniff hatte sich Lieberknecht vorbereitet. Er stellte seine Elf in einer Raute auf. Zehner Moritz Stoppelkamp agierte dazu im Mittelfeld in einer vorgezogenen Rolle. Der Vorteil einer Raute ist die hohe Präsenz im Zentrum. Mit vier Spielern kann man die Mittelfeld-Zentrale kontrollieren. Der Nachteil: Mangels Außenstürmer hat ein Team mit einer Raute normalerweise Probleme, die gegnerischen Außenverteidiger zu stoppen.

Normalerweise. Beim HSV befinden sich die Außenverteidiger jedoch gar nicht auf den Seiten, sondern im Zentrum. Um Hamburgs Außenverteidiger zu stören, musste Duisburgs Mittelfeld wesentlich kürzere Wege machen, als wenn die Außenverteidiger am Flügel kleben würden. Das Rauten-System bietet gegen eingerückte Außenverteidiger also nur Vorteile. Das wusste auch Lieberknecht. Er hatte diese Taktik bereits erfolgreich beim Duisburger 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln angewandt. Die Kölner, ebenfalls mit eingerückten Außenverteidigern spielend, fanden keine Antwort auf die gegnerische Raute.

Taktische Aufstellung MSV Duisburg - HSV

 

HSV mit guten Lösungen im Ballbesitz

Der Hamburger SV lief jedoch nicht in die Falle. Sie lösten die Aufgabe gegen Duisburgs Raute ungleich besser. Das lag vor allem an Holtby und Hunt: Sobald Duisburgs Mittelfeld herausrückte, boten sie sich immer wieder in den Räumen dahinter an. Auch Hwang ließ sich immer wieder etwas fallen, um zwischen Duisburgs Linien aufzutauchen. Der HSV kombinierte sich mit präzisen, schnellen Pässen durch das Mittelfeld.

Im weiteren Spielverlauf reagierten zudem Hamburgs Außenverteidiger auf Duisburgs Raute. Gerade Santos erkannte, dass ihm die Räume im Zentrum an diesem Tag verschlossen bleiben. Er blieb als klassischer Linksverteidiger am Flügel. Leider funktionierte seine Abstimmung mit Bakary Jatta nur mäßig, sodass der HSV viele gute Angriffssituationen auf dem Flügel nicht ausspielen konnte.

Die etwas andere Struktur im Ballbesitzspiel hatte jedoch auch einen Haken: Der HSV war gegen Konter wesentlich schlechter gefeit als in den vergangenen Partien. Hunt und Holtby standen recht hoch, Santos fehlte im Zentrum. Dadurch bot sich einige Male die Möglichkeit für Duisburg, durch das Zentrum zu kontern. Stoppelkamp bot sich hier ständig an und fütterte die Stürmer mit Pässen hinter die Abwehr. Erinnerungen wurden wach an den Saisonanfang, als sich der HSV pro Spiel zwei bis drei schwere Konter fing.

Dennoch hatte man selten das Gefühl, der HSV stehe vor ernsthaften Schwierigkeiten. Duisburg zeigte sich vor dem Tor extrem harmlos, sodass selbst die Hamburger Schwächen bei der Konterabsicherung kaum ins Gewicht fielen. Nachdem Hunt recht früh per Freistoß das 2:1 erzielte (19.), passierte aus taktischer Sicht recht wenig auf dem Feld. Der HSV ließ Ball und Gegner laufen (60% Ballbesitz). Lieberknecht versuchte in der zweiten Halbzeit, mit offensiven Wechseln das Spiel herumzureißen. Er stellte in der Schlussphase auf ein 4-2-4-System um. Wolf blieb ruhig und trug mit seinen defensiven Wechseln zum Sieg bei. Mit der Einwechslung von Josha Vagnoman rückte Sakai ins Mittelfeld, Wolf stellte auf ein stabiles 4-2-3-1 um. Die restlichen Wechsel waren nur noch dazu gedacht, Zeit von der Uhr zu nehmen.

Fazit und Ausblick

Hinrunden-Meister! Mit diesem Titel darf sich der HSV nach der Hälfte der Saison schmücken. Das 2:1 gegen den MSV Duisburg war erneut kein glanzvoller Sieg. Dafür stellte der HSV mal wieder seine Reife unter Beweis. Obwohl der Gegner perfekt eingestellt war auf Stärken und Schwächen der Hamburger, gelang es immer wieder, über das Zentrum gefährliche Angriffe zu fahren. Das war nicht immer spektakulär, zumal beizeiten die Konterabsicherung litt. Fünf Euro ins Phrasenschwein, aber: Genau solche Spiele muss man auf dem Weg zum Aufstieg gewinnen.

Nun wartet vor der Winterpause noch einmal eine Herausforderung der ganz anderen Art: Der HSV muss nach Kiel reisen. Trainer Tim Walter hat die Störche zu einem der wenigen Teams der Liga geformt, die auf Spielkontrolle und flaches Passspiel setzen. Aus ihrem 4-3-3-System bauen sie das Spiel ruhig auf. Die Kieler haben den drittmeisten Ballbesitz der Liga nach Hamburg und Köln, aus dem Spielaufbau heraus gelangen ihnen 22 Tore (Köln: 24, HSV: 16). Walter lässt sich immer wieder überraschende taktische Kniffe einfallen: Mal rückt ein Innenverteidiger permanent in die gegnerische Hälfte, mal rücken die Außenverteidiger wie beim HSV ins Zentrum. Manchmal übertreiben es die Kieler, sodass sie die eigene Konterabsicherung vernachlässigen. Hier könnte der HSV ansetzen.

Es ist auch die Chance, eine offene Rechnung zu begleichen. Im Hinspiel düpierten die Kieler den Absteiger aus Hamburg mit 3:0. Es ist eine weitere Chance für Wolf zu beweisen, wie sehr sich der HSV unter ihm weiterentwickelt hat.

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