Marcus Scholz

16. Juni 2019

Er ist bereits in Hamburg. Seit heute. Und wie wir hier schon am Sonnabend berichtet haben, wechselt Sonny Kittel zum HSV. Seinen Medizincheck konnte er heute bereits erfolgreich absolvieren. Jetzt  unterschreibt der 26 Jahre junge Mittelfeldspieler seinen Vierjahresvertrag beim HSV bis 2023. Und auch wenn der eine oder andere von uns die Spiele gegen den FC Ingolstadt mit eben jenem sehr auffälligen Kittel noch in schlechter Erinnerung haben - ich finde diesen Transfer sehr spannend. Denn Kittel ist zwar alles andere als ein leichter Spieler. Aber er ist eben auch kein Mainstream-Typ, sondern in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Er ist aus meiner Sicht ein absoluter Unterschiedsspieler. Wenn er gesund ist…

 

Kittel, der in Frankfurt eine schwierige Phase hatte, hat sich auch in Ingolstadt zunächst schwer getan. Und das lag nicht an seinen fußballerischen Fähigkeiten. Über die bestehen keine Zweifel. Bis zur letzten Saison hatte Kittel immer wieder lange Ausfallzeiten - verletzungsbedingt. Darunter zwei Kreuzbbandrisse 2011 und 2015 sowie zwei lange Phasen mit Knorpelschäden. Und Letztgenannte gelten bis heute als noch nicht nachhaltig heilbar. Es gibt zwar immer neue Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern. Aber eine vollständige Regeneration garantiert noch kein Verfahren - das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Und schon deshalb war der Medizincheck bei Kittel sicher kein normaler, glatter Gang. Aber auch hier gilt: Wo ein Wille, da ein Weg. Papadopoulos und Adler wurden schließlich auch durchgewinkt…

Experten einig: Kittel ist ein „richtig geiler Kicker“

Und egal, wen ich aus seiner Vergangenheit gefragt habe - alle schwärmen von den fußballerischen Fähigkeiten. Immer mit dem Zusatz „wenn er gesund ist“, wobei er genau das in der abgelaufenen Saison war. Da verpasste er kein einziges Spiel verletzungsbedingt und wirkte in 31 Partien mit. Er wurde dabei dreimal eingewechselt, begann 28-mal und war einmal gelbgesperrt. Vor allem aber erzielte er zehn Tore, bereitete sechs vor und war der vielleicht auffälligste Akteur des Absteigers. Kurzum: Kittel spielte seine bislang beste Saison. Er übernahm Verantwortung und konnte gesund endlich seine Fähigkeiten ausspielen und Spiele dominieren. Ohne zitiert werden zu wollen, haben mir zwei langjährige Wegbegleiter Kittels unabhängig voneinander fast dasselbe erzählt. Beide schwärmten von seinen technischen Fähigkeiten, seiner Fußballintelligenz, der Handlungsschnelligkeit und seiner Schusstechnik. Insbesondere bei Standards. Beide benutzten zudem die Bezeichnung „richtig geiler Kicker“ und während der eine davon sprach, dass Kittel noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten angekommen sei, nannte der andere ihn „Unterschiedsspieler“. So, wie ich auch.

Und: Beide sprachen davon, dass Kittels größtes Plus auch die größte Gefahr berge, an sich selbst zu scheitern: seinen Ehrgeiz. Im Hinspiel hatte man es als Zuschauer live miterleben können, als Kittel auf dem Platz von Minute zu Minute aggressiver wurde. „Schauspieler“ schimpften viele, als er immer wieder und mit allen Mitteln versuchte, Karten gegen die HSV-Spieler zu provozieren. Nach Spielschluss gipfelte Kittels Übermotivation sogar noch in eine verbale und fast handfeste Auseinandersetzung mit Fiete Arp. Mannschaftskollegen und Offizielle konnten Kittel aber vor Schlimmerem bewahren.

Eklig ist er - auf dem Platz und für seine Mannschaft

Er könne schon ein „richtiger Assi auf dem Platz“ sein, weiß mein Freund aus Ingolstadt zu berichten. „Eklig“ sei Kittel - aber immer im Sinne des Erfolges seiner mannschaft, dem er alles unterordne.  Selbst im Training sei Kittel manchmal schwer zu bändigen gewesen. Aber, und das sei eben die Kunst bei Kittel, auf die es bei Hecking ankommen werde: Sollte man die Aggressivität Kittels in positive Energie umwandeln können, dann könne man sich in Hamburg auf eine richtig guten Spieler freuen. Auf einen richtig starken Zweitligaspieler, der das Zeig hat, ein richtig Großer zu werden.

Beim HSV hat man dieses Potenzial schon vor Jahren wahrgenommen. Schon nach dem Erstligaabstieg Ingolstadts 2017 hatte der HSV sein Interesse hinterlegt. Neben etlichen anderen Erstligisten sogar - aber sowohl Kittel als auch Ingolstadt lehnten ab. Kittel wollte sich nach vielen Verletzungspausen wieder in Topform bringen und sah beim FCI seine sportlichen Perspektiven am besten. Und vor der letzten Saison, als der HSV wieder Interesse anmeldete, war das Gespräch nach der kolportierten Ablöseforderung schnell abgehakt. Denn Kittel war plötzlich fünf Millionen Euro wert.

Der HSV hatte Kittel schon seit Jahren auf dem Zettel

Ein Marktwert, der zwar nirgendwo geschrieben stand - und auch heute nirgendwo steht. Heute werden bei „transfermarkt“ 2,5 Millionen Euro vermutet. Allerdings ist das nicht mehr als eine Schätzung. Am Ende entscheiden Angebot und Nachfrage über Marktwerte - und Kittel war bis zuletzt heiß umworben. Er ist aktuell ablösefrei, da sein Vertrag in Ingolstadt nicht für die Dritte Liga gilt. Eine gute Situation - für Kittel, der von verschiedenen Erstligisten (u.a. der 1. FC Köln) umworben wurde. So dürfte für den Mittelfeldspieler eine nette Summe nebenbei rausspringen.

Dass es letztlich der HSV geworden ist, soll bei Kittel aber vor allem auch die Nachhaltigkeit im Werben um ihn bewirkt haben. Erste Gespräche gab es bereits vor Wochen, das erste Interesse eben schon vor Jahren. Zudem besteht beim HSV im offensiven Mittelfeld ein Vakuum. Trotz, nein: weil Aaron Hunt hier eingeplant wird. Dessen Ausfallzeiten sind gegenläufig zu denen von Kittel, der offensiv allerdings auf nahezu allen Positionen schon gespielt hat. In Frankfurt spielte er in der Ersten Liga tatsächlich alle Positionen, ehe er in Ingolstadt auch vermehrt als Linksaußen agierte. „Wir werden Spieler brauchen, die eine gewisse Vielseitigkeit mitbringen“, hatte Sportvorstand Jonas Boldt in seiner Vorstellungsrunde gesagt. Mit Kittel hat er so einen Spieler. Wobei ich ehrlich gesagt darauf setzen würde, Kittel zum Nachfolger von Hunt aufzubauen. Denn bei allen Qualitäten des Kapitäns ist dessen Halbwertszeit abnehmend. Wirklich als feste Größe einzuplanen ist Hunt leider nicht mehr.

Absage von Hecking: Olic wird kein Cotrainer beim HSV

Nicht eingeplant wird indes Ivica Olic. Der ehemalige HSV-Profi hatte sich zuletzt selbst als Cotrainer ins Gespräch gebracht. Inzwischen hat Dieter Hecking klargestellt, dass es Olic nicht würde. „Ivica Olic wird es nicht. Ich schätze ihn sehr“, so Hecking gegenüber der MOPO, „wir hatten auch ein längeres Gespräch. Es ist aber nun mal so, dass er auch als Co-Trainer bei der kroatischen Nationalmannschaft arbeitet. Die Kroaten geben ihn auch nicht einfach so frei. Beides zusammen ist zu viel. Darum ist es jetzt der falsche Zeitpunkt.“ Wobei der richtige Zeitpunkt für den neuen Cotrainer durchaus da ist - immerhin beginnt die Sommervorbereitung morgen mit zwei Tagen Leistungstests, die nicht öffentlich sind. Am Mittwoch geht es dann um 10 und um 15 Uhr das erste Mal auf den Platz. Mit allen Neuen, die da bislang heißen Daniel Heuer Fernandes (26/Darmstadt), Jeremy Dudziak (23/St. Pauli), David Kinsombi (23/Kiel), Lukas Hinterseer (28) und Jan Gyamerah (23/beide Bochum). Zudem soll der HSV weiter großes Interesse an Marvin Bakalorz  (Hannover 96) haben, während Martin Harnik (Werder Bremen) und Marc Stendera (Eintracht Frankfurt) eher keine Alternativen sind.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich wie immer um 7.30 Uhr pünktlich mit dem MorningCall bei Euch, ehe es erneut für ein paar Stündchen auf den Zahnarztstuhl geht. Einen schöneren Wochenstart kann man sich doch eigentlich nicht wünschen, oder…?! Aber im Ernst: Euch allen einen schönen Sonntag und bis morgen!

 

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