Marcus Scholz

17. April 2020

Die gute Nachricht ist eigentlich gar keine echte Nachricht mehr. Denn dass Josha Vagnoman seinen Vertrag beim HSV bis 2024 verlängert, wussten die Rautenperle-Leserinnen und -Leser schon seit einigen Wochen. Einigkeit zwischen den Parteien bestand schon vor mehr einigen Monaten, die Schriftstücke wurden vor zehn Tagen auch schon hin- und hergeschickt und unterschrieben. Verkündet und mit einem schönen Foto geschmückt wurde die Vertragsverlängerung des 19 Jahre jungen Rechtsverteidigers heute. Auf der Vereinshomepage heißt es:

„Jetzt ist es offiziell: Der Hamburger SV hat den zum 30. Juni 2021 auslaufenden Vertrag mit Außenverteidiger Josha Vagnoman vorzeitig um drei weitere Jahre bis zum Sommer 2024 verlängert. Die Verhandlungen mit dem gebürtigen Hamburger, der 2010 in den Nachwuchs der Rothosen wechselte, dort alle Jugendmannschaften durchlief und im März 2018 als jüngster HSVer aller Zeiten sein Bundesliga-Debüt feierte, waren schon vor der Entwicklung rund um das Corona-Virus weitestgehend abgeschlossen … …„Wir sind stolz, dass wir mit Josha ein sehr talentiertes Eigengewächs, das unseren gesamten Nachwuchsbereich von der U11 bis in den Profi-Bereich durchlaufen hat, weiter von unserem Weg überzeugen und langfristig an uns binden konnten. Josha bringt eine hohe Identifikation mit dem HSV und seiner Geburtsstadt Hamburg mit und hat in den vergangenen Jahren zudem erfolgreich die ersten Schritte im Profi-Bereich gemacht. Wir werden ihn bei seiner weiteren sportlichen und persönlichen Entwicklung bestmöglich unterstützen und wollen alle gemeinsam die kommenden sportlichen Herausforderungen meistern“, erklärt HSV-Sportdirektor Michael Mutzel. Auch Vagnoman, aktueller U21-Nationalspieler, der einen in dieser Saison nach sechs Startelf-Einsätzen in Serie erlittenen Bruch des Fußwurzelknochens mittlerweile vollständig auskuriert hat, freut sich über die Vertragsverlängerung beim HSV: „Ich habe bereits als Kind davon geträumt, irgendwann einmal für den HSV als Profi zu spielen. In dieser Saison habe ich mir mit meinem ersten Profi-Tor einen weiteren Traum erfüllt. Ich möchte auch in Zukunft den mir vom HSV aufgezeigten Weg gehen und freue mich deshalb umso mehr über das mir entgegengebrachte Vertrauen."  

Josha Mamadou Karaboune Vagnoman, so der ganze Name des jungen Rechtsverteidigers kam über die „Arriba Try Outs“, im Jahr 2010 in das Nachwuchsleistungszentrum des HSV Dort durchlief Vagnoman sämtliche Jugendmannschaften, ehe er am 10. März 2018 im Alter von 17 Jahren, zwei Monaten und 27 Tagen beim Auswärtsspiel gegen den FC Bayern München sein Profi-Debüt feierte und zugleich zum jüngsten Bundesliga-Spieler des Clubs avancierte. Seitdem hat sich Vagnoman bei den Profis fest etabliert. Er absolvierte 21 weitere Pflichtspiele für die Bundesliga-Mannschaft der Rothosen und soll als Positivbeispiel für die Jugendarbeit des HSV wirken. So zumindest erhoffen es sich die HSV-Offiziellen, die nur zu gut  wissen, dass sie in den nächsten Jahren finanziell darauf angewiesen sein werden, sich ihre Profis selbst auszubilden.

Profiklubs hoffen - die Ultras sehen Geisterspiele ab

„Ich bin froh, hier bleiben zu können“, sagte mir Vagnoman letzte Woche, als er endlich wieder das Mannschaftstraining aufnehmen konnte. Vertrag verlängert, fit sein, wieder mit den Kollegen gegen den Ball treten dürfen - viel mehr hätte er sich in derart schwierigen Zeiten nicht wünschen können, so Vagnoman, der damit ein ganz sensibles Thema anspricht. Denn die Ausnahmegenehmigungen der Profifußballer sorgt weiter für heiße Diskussionen. Gestern schon hatte sich der bundesweite Zusammenschluss einiger Ultragruppierungen („Fanszenen Deutschlands) öffentlich per Statement gegen eine Fortsetzung der Bundesliga per Sondergenehmigung und mit Geisterspielen ausgesprochen. Unter dem Titel „Quarantäne für den Fußball – Geisterspiele sind keine Lösung!“ werden dabei eine Menge Argumente aufgezählt, weshalb der Fußball in der aktuellen Situation zum einen keine Sonderbehandlung erfahren dürfe. Genau genommen steht dort:

Die Wiederaufnahme des Fußballs, auch in Form von Geisterspielen, ist in der aktuellen Situation nicht vertretbar – schon gar nicht unter dem Deckmantel der gesellschaftlichen Verantwortung. Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftsdienlich engagieren. Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne. Wir vertreten die klare Position, dass es keine Lex Bundesliga geben darf. Fußball hat in Deutschland eine herausgehobene Bedeutung, systemrelevant ist er jedoch ganz sicher nicht.

In Zeiten, in denen über einen Mangel an Kapazitäten bei Corona-Tests berichtet wird, sei die Idee, Fußballspieler in einer extrem hohen Taktung auf das Virus zu untersuchen, schlicht absurd. Zudem habe der Profifußball offensichtlich deutlich tieferliegende Probleme. „Wenn man bedenkt, dass fünf Meter neben dem Ticketcenter-Mitarbeiter auf Mindestlohnbasis ein Torwart für vier Jahre jeweils 20 Milllionen Euro im Jahr fordert (die rede ist von Manuel Neuer, d. Red.), kann dieses System nicht gesund sein“, echauffiert sich auch HSV-Supporters-Chef Timo Horn. „Wenn ich sehe, dass in den letzten Jahren  Ablösesummen und Gehälter jenseits der Vorstellungskraft vieler Menschen geflossen sind und diese Vereine jetzt binnen weniger Monate komplett kollabieren - dann ist das krank.“ Er selbst sehe die Geistesspiel-Variante zwar mit gemischten Gefühlen. Wirklich gutheißen will er eine Sonderrolle für den Fußball aber definitiv nicht, so Horn deutlich. Natürlich wolle niemand, dass Vereine pleite gehen. Aber von der Couch aus aufsteigen, will Horn auch nicht. „Die DFL macht eine Sache wirklich richtig gut: Sie bewertet täglich neu. So kann man alle Umstände mit einbeziehen. Andererseits muss man das dann aber auch konsequent machen und anerkennen, dass der Fußball keine Sonderbehandlung rechtfertigt. Systemrelevant ist er allemal nicht.“

 

In dem Schreiben der Fanszene Deutschland heißt es weiter, dass der Fußball die Krise als Chance sehen müsse, wieder auf ein gesundes Maß zurückzukommen. Von Nachhaltigkeit könne ob des zeitnahen dem Kollapses einiger Vereine keine Rede sein. Auch Horn sieht das so. „Wenn man ein, zwei oder vielleicht auch drei Monate keine Einnahmen generieren kann, hat jedes Unternehmen Probleme, das ist klar. Aber diese Abhängigkeit von TV-Einnahmen, die einige Klubs schon nach einem Monat an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat, ist nicht gesund. Hier steckt  ein großer Fehler im System.“ Und in dem Anschreiben heißt es hierzu unter anderem:

Seit Jahren fordern Fans Reformen für eine gerechtere Verteilung der TV-Einnahmen und kritisieren die mangelnde Solidarität zwischen großen und kleinen Vereinen. Wir weisen auf Finanzexzesse, mangelnde Rücklagenbildung und die teils erpresserische Rolle von Spielerberatern hin. Die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen großen Geldgebern haben wir anhand von Beispielen wie 1860 München, Carl Zeiss Jena und anderen immer wieder aufgezeigt.

Spätestens jetzt ist es aller höchste Zeit, dass sich Fußballfunktionäre ernsthaft mit diesen Punkten auseinandersetzen. Die jetzige Herausforderung ist auch eine Chance: Die Verbände sollten diese Krise als solche begreifen und die Strukturen des modernen Fußballs grundlegend verändern. Es ist höchste Zeit!

In diesem Zusammenhang fordern wir:

-Der aktuelle Plan der DFL, den Spielbetrieb im Mai in Form von Geisterspielen wieder aufzunehmen, darf nicht umgesetzt werden. Wir maßen uns nicht an, zu entscheiden, ab wann der Ball wieder rollen darf. In einer Situation, in der sich der Fußball auf diese Weise so dermaßen vom Rest der Gesellschaft entkoppeln würde, darf es jedoch nicht passieren.

-Eine sachliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage muss forciert und eine Abkehr vom blinden Retten der TV-Gelder vollzogen werden. Auch ein möglicher Abbruch der Saison darf kein Tabu sein, wenn die gesellschaftlichen Umstände es nicht anders zulassen. In diesem Fall sollten nicht nur Horrorszenarien in Form von drohenden Insolvenzen skizziert werden, sondern Lösungsmöglichkeiten in Form von Förderdarlehen, erweiterten Insolvenzfristen und anderen Kriseninstrumenten, denen sich auch die restliche Wirtschaft stellt, diskutiert werden.

-Eine kommende Lösung muss maximal solidarisch sein. Es darf unter den Vereinen keine Krisengewinner - und verlierer geben. Die Schere zwischen ,,groß‘‘ und ,,klein‘‘ darf nicht noch weiter auseinandergehen. Ausdrücklich schließen wir damit auch die Vereine der dritten Liga und der Regionalligen mit ein, für die Geisterspiele ohnehin keine Option sind.

-Die Diskussion über grundlegende Reformen, um den Profifußball nachhaltiger und wirtschaftlich krisensicherer zu gestalten, muss jetzt beginnen. Sie darf nicht nur von Fans und Journalisten geführt werden, sondern ist die zentrale Aufgabe der Verantwortlichen der Clubs und Verbände. Strukturen und Vereine müssen auf einen finanziell und ideell sicheren Boden zurückgeholt werden. Dabei muss die 50+1-Regel weiterhin unberührt bleiben.

Die Phase einer von der restlichen Gesellschaft komplett entkoppelten Fußballwelt muss ein Ende haben!

Fanszenen Deutschlands im April 2020

 

Interessante Ansätze. Das auf jeden fall. Aber ich befürchte, dass wir hier ein Thema diskutieren, das - so sagte es ja auch Timo Horn - einfach zwei Wahrheiten hat.  In vielen Punkten kann ich die Haltung der Fanszene auch sehr gut nachempfinden. Auf der anderen Seite muss man der DFL als Dachverband der Profiklubs zugestehen, alles zu unternehmen, um den wirtschaftlichen Schaden von seinen Klubs abzuwenden. Das ist deren Aufgabe. Und wenn man das ganze Thema aus DFL-Sicht zuende denkt, kann das eben nur bedeuten, alles daran zu setzen, die Saison fortzusetzen und die ausstehenden TV-Millionen somit zu sichern. Auf der anderen Seite ergibt sich aus der aktuellen Situation aber auch die klare Forderung nach einem strengeren Lizenzierungssystem. Unabhängig davon, ob das für den HSV letztlich positiv oder negativ ist, wäre das im Gegensatz zu allen Sondergenehmigungen und der möglichen Saisonfortsetzung das einzig Vernünftige, was man letztlich aus dieser Krise noch ziehen kann. Oder wie sehr Ihr das?

Aber okay, morgen gibt es mehr dazu.  Für heute war das genug. Ich melde mich dann an dieser Stelle mit einem Video-Kommentar zu diesem sehr komplexen Thema bei Euch. Bis dahin! Und vor allem: bleibt gesund!

Scholle

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