Marcus Scholz

2. Juli 2018

Der HSV will diesen Weg gehen. Oder muss er es mehr, als er es will? Egal wie, er setzt auf seine eigenen, jungen Talente und versucht dem Verein ein Bild nach außen zu geben, das seit Jahr(zehnt)en fehlt. Bislang war der HSV immer nur der große, mit Strahlkraft versehene Dino, der irgendwie nicht mehr auf die Beine gekommen ist. Trotz Transferausgaben gleich denen deutscher Champions-League-Teilnehmer fand man sich zuletzt stets auf Augenhöhe mit den schwächsten der Liga im Abstiegskampf. Man hat verkauft, was zu verkaufen war (weniger als zwei Prozent sind noch übrig) und ist da, wo man nie sein wollte: Zweitklassig. „Die Situation annehmen, sie komplett analysieren und besser werden“, sagte Ralf Becker zum Einstand über sein erstes Ziel beim HSV. Und daran arbeitet der Vorstand Sport seither, indem er bei seinen Neuverpflichtungen auf Spieler setzt, die günstig sind.

Vor allem setzt der HSV auf eigene Talente aus dem eigenen Nachwuchs. Womit ich zu einem Thema komme, das mich seit Jahren am Fußball stört und das heute auch im Abendblatt sehr schön aufgeschrieben unter dem Titel „Süle greift Medien und Fans an: Werden Spieler verhätschelt?“ schon dargestellt wurde. Eine rhetorische Frage, wie ich meine. Denn dass die Spieler verhätschelt werden, ist unbestritten. Das wissen ALLE im deutschen wie im internationalen Profifußball. Es wird nur seitens aller Beteiligten, auch seitens des DFB, zu schöngeredet. Vor allem wird die Verantwortung dafür abgelehnt. Und wenn es weiterhin möglich ist, dass Kinder im Alter von 12, 13 oder 14 Jahren schon Monatsgehälter wie Akademiker von den Profiklubs geboten bekommen, wird sich das auch nicht ändern. Und nur, weil der HSV gerade mal nicht mit Millionen um sich schmeißen kann, heißt das noch lange nicht, dass die Spieler hier nicht auch zu sehr verhätschelt werden.

Nur ein Beispiel von heute, ohne den Namen zu nennen, weil es nicht um ihn allein geht. Im Gegenteil, derartiges Verhalten ist in Profiklubs gängig.  Zum Beispiel: Bei der Athletikeinheit am Morgen mussten die Spieler bei einer Übung Schlitten mit Gewichten darauf im Sprint hinter sich herziehen. Auf der anderen Seite angekommen, sollten sie die Schlitten in eine bestimmte Position bringen, damit die nächsten Spieler gleich beginnen konnten. Von drei Spieler machten es in diesem Fall zwei – einer nicht. Und obwohl der Athletiktrainer ihn mehrfach darauf hinwies, das nachzuholen – passiere nichts. Der Spieler verweigerte sich und setzte sich durch. Der Schlitten blieb im Irgendwo liegen und es wurde deutlich, wer hier das Sagen hat.

Okay, dieses Beispiel ist nur ein vergleichsweise harmloser Fall. Der HSV arbeitet auch an vielen Ecken schon gegen eben solche Strömungen. Und dieser Fall wäre vielleicht sogar zu vernachlässigen, wenn er nicht der Anfang einer fatalen Kette von Aktionen wäre, die folgen werden – und die im Profifußball Überhand nehmen. „Respekt ist die Basis aller Zusammenarbeit“, heißt es beim HSV wie anderswo immer, wenn man den die eigene Philosophier proklamiert. Und was so einfach wie logisch klingt, ist ein großes Problem. Hier wie anderswo. Allein weil ich es durch meinen Job vor allem beim HSV mitbekommen habe, bleibe ich mal stellvertretend für die zahlreichen Fehlentwicklungen im deutschen Fußball beim HSV.

Denn hier sind längst nicht alle gleich. Hier wurde ungeahndet beobachtet, wie ein Profi einen U21-Kicker (damals hießen sie noch U23) im Testspiel anspuckt und durchbeleidigt. Hier werden die Physios in der Halbzeit angebrüllt, weil die Mannschaft schlecht spielt und einer der Topverdiener der Meinung ist, das der vom Physio angelegte Tape-Verband nicht richtig sitzt. Obgleich es derselbe Physio und dasselbe Tape war, wie schon hunderte Male zuvor. Und um dem gut verdienenden Spieler nicht zu nahe zu treten, sorgt der damalige Cheftrainer noch dafür, dass der Physio gehen muss. Zwei von unzähligen Beispielen für das Fehlverhalten und die Respektlosigkeiten von Spielern, die inzwischen mehr Macht haben, als sie verkraften.

Und daran sind die vereine Schuld, die dem Wettkampf jegliche Moral unterordnen. Spieler, die Verträge haben, werden mit Geld dazu gebracht, diese zu brechen. Selbst dann, wenn der Vertragspartner widerspricht. Und obwohl alle Vereine dieses Verhalten des Spielers verurteilen, kommt dieser Akteur dennoch bei eine verein unter... Nein, Spieler werden wie Geldanlagen betrachtet. Schon in jüngstem Alter. Heutzutage sprießen die Spielerberater nur so aus dem Boden. Wer mehr als dreimal gegen den Ball getreten hat, sieht sich als erfahren genug an, Spielerberater zu werden. Das schnelle Geld lockt. Einen einzigen Millionentransfer zu schaffen – das kann doch angesichts der Millionen Fußballer nicht so schwer sein... Oder? Dass dafür andere gleichdenke (Pseudo-)Berater ausgestochen werden müssen – auch logisch. Und hier beginnt der Kreislauf des Unglückes schon.

Denn jetzt fangen diese Berater ohne vorausgegangene Berufsausbildung bzw. Berufserfahrung an, den Jungs zu erzählen, was diese am liebsten hören wollen. Hauptsache, es führt dazu, dass die Jungs unterschreiben. Oder besser gesagt: Die Verträge werden mit den Eltern gemacht. Jeder halbwegs talentierte Jugendliche wird hierbei mit den buntesten Bildern beschrieben und gar einem Messi gleichgestellt, wenn es denn hilft, diesen Jungen irgendwie unter Vertrag zu bekommen. Und solange diese Youngster im Wert steigen oder wertvoll bleiben, ist alles andere erst einmal sch...egal. Auch, was die Wahrheit betrifft.

Dieses erkannt, haben der HSV und viele andere Klubs reagiert. Sie bilden ihre Spieler ganzheitlich aus. Oder besser: sie versuchen es. In Leistungszentren sollen Pädagogen dafür sorgen, dass die Jungs auf alles vorbereitet werden. Auf den Fußball – und auf das wahre Leben. Dafür werden teure Leitbilder erstellt, in den Leistungszentren Regeln an Wände gezimmert und als Maßstäbe ausgegeben. Wer sich nicht daran hält, der fliegt, heißt es. Und doch gilt auch hier: Es gibt immer welche, die gleicher sind als die anderen. Vor allem dann, wenn sich der Verein tollen Fußball (oder wenigsten eine tolle Ablöse) von diesen Talenten verspricht. Problem hierbei: Intern bekommen es die anderen jungen Spieler mit und wissen sehr schnell, dass sie sich alles erlauben können – wenn sie nur gut genug spielen. Das noch größere Problem: Dass sie das glauben, ist klar. Es wird ihnen ja von ihren Beratern Tag für Tag eingeflößt...

Jetzt wie selbstverständlich zu erwarten, dass wir in den nächsten Jahren mündige und vernünftige junge  Fußballer haben, das ist utopisch. Der Wettbewerb um die Millionen verhindert das. Tattoos, bunte Schuhe, bezahlte Testimonials, teure Autos – es gibt einfach zu viele Nebensächlichkeiten, die heutzutage schon wichtiger genommen werden, als die Basis: der eigentliche Sport. Bodenständige, vernünftige Spieler sind eher die Ausnahme als die Regel. Und sie werden es so lange bleiben, wie die Vereine ihre eigenen Wertvorstellungen nur proklamieren, sie aber nicht leben. Solange die Verpflichtungen des Spielers, sich an die grundsätzlichen Regeln und Gesetze zu halten immer auch vom Grad seines Talentes abhängig sind, werden die Spieler verhätschelt. Und ebenso lange haben die Beauftragten und Verantwortlichen im Profifußball ihren pädagogischen Teil nicht nur vernachlässigt, sondern ihn auch verfehlt.

Und ehrlich gesagt habe ich kaum bis keine Hoffnung, dass sich das zeitnah ändert. Zumindest nicht allgemein gültig. Das beginnt im Amateurbereich, wo jeder halbwegs talentierte Jugendliche schon einen Berater hat. Und es endet bei den Jungmillionären im Profibereich, die der Meinung sind (oder von allen erzählt bekommen), etwas Besseres zu sein als beispielsweise die eigenen Physiotherapeuten. Wie so oft im Leben ist das liebe Geld am Ende auch im Fußball allen wichtiger als Benehmen. Und derjenige, der mehr verdient als andere, fühlt sich auch wichtiger als andere. Es wird ihm ja schon in frühester Jugend so beigebracht...

Und wo wir beim Geldverdienen schon sind: Das muss der HSV auch noch. Mit den Verkäufen ausrangierter und zu teurer Spieler wie Mavraj, Wood und  Papadopoulos sollen ebenso abgegeben werden wie Hahn, Walace und Halilovic. Wobei bei Mavraj aktuell Interesse aus der Türkei bestehen soll, den Albaner ablösefrei zu verpflichten. Ein denkbares Szenario für den HSV, der so wie im Fall Halilovic zumindest weitere Gehaltszahlungen (Mavrajs Vertrag läuft noch bis 2019) sparen würde. Derweil absolvierten Wood und Papadopoulos heute zusammen mit Zugang Narey ihre Laktattests und sollen morgen ins Training einsteigen. Ob das auch für Janjicic (siehe Foto) gilt, der heute ebenfalls seinen Laktattest machte, ist noch offen. Sollte der Schweizer seinen erneuten Trainingsrückstand in der vergangenen Woche mit dem Einzeltraining aufgearbeitet haben, soll er wieder mitwirken. Und zwar um 10 Uhr beim öffentlichen Training am Volksparkstadion.

 

Bis dahin!

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