Marcus Scholz

13. August 2018

Eine Kiste war übriggeblieben. Und diese Kiste Bier brachte Christian Titz heute den Journalisten mit. Natürlich auch alkoholfrei. Es war der Rest dessen, was die Mannschaft gestern auf dem Rückweg nicht getrunken hatte. Und was auf der einen Seite eine nette Geste des Trainers war, zeigte auf der anderen Seite, dass die Mannschaft noch keinen Grund zum feiern erkannt haben will. Von zwei Kisten Bier blieb eine übrig. Das 3:0 gegen Sandhausen war zwar der historisch erste Zweitligasieg der Vereinsgeschichte – aber eben auch nichts anderes als ein minimaler Schritt auf der langen „Mission Wiederaufstieg“. Das Spiel hat vor allem eines deutlich gemacht: Gegen Kiel war nicht alles falsch – und gegen Sandhausen auch noch nicht alles richtig. Aber der Weg ist absolut gangbar.

Und dieser Weg soll auch unbeirrt weiter gegangen werden. „Wir wissen, dass der erste Sieg in einer Saison sehr wichtig ist. Er gibt Selbstvertrauen und dann kommt auch die Leichtigkeit des Seins zurück. Vergangene Woche war aber auch nicht alles schlecht. Heute war der Unterschied, dass wir früh das Tor machen und dann tut man sich im weiteren Spielverlauf auch leichter“, hatte Titz gestern gesagt und damit noch einmal verdeutlicht wie sein Weg funktioniert: Geradlinig in der Ausrichtung.

Auch bei und nach Rückschlägen setzt Titz seinen eingeschlagenen Weg konsequent fort. „Cristian ist ein sehr strategischer, langzeitlich denkender Trainer, der heute schon Dinge anschiebt, die morgen erst funktionieren. Dafür aber dann den Erfolg bringen, den sich alle erhoffen“, hatte mir mein heutiger Premierengast Andre Kilian im Trainingslager in Österreich gesagt.

Und das glaube ich. Denn Titz ist keiner, der schnell umfällt. Er hält an Ideen wie an Spielern fest, wie die Nominierungen von Vasilije Janjicic und David Bates gezeigt haben. Beide hatten gegen Kiel beim 0:3 auffällig schlecht gespielt – und bekamen erneut das Vertrauen. „Sie haben es in der Vorbereitung besser gemacht und gezeigt, dass sie es spielen können. Deshalb wäre es fatal, nach nur einem schlechten Spiel gleich den Stab über ihnen zu brechen“, erklärte der Trainer heute.

Die Folge dieses Vertrauens: Janjicic und Bates spielten gut bzw. Bates zumindest deutlich  besser als gegen Kiel. Und einer, der das Spiel gegen Kiel schon allein hätte entscheiden können, war ebenfalls von beginn an dabei und zahlte dieses Vertrauen mit zwei Toren zurück: Khaled Narey. „So ist das im Fußball. Vergangene Woche hätte ich das eine oder andere Tor machen können. Das ist mir nicht gelungen. Heute habe ich zwei Mal getroffen...“ Und das sogar im Doppelpack. „Das ist mein erster Doppelpack“, war Narey überglücklich und betonte, gern auch ohne Tor zu bleiben, wenn die Mannschaft dennoch gewinnt.

Narey war nach seinen beiden Treffern gestern wahrscheinlich ein wenig freudetrunken. Verständlich. Und das sei ihm auch gegönnt. Dennoch steckt in seinen Worten vieles von dem, wovon diese Mannschaft wirklich überzeugt ist: „Wir haben eine klasse Mannschaft. Ich kam von Anfang an ganz gut klar. Wir haben einen super Trainer, mit dem ich auch gut klarkomme. Bis jetzt läuft alles gut. So, wie ich es erwartet hatte. “ Die Erleichterung war dem schnellen Offensivspieler – übrigens der einzige Neue bislang, der Ablöse gekostet hat - anzumerken. „Ich habe von Anfang an gesagt: Mein Ziel ist es, von Anfang an zu spielen. Ich weiß, was ich kann. Ich habe in den ersten beiden Spielen gespielt. Für mich ist es wichtig, jedes Spiel zu spielen.“

Und wenn er so weitermacht, wird er jedes Spiel spielen, da bin ich mir sicher. „Khaled hat eine wahnsinnige Dynamik und einen ganz trockenen Abschluss. Wenn er in die Situationen kommt – und das war eigentlich in jedem Spiel so, in dem er vorne gespielt hat – hat er immer gefährliche Torchancen“, so Sportvorstand Ralf Becker, der einen weiteren Aspekt lobend erwähnte: „Auch in der Kombination mit Pierre, der mit seiner Körperlichkeit viele lange Bälle auf sich gezogen hat, sie verlängert oder gehalten hat, und Khaled als beweglicher, schneller Spieler drumherum – das war eine gute Konstellation. Die beiden haben sich gut ergänzt.“

Ein weiterer Neuer hat sich derweil im Eiltempo durchgesetzt: Orel Mangala. Der Mittelfeldspieler, der gern auf der Zehn spielen würde, aber eben auch auf der Sechs, konnte gegen Sandhausen bis zu seiner Auswechslung (Titz: „Er hatte signalisiert, dass er müde ist“) überzeugen. Seine Mitspieler haben den kleinen Belgier schon komplett angenommen. Torschütze Rick van Drongelen schwärmte regelrecht: „Er ist ruhig am Ball. Das ist auch wichtig. Er hatte auch wichtige Balleroberungen. Er ist wichtig für die Mannschaft. Er ist unser afrikanischer Motor im Mittelfeld. Ein sehr gutes Spiel von ihm. Wenn ich ihn so sehe, danke ich immer ein an N’Golo Kanté. Er ist auch gut am Ball und kann nach vorne marschieren.“

Okay, bis zu einem Kante, der bei Chelsea spielt und mit Frankreich gerade Weltmeister geworden ist, fehlt noch ein deutliches Stück. Dennoch war Mangalas Debüt vielversprechend. Unauffällig und effektiv – eben so, wie es die Offiziellen auf der Position am liebsten sehen. „Er war gut“, lobte auch Sportvorstand Ralf Becker den „afrikanischen Motor im Mittelfeld“, wenn auch etwas zurückhaltender als Mangala-Freund van Drongelen. „Er ist ein guter Spieler mit einem guten Zweikampfverhalten und einer guten Dynamik. Zudem verfügt er über gute Spielintelligenz. Er läuft die Räume ganz gut zu. Das ist wichtig, dass jemand da ist in der Defensive, der den Ball zurückerobert, wenn man ihn mal verliert. Das macht er sehr nüchtern und ruhig. Man hat ihm nicht angemerkt, dass er nur zwei, drei Mal mit der Mannschaft trainiert hat. Er ist ein junger Spieler“, so Becker, der aber auch einen anderen Spieler nicht unerwähnt lassen wollte: „genauso wie Janjicic. Wir haben quasi mit zwei 98ern im zentralen Mittelfeld gespielt. Beide haben es gut gemacht.“

Mangala selbst war auch zufrieden. Zumindest erst einmal. „Das war ein sehr schöner Nachmittag. Das war für mich wichtig, zu gewinnen. Wir haben das sehr gut gemacht.“

War es ein schwieriges Spiel? Hast Du den Druck nach dem 0:3 gegen Kiel gespürt?

Mangala: „Ja. Wir standen unter Druck. Aber wir haben das sehr gut gemacht. Mit dem 3:0 war das Spiel entschieden. Wir haben trotzdem weiter gut verteidigt und wollten unbedingt die Null halten.“

Wie schwierig war es, auf Anhieb in der Startelf auf der zentralen Position zu spielen?

Mangala: „Das war schon ein bisschen schwierig, weil ich das System noch nicht so gut kenne. Aber mit ein bisschen mehr Training wird das ganz schnell kommen. Meine Mitspieler haben mir geholfen und mich gut integriert. Mit viel Kommunikation klappt das von alleine. Ich habe auch ein paar Videos geschaut vorher. Ich konnte also sehen, wie wir spielen wollen.“

Hast Du das System schon mal gesehen woanders gespielt?

Mangala: „So habe ich es noch nie gespielt. Aber ich habe in der vergangenen Saison mit Stuttgart gegen den HSV gespielt. Da haben sie genauso gespielt.“

Wie groß ist die Erleichterung nach diesem Sieg?

Mangala: „Ich habe den Druck nicht so stark gespürt. Für mich war es wichtig, einfach zu gewinnen. Wir waren alle auf das Spiel fokussiert – auf nichts Anderes.“

War es für Dich ein gefühltes Heimspiel? Man hat ja fast nur HSV-Fans gehört:

Mangala: „Ja, die Fans waren fantastisch. Ich bin zufrieden. Wir haben die drei Punkte, das war das Ziel.“

Noch nicht ganz am Ziel ist Albin Ekdal. Obgleich stündlich damit gerechnet wird, dass sein Wechsel zu Sampdoria Genua vermeldet wird. Aktuell ist der Schwede in Italien, um vor Ort letzte Details seinen Vertrag betreffend zu verhandeln. Und sobald sich der HSV und Genua auf eine Ablöse geeinigt haben (HSV verlangt 2,5 Millionen Euro), kann der Vertrag auch unterschrieben werden. Anders als bei Filip Kostic, der sich für das Sandhausen-Spiel beim Trainer mehr oder weniger abgemeldet hatte. „Wenn ein Spieler nicht voll bei der Sache ist, macht es keinen Sinn. Ich kann beide Seiten verstehen“, umschiffte Titz heute geschickt die Frage, ob er Kostics Absage gutheißen könne. Und auch heute war Titz noch sehr diplomatisch. „Filips Situation wird sich in den nächsten Tagen geklärt haben. Er hat noch Optionen, die er klären muss, danach wissen wir mehr. Und dann werden wir sehen, ob er weiter Bestandteil des Kaders ist.“

Bis dahin allerdings wird Kostic sicher nicht zum Kader bei den Spielen gehören. Auch nicht am Mittwoch gegen Bayern? „Das müssen wir noch sehen“, so Titz noch ebenso unentschlossen wie im Fall Fiete Arp. „Er hat nach dem Spiel bei der U21 wieder Probleme mit dem Spann gehabt“, so der Trainer, der heute nach einer MRT-Untersuchung teilweise Entwarnung geben konnte. Arp hat lediglich eine schmerzhafte Prellung auf dem Spann. Möglich, dass der Angreifer am Mittwoch beim Spiel gegen den FC Bayern dabei sein kann.

In diesem Sinne, bis gleich. Dann mit der ersten Sendung Rautenperle live aus der Zweiten Liga. Unser heutiger Premierengast ist Co-Trainer Andre Kilian. Sendebeginn soll um 20 Uhr sein. Bis später!

Scholle

P.S.: Bis zum Spiel gegen Bayern München am Mittwoch wird nicht mehr trainiert. Lediglich die angeschlagenen und verletzten Spieler sollen zu Behandlungen erscheinen.

 

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