Marcus Scholz

4. Dezember 2017

Heute steht der Tag ganz im Zeichen der guten Tat. Genau 707 Wünsche für bedürftige Kinder hatte der HSV an seinen 12 Weihnachtsbäumen aufgehängt, und Freiwillige haben diese erfüllt. Heute war im Bereich West des Volksparkstadions die feierliche Übergabe mit der Mannschaft, die die Geschenke entgegennahm du diese weiterleiten wird. Eine tolle Aktion, die der „Hamburger Weg“ in diesem Jahr bereits zum zehnte Mal veranstaltet. Und nirgendwo ist die Nachwuchsförderung so erfolgreich und konstant wie hier. Leider. Denn wie viel Spaß es macht, wenn diese Förderung auch sportlich funktioniert, das beweisen Talente wie Tatsuya Ito und Jann Fiete Arp gerade. Und in Sachen Konstanz hat der HSV auch erste Erfolge zu vermelden: Nachwuchschef Bernhard Peters wird dem Klub wie angekündigt bis 2020 erhalten bleiben. Letzte Detail seien noch zu klären, aber eine grundsätzliche Einigung besteht.

Ob Peters ein Geschenk für den eigenen nachwuchs ist oder nicht, darüber wird gestritten. Und das aus gutem Grund, denn Peters hatte in Hamburg bei seinem Amtsantritt 2014 in Hamburg ein relativ brach liegendes Feld vorgefunden. Dementsprechend klar und hart setzte der knurrige ehemalige Hockeynationaltrainer seine Entscheidungen durch. Viel Zeit habe er zu Beginn nicht gehabt, sagte er, während die Trainer, die bei ihm einen schweren Stand bekamen, intern den Aufstand probten. Diesmal allerdings nicht so erfolgreich wie zuvor bei dem Schweizer Paul Meier, der nach einem Jahr versuchter Veränderungen scheiterte und damals von Interims-Nachwuchschef Bastian Reinhardt abgelöst wurde. Die beiden sowie Jens Todt, Stephan Hildebrand und Michael Schröder hatten sich an einer Umstrukturierung des Nachwuchses versucht – und scheiterten früher oder später. Anders Peters: Denn dem war egal, was andere über ihn sagten. Er machte einfach. Und das mit erkennbaren Verbesserungen. Deshalb der neue Vertrag.

Allerdings, und das wird hier gern vermischt, Peters hat nur sehr bedingt etwas mit der Scoutingabteilung zu tun, die der HSV ebenso wie den nachwuchs jahrelang vernachlässigt hat. Benjamin Scherner leitet das Scouting im Jugendbereich und ist Peters damit indirekt unterstellt. Aber das war es dann auch schon. Ansonsten ist Peters nur noch im Bereich der Trainer ins Scouting sowie bei den internen Besetzungen der Trainerposten im Nachwuchs entscheidend eingebunden. Zuletzt überraschte Peters hier, als er Christian Titz nach zwei Jahren als U17-Trainer in die U21 hochzog und dort den erfolgreich spielenden Dirk Kunert (wurde Fünfter der Regionalliga) ersetzen ließ. Und das, obwohl man mit der sportlichen Entwicklung der Mannschaft nicht unzufrieden war. Immerhin wurde man nach jahrelangem Abstiegskampf Tabellenfünfter. Nein, Peters entschied sich nicht gegen Kunert, sondern für Titz, der individuell besser ausbilden soll, wie mir gesagt wurde. „Unser primäres Ziel ist, Spieler für den eigenen Profibereich auszubilden“, so Peters, der dafür intern ein eigenes Schulungsprogramm aufsetzte, das die Spieler auch auf die Nebenwirkungen des Profi-Daseins vorbereiten soll.

Dennoch, die reguläre Scoutingabteilung hat damit nicht allzu viel zu tun. Dafür hat Jens Todt alle Hände voll zu tun, eine Scoutingabteilung aufzubauen. Denn die ist de facto nicht existent. Rodolfo Cardoso, Harald Spörl, Werner Bröcker, Nuni Kucukovic, Ervin Lamce und Michael Schröder arbeiten hier – einige von ihnen als Freelancer. Auch deshalb will, nein: muss der HSV seine Scoutingabteilung neu aufsetzen – aber man weiß noch nicht, wie genau das aussehen soll. Konzepte – auch altbekannte, einst erfolgreiche – liegen seit längerem vor. Aber finanziell sind ohne Zuschüsse von Investoren keine Sprünge möglich. Insofern scheint eine große Lösung weiter ausgeschlossen – was meiner Meinung nach fatal wäre. Denn um im Scouting besser zu sein, muss mehr Zeit, müssen mehr Leute und entsprechend auch mehr Geld investiert werden. Beim HSV wurden in den letzten Jahren Sparmodelle vollzogen und im Scouting eingespart.

Eine fatale Entscheidung, die vor Beiersdorfer auch Jarchow trug. Zum besseren Verständnis: In den Zeiten, wo man international spielte, hatte der HSV einen Etat von etwas mehr als einer Million Euro für das gesamte Scouting. Also auch Jugend. Inzwischen ist dieser Investitionsbetrag auf unter eine halbe Million Euro zusammengeschrumpft (worden), während im Spielerbereich horrende Gehälter gezahlt wurden und Trainer wie Vorstände Millionenabfindungen einstrichen. Hier das vergleichsweise wenige Geld einzusparen, das man bräuchte, dürfte eigentlich kein allzu großes Problem darstellen.

Zumal es meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit ist und bleibt für den HSV, sich auf lange Sicht wieder eigenständig aufzustellen und aus der Abhängigkeit von Klaus Michael Kühne zu lösen. Über Talente, die beim HSV den Sprung nach oben schaffen und dann teuer verkauft werden – oder die Mannschaft wieder in Tabellenregionen führt, von denen wir jetzt nur träumen können. Problem hierbei: Kühne hat keine großen Ambitionen, lange auf Talente zu warten. Stattdessen setzt er auf das, was er hat: Geld genug für teure, namhafte Spieler. Ihm zur Seite – und das macht den Aufbau einer funktionaleren Scoutingabteilung noch schwieriger – steht Heribert Bruchhagen. In einem Interview sagte er meinem Kollegen Alexander Laux vor gut einem Jahr deutlich, was er von Scouting hält, nämlich nicht viel (um nicht nichts zu schreiben):

„Die Realität sieht doch so aus, dass die Vorstände ein Netzwerk mit zehn, zwölf Beratern betreiben, denen sie vertrauen. Die kommen dann zu Besuch, um über einen unter Vertrag stehenden Spieler zu sprechen, und sagen dann: Ich hätte da noch den einen oder anderen Spieler im Angebot. Dann setzt das Scouting ein.“

So kann man denken – muss man aber nicht. Denn so wichtig ein ausgewachsenes Netzwerk zu Beratern wie das von Bruchhagen auch sein mag, günstige empfehlen die eher nicht. Immerhin wollen sie auch verdienen. Und das geht bei teuren Spielern zweifellos deutlich leichter...

Nun denn, auch hier ist die Lethargie der Wohlfühloase zu erkennen. Denn die gibt es nicht nur für Spieler des HSV. Auch die Vereinsoberen haben es sich in den letzten Jahren leicht gemacht, indem sie auf namhafte Spieler gesetzt haben. So, wie Kühne es gewünscht hat. Es wurde der leichte Weg genommen, immer mit den Millionen von Klaus Michael Kühne im Rücken. Gewinne erzielt und reinvestiert hat der HSV schon lange nicht mehr. Nach der Saison 2009/10 wies der HSV ein Plus von 283.000 Euro in seiner Bilanz aus. Das Konzernergebnis betrug damals 496.000 Euro. Damals nahm man aber auch fast 50 Millionen Euro durch Verkäufe von Spielern ein, die der bis heute teuersten, aber auch effektivsten Scoutingabteilung entsprangen, die anschließend mit dem Weggang Beiersdorfers sowie seines Kompagnons und Chefscouts Bernd Legien zusammenbrach bzw. geschrumpft wurde.

Wohl auch deshalb ist Bernd Legien heute ein fast schon logischer Reflex, wenn man über die Neubesetzung des durch Benjamin Schmedes’ Abgang gen Osnabrück frei gewordenen Postens des Chefscouts (interimsweise leitet Michael Schröder die Abteilung) spekuliert. Legien selbst indes schweigt dazu. Auch, weil er weiß, dass der HSV sich intern erst einmal einig werden muss, was man will. Und ich hoffe, dass man hier schnell erkennt, dass ein Euro Scouting mehr schnell fünf unnötig ausgegebene einsparen kann bzw. zehn einbringen. „Wir besprechen im Winter, wie wir weiter vorgehen“, so Todt, der dabei aber betont, dass das Thema recht weit oben auf der internen Agenda stünde.

In diesem Sinne, hoffen wir mal, dass der HSV nicht nur Konstanz auf der Führung des Nachwuchses zeigt, sondern sich endlich auch mal selbst beschenkt und den Mut zur richtigen Investition hat, um seine Scoutingabteilung bundesligatauglich aufzustellen.

Bis morgen! Da wird um zehn Uhr am Stadion trainiert.

Scholle

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